Im Fall des Zürcher Obergerichts  LA180031 hatte sich dieses mit der Frage zu befassen, ob illegal beschaffte Whatsup-Nachrichten durch den Arbeitgeber als Beweismittel in einem Prozess verwendet werden können, um eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen. Dies wurde von den Zürcher Gerichten verneint.

Dem Entscheid des Zürcher Obergerichts  LA180031 lag folgender Sachverhalt bzw. erstinstanzliches Urteil zugrunde (im Wesentlichen nach dem Obergerichtsentscheid zitiert):

 

Entscheid der Vorinstanz/Sachverhalt

Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos. Im Mittelpunkt standen die Vorwürfe, die Arbeitnehmerin habe sich im WhatsApp-Verkehr mit C._____, einer andern Angestellten der Arbeitgeberin, über deren Geschäftsführer D._____ ehrverletzend geäussert, habe C._____ Zugang zu Geschäftsgeheimnissen der Arbeitgeberin verschafft, zusammen mit C._____ eine Mitarbeiterin gemobbt und überdies am 19. Januar 2017 eine Krankheit vorgetäuscht.

Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass sich die Arbeitgeberin die Chat-Protokolle aus dem WhatsApp-Verkehr, auf die sich die Vorwürfe stützen, rechtswidrig beschafft habe und das Interesse an der Wahrheitsfindung nicht höher zu gewichten sei als die Verletzung der Geheimsphäre der Arbeitnehmerin. Demzufolge war die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, da die Beweismittel fehlten.

Die Vorinstanz führte zu den Kündigungsgründen aus, die Arbeitgeberin habe die fristlose Kündigung mit der massiven Verletzung von arbeitsvertraglichen Treuepflichten und strafbaren Handlungen (massive ehrverletzende Äusserungen im Sinne von Art. 173 StGB, Verletzung des Geschäftsgeheimnisses und Vortäuschung einer Krankheit) durch die Arbeitnehmerin begründet. Sie stütze ihre Vorwürfe dabei auf die WhatsApp-Chatverläufe auf dem ehemaligen Geschäftsmobiltelefon der Arbeitnehmerin und reiche die entsprechenden Chat-Protokolle bzw. Screenshots ins Recht. Die Arbeitgeberin hatte vom Chat-Verlauf im Rahmen einer „Kontrolle/Revision“ des Geschäftshandys der Arbeitnehmerin erfahren.

In den Anstellungsbedingungen der Arbeitgeberin wird die Nutzung von firmeneigenen Kommunikationsmitteln geregelt. Es heisst dort u.a.:

„19.2 Nutzung der Kommunikationsdienste

Die Mitarbeiterin nutzt den Zugang zu den Online-Diensten, deren Anwendungen, Funktionen und Leistungen nur im Zusammenhang mit der Erfüllung geschäftlicher Aufgaben. Untersagt ist infolge der akuten Gefährdung durch Viren, welche der Plattform von A._____ erheblichen Schaden zufügen können, die Benutzung des lnternets für persönliche Zwecke. Insbesondere untersagt ist der Empfang bzw. Versand von E-Mails über einen privaten Web Mail Zugang oder das Hören von Musik via Stream über die Plattform von A._____. Die Benutzung des Geschäftstelefons ist in Absprache mit der Leitung der Geschäftsstelle erlaubt, insbesondere in dringenden Situationen. Die Mitarbeiterin enthält sich subjektiver Wertungen oder Äusserungen bei der Nutzung von Online-Diensten, die seitens Dritter als beleidigend oder verletzend beurteilt werden könnten. Verboten ist insbesondere das Herunterladen irgendwelcher Programme usw. auf die Plattform von A._____ sowie das Betrachten, Herunterladen oder Versenden von E-Mails, welche auf irgendeine Art diskriminierend sind oder einen sexuellen, pornographischen oder rassistischen Inhalt besitzen.

19.3 Meldepflicht der Mitarbeiterin

Die Mitarbeiterin meldet A._____ unverzüglich alle besonderen Vorkommnisse beim Umgang mit Online-Diensten, insbesondere bei möglichem Missbrauch des Passwortes, Zugriffsversuchen von Hackern, Verdacht auf Viren etc.

19.4 Kontrolle durch A._____

A._____ behält sich das Recht vor, im Falle des Verdachtes einer Verletzung dieser Vorschriften ohne Vorwarnung eine Kontrolle vorzunehmen und sowohl Telefonnummern, EMail oder besuchte[n] Internetseiten zu überprüfen, einzusehen oder abzuhören.

19.5 Private Smartphones und Tablets

Der allgemeine Gebrauch von privaten Smartphones (Handys) und Tablets (Telefonate, SMS, Internetdienste, soziale Medien, Spiele etc.) ist während der Arbeitszeit untersagt. Sind privat dringende Kontakte erforderlich, sind diese mit der Vorgesetzten abzusprechen.

