Gemäss dem Bundesgericht sind Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter und mit einer langen Dienstzeit als besondere Arbeitnehmerkategorie zu qualifizieren. Diese wird im Zusammenhang mit Kündigung besonders geschützt. So kann sich etwa eine Kündigung eines älteren Mitarbeiters als missbräuchlich erweisen (siehe etwa Arbeitgeberkündigung – Erhöhte Fürsorgepflicht bei älteren Arbeitnehmern).

 

Ab wann gilt ein Arbeitnehmer als alt?

Auf die Frage, ab wann ein Arbeitnehmer als «alt» zu bezeichnen ist, findet sich im schweizerischen Arbeitsrecht keine konkrete Antwort. In der Lehre wird vielfach die Ansicht vertreten, dass diese Altersgrenze unter Zuhilfenahme eines Blickes in verschiedene Gesetzesbestimmungen festzulegen ist.

 

Arbeitsvertragsrecht

Im Arbeitsvertragsrecht finden sich etwa in den Art. 331d Abs. 4 OR (Verpfändung von Freizügigkeitsleistungen), Art. 331e Abs. 2 OR (Vorbezug von Freizügigkeitsleistungen) sowie in Art. 339b Abs. 1 OR (Abgangsentschädigung) Anhaltspunkte. In diesen Bestimmungen liegt die Altersgrenze bei 50 Jahren.

 

AVIG

Ein weiterer Hinweis findet sich im Arbeitslosenrecht: Gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. c AVlG erhalten Arbeitslose ab einem Alter von mindestens 55 Jahren bis zu 520 Taggelder und damit eine höhere Arbeitslosenunterstützung als jüngere Arbeitslose (mit höchstens 260 bzw. 400 Taggeldern). Ferner findet sich bei der Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung eine Altersgrenze von 58 Jahren. Bei betrieblichen Restrukturierungen sind ausnahmsweise sogar Altersrücktritte vor dem 58. Altersjahr reglementarisch möglich.

Abschliessend kann was folgt festgehalten werden: Es besteht eine Tendenz, dass Mitarbeiter bereits ab dem 50. Altersjahr in die Kategorie «ältere Arbeitnehmer» einzuordnen sind (insbesondere aufgrund der Personalvorsorgebestimmungen im Arbeitsvertragsrecht).

 

Arbeitslosigkeit

Bei den über 55-Jährigen lässt sich eine starke Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit beobachten, wie Studien zeigen. Sie bedürfen daher eines besonderen Schutzes. Folglich rechtfertigt es sich, Arbeitnehmer ab 55 Jahren als «ältere Arbeitnehmer» zu bezeichnen.

 

Entscheide

Soweit ersichtlich, hat das Bundesgericht bisher noch nicht entschieden, ab welchem Alter und welcher Dienstzeit von einem langjährigen älteren Arbeitnehmer auszugehen ist. Erwähnenswert ist ein Entscheid der Chambre d’appel des prud’hommes du Canton de Genève betreffend einen 53-jährigen Arbeitnehmer mit rund siebenjähriger Dienstzeit. Darin sah es das Gericht als erwiesen an, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer allein wegen dessen fortgeschrittenem Alter gekündigt hatte und dass die von ihr geltend gemachten anderen Kündigungsgründe (Umstrukturierung und rückläufiger Geschäftsgang) nur vorgeschoben waren und beurteilte daher die Kündigung gestützt auf Art. 336 Abs. 1 lit. a OR als missbräuchlich (JAR 2006, 469 ff.). Es gibt aber auch Entscheide, welche wesentlich ältere Mitarbeiter noch nicht als alte Mitarbeiter qualifizierten. Es scheint aber, dass in der Gerichtspraxis die Schwelle von 53 Jahren noch nicht unterschritten wurde.

 

Betriebszugehörigkeit

Neben dem fortgeschrittenen Alter des Arbeitnehmers, wirkt sich auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit auf die Intensität der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (und somit auf die Frage, ob eine missbräuchliche Kündigung vorliegt) aus; es besteht somit eine Korrelation zwischen dem Alter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Dabei gilt: Je höher das Dienstalter des Arbeitnehmers, desto höher sind die Anforderungen an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Betreffend die Dienstzeit gilt als grobe Faustregel, dass ein Arbeitnehmer ab einer Dienstzeit zwischen sechs und 20 Jahren – wobei die notwendige Dienstzeit mit dem Alter des Arbeitnehmers abnimmt – als langjähriger Arbeitnehmer gilt.

 

Faustregel

Zusammenfassend kann somit als Faustregel folgendes festgehalten werden: Bereits ab sechs Dienstjahren und einem Alter von 55 Jahren sind eine lange Dienstzeit und ein fortgeschrittenes Alter zu bejahen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist regelmässig zu prüfen, ob bei einer Entlassung eine missbräuchliche Alterskündigung gegeben ist – siehe etwa Arbeitgeberkündigung – Erhöhte Fürsorgepflicht bei älteren Arbeitnehmern.

 

Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani / Jacqueline Brunner