Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellen sich verschiedene arbeitsrechtliche Fragen, so etwa im Zusammenhang mit der Lohnzahlungspflicht. Auch im Zusammenhang mit den Ferien eines Arbeitnehmers gibt es verschiedene Fallstricke, insbesondere im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Ferien, der Kürzung und Informationspflichten.

Das Obligationenrecht sieht einen Mindestanspruch von vier Wochen bezahlten Ferien pro Jahr vor. Jugendliche bis zum 20. Altersjahr dürfen sich fünf Wochen lang vom Berufsstress erholen. Auch für den Lehrvertrag ist ergänzend festgehalten, dass einem Lehrling bis zum 20. Altersjahr wenigstens 5 Wochen Ferien zu gewähren sind. Bei den vorgenannten Vorschriften handelt es sich um Mindestvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers. D.h. von Ihnen darf nur zugunsten, jedoch nicht zulasten eines Arbeitnehmers abgewichen werden.

Der Ferienanspruch eines Arbeitnehmers wächst im Verhältnis der geleisteten Arbeit an. Hat ein Arbeitnehmer etwa vier Wochen Ferien pro Jahr, wächst sein Ferienanspruch 1.67 Tage pro Monat an. Bei fünf Wochen Ferien wären es 2,08 Tage pro Monat. Bei 6 Wochen Ferien gar 2.5 Tage pro Monat.

 

Kürzung des Ferienanspruches

Wenn nicht gearbeitet wird, soll der Anspruch auf Ferien aber nicht anwachsen. Das Arbeitsrecht geht nämlich vom Grundsatz «ohne Arbeit, keine Ferien» aus. Dieser Grundsatz wird in Art. 329b OR eingeschränkt. Dieser unterscheidet drei Kategorien:

 

  1. Vom Arbeitnehmer verschuldete Abwesenheit:

Sobald die verschuldete Arbeitsverhinderung (es ist hier nur schweres Verschulden relevant) insgesamt einen vollen Arbeitsmonat beträgt, darf der Ferienanspruch um einen Zwölftel gekürzt werden. Beträgt somit die verschuldete Abwesenheit 1,5 Monate, darf der jährliche Ferienanspruch um einen Zwölftel gekürzt werden.

 

  1. Unverschuldete Abwesenheit:

Ist der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden  aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Ausübung eines öffentlichen Amtes oder Jugendurlaub von der Arbeit verhindert, so gestaltet sich die Rechtslage grosszügiger für den Arbeitnehmer. Es erfolgt keine Kürzung für den ersten vollen Monat, es gilt somit eine Karenzfrist (Schonfrist) von einem Monat. Das bedeutet, ab dem 2. vollen Monat erfolgt eine Kürzung von 1/12 der Ferien pro weiteren vollen Monat der Verhinderung. Angebrochene Monate der Verhinderung werden nicht berücksichtigt. Der erste volle Monat der Arbeitsverhinderung wird hier nicht berücksichtigt. Ist ein Arbeitnehmer somit während insgesamt 1,5 Monaten krank, dürfen die Ferien nicht gekürzt werden. Ist er 2,5 Monate krank, darf um einen Zwölftel gekürzt werden.

 

  1. Schwangerschaft:

Bei einer Schwangerschaft ist das Gesetz noch grosszügiger für die betroffene Arbeitnehmerin. Es erfolgt keine Kürzung für die ersten 2 vollen Monate – es gilt somit eine Karenzfrist (Schonfrist) von zwei Monaten. Das bedeutet, ab dem 3. vollen Monat erfolgt eine Kürzung von 1/12 der Ferien pro weiteren vollen Monat der Verhinderung.

Neben den drei vorgenannten Fällen gibt es Fälle, die nicht durch Art. 329b OR abgedeckt sind. In diesen Fällen dürfen die Ferien vom ersten Tag an gekürzt werden. Es gilt der Grundsatz «ohne Arbeit, keine Ferien» und die Ferien dürfen proportional gekürzt werden. So im Falle objektiven Leistungshindernissen (wie etwa Naturkatastrophen), rechtmässigem Streik und unbezahltem Urlaub.

Keine Ferienkürzung erfolgt, wenn die Arbeitsverhinderung auf Verschulden des Arbeitgebers beruht oder in dessen Risikosphäre fällt (Art. 324 OR).

