Das Obergericht des Kantons Solothurn hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine heimliche Tonbandaufnahme des Arbeitnehmers einen Grund für eine gerechtfertigte fristlose Kündigung seitens Arbeitgeber darstellt oder nicht (Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, 7. Juni 2017, ZKBER.2016.71).

 

Fristlose Kündigung

Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber (oder auch der Arbeitnehmer) das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen. Die fristlose Entlassung kann jederzeit ausgesprochen werden. Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

Nach der Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung ist nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt, welche:

  • objektiv geeignet sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tief greifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist, und
  • auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben.

 

Das Obergericht hat die Frage, ob die nachträglich entdeckte unerlaubte Tonaufnahme einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung darstellt, nach den Umständen des zu beurteilenden Falles verneint.

 

Erwägungen des Gerichts (zitiert nach CAN 2018 Nr. 3)

 

Begehung einer strafbaren Handlung

Die Begehung einer strafbaren Handlung durch den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz stellt nach Lehre und Rechtsprechung eine schwere Verletzung der Treuepflicht dar und bildet in der Regel einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung. Im Besonderen gilt dies, wenn mit der Straftat die Vertrauenswürdigkeit dahingefallen ist, insbesondere bei Diebstahl, Unterschlagung, Veruntreuung, Betrug, Geheimnisverrat, Tätlichkeiten aller Art, sexueller Belästigung oder schwerer Beschimpfung. Wenn die Opfer der strafbaren Handlungen der Arbeitgeber selber, andere Mitarbeiter oder Kunden sind, genügen schon recht geringfügige Taten. In all diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stets eine Einzelfallprüfung anhand der konkreten Umstände und insbesondere der Schwere der Straftat notwendig. So ist die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nach einer ernstzunehmenden Todesdrohung eines Arbeitnehmers gegenüber einem Arbeitskollegen nicht mehr zumutbar. Auch Diebstähle zulasten des Arbeitgebers stellen in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Bei der Gewichtung einer Pflichtverletzung ist bei Kaderpersonen auf Grund des ihnen entgegengebrachten besonderen Vertrauens und der Verantwortung, welche ihnen ihre Funktion im Betrieb überträgt, ein strenger Massstab anzulegen. So wurde das wahrheitswidrige Herstellen von Dokumenten für die Buchhaltung durch einen Personalleiter als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung qualifiziert sowie auch die mehrfache Manipulation der Stempelkarte durch eine Kaderperson mit gleitender Arbeitszeit. Die einfache Gleichung «strafbare Handlung gegen den Arbeitgeber = wichtiger Grund» ist also so pauschal nicht zulässig. Eine Differenzierung ist gerade für Bagatelldelikte notwendig (Roger Rudolph: Bagatelldelikte am Arbeitsplatz: ein ausreichender Grund für eine fristlose Entlassung?, in AJP 2010 S. 1516 ff., S. 1519 f. mit Auszügen aus BGE 4C.114/2005).

 

Aufnahme des Gespräches im konkreten Fall

Nach Art. 179ter des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft, wer als Gesprächsteilnehmer ein nichtöffentliches Gespräch, ohne die Einwilligung der anderen daran Beteiligten, auf einen Tonträger aufnimmt. Bei der Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte handelt es sich um ein Vergehen (Art. 10 Abs. 3 StGB). Indessen lässt die Strafdrohung auch eine blosse Geldstrafe zu und schöpft den allgemein für Vergehen möglichen Strafrahmen bei Weitem nicht aus. Insbesondere aber weist das Strafantragserfordernis darauf hin, dass es sich dabei um ein leichteres Delikt handelt. Ganz offensichtlich bemisst sich auch hier die Schwere des Deliktes nach den Umständen. Massgebend sind dabei zweifellos die mit der unbefugten Aufnahme verfolgten Zwecke. Im vorliegenden Zivilverfahren wurde der Berufungsbeklagte dazu nicht befragt. Ein Strafantrag wurde nicht gestellt und ein Strafverfahren fand nicht statt. […] Dass er sich hier durch eine Tonaufnahme etwas absichern wollte, ist zwar nicht korrekt, aber doch auch in gewisser Weise verständlich, vor allem wenn man weiter davon ausgeht, dass sich der Arbeitnehmer der strafrechtlichen Relevanz seines Verhaltens wohl nicht bewusst gewesen ist. Ansonsten hätte er wohl kaum von sich aus dem Polizisten I. von seiner Tonaufnahme berichtet. Auf dessen Geheiss hin hat er diese sofort wieder gelöscht. Jedenfalls ist eine andere Motivationslage des Arbeitnehmers, als sich absichern zu wollen, nicht ersichtlich, genauso wie auch keine anderen erschwerenden Umstände erstellt sind, die auf eine schwere Verletzung der Treuepflicht durch den Arbeitnehmer hinweisen. Insbesondere lag hier der Fall anders als bei dem von der Vorinstanz zitierten Entscheid des Arbeitsgerichtes Ludwigshafen. Dort kam zur unerlaubten Aufnahme hinzu, dass die Arbeitnehmerin das Personalgespräch dem Eigentümer des Unternehmens übermittelte und dabei «drohte», den Gesprächsinhalt unter Nennung des Unternehmens der Öffentlichkeit bekannt zu geben (Urteil 5 Sa 687/11 vom 30. April 2012). Zudem scheint auch für die Arbeitgeber die unerlaubte Tonaufnahme nicht so schwerwiegend gewesen zu sein, ansonsten sie sich gegenüber ihrem Treuhänder so geäussert und diesen wohl auch so instruiert hätte, dass dieser im Mail vom 4. Februar 2015 an die Arbeitslosenkasse diese Verfehlung thematisiert hätte.

Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles kann die unerlaubte Tonaufnahme zusammenfassend nicht als derart schwerwiegende Pflichtverletzung gewertet werden, dass sie unter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsfrist eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermag, zumal die ordentliche Kündigungsfrist vorliegend nur gerade zwei Monate betrug (Art. 57.1 des Gesamtarbeitsvertrages 2005–2014 des Schweizerischen Elektro- und Telekommunikations-Installationsgewerbes, nachfolgend GAV).

 

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Autor: Nicolas Facincani