19.6 Sanktionen bei Verstössen

Je nach Schwere des Verstosses hat die betroffene Mitarbeiterin mit einer ordentlichen Kündigung oder fristlosen Entlassung zu rech(n)en. Zudem behält sich A._____ vor, der Mitarbeiterin allfällige Unkosten, Schadenersatz usw. in Rechnung zu stellen.“

Die Vorinstanz erwog, dass die Arbeitnehmerin aufgrund dieser Bestimmungen allenfalls bei einem entsprechenden Verdacht auf einen Verstoss gegen die Bestimmungen mit einer Kontrolle ihres Geschäftsmobiltelefons hätte rechnen müssen, wobei die aufgrund eines Verdachts getroffene Kontrolle bzw. Massnahme verhältnismässig sein müsse. Eine Löschung des Chat-Verlaufs wäre wohl eine solche verhältnismässige Massnahme. Zu berücksichtigen sei namentlich, dass einem WhatsApp-Chat zwischen zwei Personen im Unterschied etwa zu Facebook-Einträgen jeglicher Öffentlichkeitscharakter fehle. In casu habe nicht nur eine Kontrolle zur Behebung allfälliger Defekte stattgefunden, bei welcher die Applikation WhatsApp einfach vom Handy der Arbeitnehmerin hätte gelöscht werden können. Vielmehr sei die App geöffnet und durchsucht worden. Einzelne Chats seien durchforscht und sogar dupliziert worden (Screenshot), ohne dass dafür ein Verdachtsmoment oder eine spezifische Einwilligung bestanden habe.

 

Datenbearbeitung durch den Arbeitgeber

Gemäss Art. 328b OR darf der Arbeitgeber Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Datenbearbeitungen im Arbeitsverhältnis sind grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie seien durch den Bezug zur Eignung des Arbeitnehmers oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt.

Personendaten sind alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen (Art. 3 lit. a DSG). Daten beziehen sich insofern auf eine Person, als sie die Identität, die Merkmale und Eigenschaften, das Verhalten oder die Behandlung und Beurteilung dieser Person betreffen (Urk. 37 S. 8; BSK DSG-Blechta, Art. 3 N 8). Auch beim entsprechenden Chatverkehr um Personendaten, die vom Datenschutzgesetz erfasst sind. Durch die Sichtung, Herstellung von Screenshots und Zitierung sind diese Daten von der Arbeitgeberin bearbeitet worden. Somit war durch die Gerichte zu prüfen, ob diese Datenbearbeitung zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich war (Art. 328b OR).

Erlaubt ist die Datenbearbeitung u.a. zur Kontrolle erteilter Weisungen. So dürfen beispielsweise Randdaten (Dauer, Zeitpunkt, Gebühren, beteiligte Anschlüsse) von Telefongesprächen grundsätzlich erfasst werden, wenn Weisungen über den privaten Telefonverkehr existieren. Im Bereich des E-Mailverkehrs ist es nicht ausgeschlossen, Zahl und Umfang der abgeschickten E-Mails, einschliesslich der privaten, zu kontrollieren. Eine Inhaltskontrolle rechtfertigt sich aber höchstens bei den geschäftlichen E-Mails.

Eine inhaltliche Sichtung des Chatverlaufs war daher von vornherein nicht zulässig, da sie zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses nicht erforderlich war und wäre auch nicht verhältnismässig gewesen. Bei den Screenshots handelt es sich daher um illegal beschaffte Beweismittel.

 

Verwertung rechtswidrig beschaffter Beweismittel

Bei den Screenshots handelt es sich um ein materiell rechtswidriges Beweismittel. Bei der Beschaffung von materiell rechtswidrigen Beweismitteln wird eine Bestimmung des materiellen Rechts verletzt, welche das verletzte Rechtsgut vor der zur Diskussion stehenden Verletzung schützen soll.

Gemäss Art. 152 Abs. 2 ZPO kann das rechtswidrig beschaffte Beweismittel nur unter Einschränkungen berücksichtigt werden. Der Richter muss insbesondere eine Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des Rechtsgutes, das bei der Beweismittelbeschaffung verletzt wurde, und dem Interesse an der Wahrheitsfindung vornehmen wobei die physische, psychische oder seelische Integrität höher zu gewichten ist als materielle Werte wie Eigentum oder Besitz.

Bei der Interessenabwägung ist zunächst der Rang des beeinträchtigten Rechtsguts zu berücksichtigen. Vorliegend erfolgte ein widerrechtlicher Eingriff in die Geheimsphäre der Arbeitnehmerin, welche höher zu gewichten ist als die Privatsphäre und materielle Werte.

Weiter spielt die Intensität der Beeinträchtigung eine Rolle. Je stärker das rechtlich geschützte Interesse verletzt wird, umso stärker wird die Fairness des Verfahrens tangiert. Umso gewichtiger muss diesfalls das Interesse an der Wahrheitsfindung sein, damit das rechtswidrig erlangte Beweismittel verwertet werden kann. Des weiteren machte das Obergericht Ausführungen zur Verfahrensart und dem Streitwert.

Das Obergericht kam zum Schluss, dass das Interesse an der Wahrheitsfindung gegenüber dem Schutz der Geheimsphäre der Arbeitnehmerin nicht überwiegt, weshalb das rechtswidrig beschaffte Beweismittel (Screenshots von den Chatverläufen) nicht zu berücksichtigen ist. Demzufolge erfolgte die fristlose Kündigung nach dem Obergericht ungerechtfertigt.

 

Im vorliegenden Zusammenhang, insbesondere dem Datenschutz, sind auch die nachfolgenden Beiträge relevant:

 

Autor: Nicolas Facincani