 

Anwendung in Bezug auf die Corona-Situation

Personen, die am Corna-Virus erkranken, fallen unter die 2. Personengruppe. Dasselbe gilt für Personen, die unter ärztliche Quarantäne gestellt werden. Bei ihnen liegt ein unverschuldete Arbeitsverhinderung vor. Etwas anderes dürfte aber gelten, wenn diese Personen bewusst in ein Corona-Risikogebiet verreisen und danach nicht mehr arbeiten können. In einem solchen Fall läge eine verschuldete Arbeitsverhinderung vor.

Ist bei einem Arbeitgeber keine Arbeit vorhanden und schickt er die Arbeitnehmer nach Hause, so kann hingegen keine Ferienkürzung vorgenommen werden. Dieser Fall liegt in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Das gleiche dürfte gelten, wenn ein Betrieb wegen mangelnder Hygiene geschlossen wird. Auch wenn ein Arbeitnehmer zu 100% Kurzarbeitsentschädigung bezieht, darf der Ferienanspruch nicht gekürzt werden.

Bleibt der Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung zu Hause, ist zu differenzieren. Hält der Arbeitgeber die Hygienevorschriften ein, liegt eine Arbeitsverweigerung vor, und die Ferien dürfen vom ersten Tag an proportional gekürzt werden. Werden die Hygienevorschriften nicht eingehalten, so fällt dies in die Risikosphäre des Arbeitgebers und die Ferien dürfen nicht gekürzt werden. Bei besonders schützenswerten Personen, die aufgrund von Art. 10c der Covid-19 Verordnung nicht arbeiten und zu Hause bleiben dürfen, dürfte hingegen ein Fall einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung (und kein Ferienbezug) vorliegen, sofern der Arbeitgeber die in der Verordnung vorgesehenen Schutzvorschriften einhalten kann und der Arbeitnehmer nur aufgrund des Ansteckungsrisikos zu Hause bleiben. Kann der Arbeitgeber aber die Schutzvorschriften nicht einhalten, liegt wohl ein Sachverhalt vor, bei welchem die Ferien nicht gekürzt werden dürfen.

 

Ferien im Sommer

Der Arbeitgeber bestimmt den Zeitpunkt der Ferien (Art. 329c OR). Er muss jedoch – soweit wie möglich – dabei auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Rücksicht zu nehmen, als dies mit den Interessen des Betriebs vereinbar ist. Sodann sind die Ferien in der Regel im Verlaufe des betreffenden Dienstjahres zu gewähren. So die gesetzliche Regelung.

Als Ausfluss der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme hat der Arbeitnehmer Anrecht auf frühzeitige Zuteilung der Ferien und, soweit möglich, auf Zuteilung in einer für Ferien geeigneten Zeit. Als Faustregel wird von einer Frist von etwa (zwei bis) drei Monate im Voraus ausgegangen.

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zur Ferienfestsetzung anzuhören und soll auf dessen Wünsche möglichst Rücksicht nehmen, soweit das mit den Interessen des Betriebs vereinbar ist. Übergeht der Arbeitgeber bei der Festsetzung der Ferien die Wünsche des Arbeitnehmers, ohne dass dies durch betriebliche Interessen gerechtfertigt ist, so überschreitet er sein Festsetzungsrecht.

Wurden die Ferien für den Sommer bereits vor der Corona-Krise bestimmt, dürfte der Arbeitnehmer diese in den Sommerferien auch beziehen können, ausser es gab zwingende betriebliche Bedürfnisse, die dagegensprechen. In jedem Fall müsste der Arbeitgeber die anfallenden Kosten ersetzen.

 

Zwangsferien

Oft liest man in den Medien, dass Arbeitgeber kurzfristig Ferien für Teile der Belegschaft anordnen würden (Zwangsferien), dies im Zusammenhang mit der aktuellen Coronapandemie

Die Meinungen gehen weit auseinander bei der Frage. Wie aufgezeigt, sind die betrieblichen Interessen zu berücksichtigen, aber auf die Wünsche bzw. Interessen des Arbeitnehmers auch Rücksicht zu nehmen. Wollte man in jedem Fall die sofortige Anordnung der Ferien zulassen, würden (sofern ein Arbeitnehmer mit dem sofortigen Ferienbezug nicht einverstanden sind) die Wünsche und Interessen der Arbeitnehmer überhaupt nicht berücksichtigt werden. Sodann würde nicht geprüft werden, ob tatsächliche betriebliche Gründe für die sofortige Anordnung der Zwangsferien überhaupt vorliegen. Beharrt man hingegen auf den drei Monaten, wird der aktuellen Situation nicht Rechnung getragen. Hier spielt auch die Treuepflicht des Arbeitnehmers hinein, die gebieten kann, dass ein Arbeitnehmer, um den Betrieb zu schützen, zu gewissen Konzessionen bereit sein muss.

