Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Insolvenzentschädigung (zu den Anspruchsvoraussetzungen siehe hierzu den Beitrag Anspruch auf Insolvenzentschädigung).

Gedeckt sind die letzten vier Monatslöhne vor der Konkurseröffnung bis zu einem ­Maximallohn von 12 350 Franken pro Monat. Als Lohn gilt auch der anteilsmässige 13. Monatslohn. Nicht zum Lohn gehören Spesen. Familienzulagen sind direkt bei der Familienausgleichskasse des Arbeitgebers geltend machen.

Zwei bedeutende Entscheide des Bundegerichts sind im Jahr 2018 zur Insolvenzentschädigung ergangen, die der Erwähnung bedürfen. Der erste Entscheid setzte sich mit der Geltendmachung, der zweite mit dem Umfang der Insolvenzentschädigung auseinander.

 

Glaubhaftmachung des Anspruchs 8C_867/2017 vom 20. September 2018

Im Entscheid 8C_867/2017 vom 20. September 2018 hielt das Bundesgericht fest, dass ein Arbeitnehmer seine Lohnforderung glaubhaft machen müsse:

Die Kasse darf gemäss Art. 74 AVIV eine Insolvenzentschädigung nur ausrichten, wenn der Arbeitnehmer seine Lohnforderung glaubhaft macht. Mit dieser Bestimmung werden die Beweisanforderungen bezüglich der Lohnforderung herabgesetzt. Es braucht nicht im Sinne des Regelbeweismasses die Überzeugung der Verwaltung begründet zu werden, dass die Lohnforderung überwiegend wahrscheinlich besteht. Vielmehr genügt es, dass für den geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstand wenigstens gewisse Anhaltspunkte vorhanden sind, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich der behauptete Sachverhalt nicht erstellen lassen.

Glaubhaftmachen im Rahmen von Art. 87 Abs. 1 IVV: SVR 2003 IV Nr. 25 S. 76, I 238/02 E. 2.2). Diese herabgesetzten Beweisanforderungen gelten jedoch nur für die Frage, ob und in welcher Höhe gegenüber dem insolventen Arbeitgeber eine Lohnforderung besteht, an deren Stelle die Insolvenzentschädigung treten soll. Zweck dieses Artikels ist es, die Auszahlung der Insolvenzentschädigung an jene Arbeitnehmer, welche bezüglich der Höhe ihrer Lohnforderungen in Beweisnot geraten, nicht zu verzögern (vgl. BORIS RUBIN, Commentaire de la loi sur l’assurance-chômage, 2014, N. 15 zu Art. 51 AVIG). Insbesondere bei Arbeitnehmern, die im Stundenlohn angestellt sind, wird man sich bezüglich der Lohnhöhe, welche von der Anzahl der tatsächlich geleisteten Stunden abhängt, auf die glaubhaften Angaben des Arbeitnehmers verlassen müssen. Aus diesem Grund sieht Art. 74 AVIV vor, bezüglich dieser Frage vom im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 46 zu Art. 43 ATSG mit weiteren Hinweisen; vgl. auch E. 3.2 hievor) abzuweichen. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, wie namentlich der Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit Beschäftigung in der Schweiz oder der Eintritt eines Insolvenztatbestandes müssen demgegenüber mit dem üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sein (vgl. URS BURGHERR, Die Insolvenzentschädigung, Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers als versichertes Risiko, Diss. Zürich 2004, S. 115). Auch einem im Stundenlohn angestellten Arbeitnehmer sollte es in aller Regel möglich sein, den  Bestand des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen für vergangene Perioden, Zeugnis von Vorgesetzten und Arbeitskollegen, Eintrag im Individuellen Konto der AHV, usw. mit dem Regelbeweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. 

 

Umfang der Insolvenzentschädigung 8C_526/2017 vom 15. Mai 2018

Im Entscheid 8C_526/2017 vom 15. Mai 2018 setzte sich das Bundesgericht mit dem Umfang der Insolvenzentschädigung auseinander und hielt fest, dass der Anspruch auf Insolvenzentschädigung nur tatsächlich geleistete, aber nicht entlöhnte Arbeit umfasse. Dem gleichgestellt sind die Fälle des Arbeitgebers nach Art. 324 OR.

Der Schutzzweck der Insolvenzentschädigung erstreckt sich nach gefestigter Rechtsprechung nur auf tatsächlich geleistete, aber nicht entlöhnte Arbeit. Sie erfasst nicht Lohnforderungen wegen ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses und für noch nicht bezogene Ferien.

Anteilsmässig werden auch ein allfälliger 13. Monatslohn oder Gratifikationen, Ferien- oder Feiertagsentschädigungen, sowie andere Zulagen (besondere Entschädigungen für Überstunden, Schicht-, Nacht- oder Sonntagsarbeit usw.) berücksichtigt, sofern der Versicherungsnehmer einen Rechtsanspruch darauf hat (siehe etwa die Publikation des Kantons Basel-Landschaft).

 

Beiträge zur Geltendmachung des Lohnes (ausserhalb der Insolvenzentschädigung):

 

Autor: Nicolas Facincani