Aufgrund dieser Überlegungen ist davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer in der Regel wohl eine kürzere Frist zur Anordnung von Ferien zu akzeptieren hat – aufgrund der aktuellen Lage. Es ist wohl eher von zwei anstatt drei Monaten auszugehen. Bei besonderen betrieblichen Bedürfnissen dürfte es unter Umständen möglich und zulässig sein, diese Ankündigungsfrist weiter auf einige Wochen (etwa 1 Monat) zu reduzieren. Zu berücksichtigen ist aber stets, ob das Ziel der Anordnung der Zwangsferien nicht auf mildere Weise erreicht werden kann (Abbau Überstunden/Mehrzeiten, Kurzarbeit, Taggeldlösungen etc.). Soweit Ferienguthaben aus früheren Jahren betroffen sind, dürften meines Erachtens tendenziell noch kürzere Fristen zulässig sein. Ohnehin gilt, kann sich ein Arbeitnehmer nicht erholen während den Ferien, kann er diese nachbeziehen – siehe hierzu auch den Beitrag betreffend kurzfristige Zwangsferien wegen dem Coronavirus.

 

Rückruf und kurzfristige Verschiebung Ferien

Der Arbeitnehmer muss aus dringlichem und unvorhergesehenem, betrieblichem Bedürfnis eine Änderung des Ferienzeitpunkts, in Ausnahmefällen sogar ein Rückruf aus den Ferien, oder die kurzfristige Verschiebung von Ferien akzeptieren. Dem Arbeitnehmer ist dann allerdings der entstandene Schaden vom Arbeitgeber zu ersetzen. Dabei bleiben dem Arbeitnehmer die nach dem Rückruf entfallenen Ferientage erhalten. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch die Verschiebung entstanden ist (Annullierungskosten).

 

Mitteilung des Ferienortes

Zum Teil versuchen Arbeitgeber den Arbeitnehmern Ferien in Risikogebieten zu verbieten. Eine solche Weisung dürfte sich als unzulässig erweisen. Verreist der Arbeitnehmer in den Ferien in einer Risikogebiet und ist er im Zeitpunkt der Rückkehr am Conronavirus erkrankt, riskiert er, dass er den Lohn nicht mehr erhält, da er seine Arbeitsverhinderung selbst verschuldet. Dasselbe gilt, wenn nach einem freiwilligen ferienbedingten Aufenthalt ein Risiko einer Coronaerkrankung besteht und der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit zugelassen werden kann (und auch keine Homeoffice möglich ist).

Dennoch: Die Arbeitgeberin ist aktuell wegen der Corona-Krise aufgrund ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet, die nötigen Schutzvorkehrungen zum Schutz ihrer Arbeitnehmer zu treffen (Art. 328 OR, Art. 82 UVG und Art. 6 ArG i.V.m. ArGV 3). Aus diesem Grund darf der Arbeitgeber verlangen, dass die Mitarbeiter mitteilen, sofern sie ein Risikogebiet verreisen oder ihre Ferien in einem solchen verbracht haben. Eine solche Mitteilung ist bereits aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers geboten. Nicht zulässig dürfte es aber sein, wenn der Arbeitgeber von jedem Mitarbeiter die Feriendestination wissen will, unabhängig von Risikogebiet oder nicht. In einem solch Fall dürfte der Arbeitnehmer wohl auch die Unwahrheit sagen.

 

Weitere Beiträge zum Ferienrecht (Auswahl):

 

Beachten Sie auch die bisherigen, im Zusammenhang mit COVID-19 erschienen Beiträge (Auswahl):

 

Lesen Sie hierzu auch das Interview auf 20 Minuten.

 

Autor: Nicolas Facincani