Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens werden den Bewerbern verschiedene Fragen gestellt. Das Fragerecht ist aber beschränkt. Es dürfen nur Fragen gestellt werden, die zu der besetzenden Stelle in einem Zusammenhang stehen und an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Es ist von der konkreten Stelle abhängig, ob eine Frage zulässig oder unzulässig ist. So ist insbesondere die Position und die Wichtigkeit der Stelle zu berücksichtigen.

Der Arbeitnehmer muss die zulässigen Fragen wahrheitsgemäss beantworten. Wird einem Bewerber eine zulässige Frage gestellt, muss ein Bewerber diese wahrheitsgetreu beantworten. Unzulässige Fragen, d. h. Fragen, welche nicht mit der Eignungsabklärung zu tun haben, muss ein Erwerber nicht beantworten. Er verfügt zudem über das Notwehrrecht der Lüge, d. h. er kann unzulässige Fragen bewusst falsch beantworten, sofern er befürchten muss, dass er bei einer wahren Antwort die Stelle nicht erhält. Wird so eine Frage absichtlich falsch beantwortet, darf der Arbeitgeber dem Arbeitgeber später auch nicht fristlos kündigen, wenn er im Nachhinein von der Wahrheit erfährt.

Im Grunde genommen ist ein Arbeitnehmer im Rahmen des Bewerbungsverfahrens nicht mitteilungspflichtig. So ist er nicht mitteilungspflichtig, auch wenn es um anstellungserhebliche Kriterien geht, sofern er durch den Arbeitgeber nicht darauf angesprochen wird. Hingegen ist ein Stellenbewerber von sich aus, d. h. ohne Nachfrage, mitteilungspflichtig in Bezug auf für eine geordnete Arbeitsausführung unentbehrliche Eigenschaften. Der Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner Offenbarungspflicht alles mitzuteilen, was ihn zur Übernahme der Stelle als (absolut) ungeeignet erscheinen lässt, die vertragsgemässe Arbeitsleistung praktisch ausschliesst oder diese doch erheblich vermindert.

 

Das Bundesverwaltungsgericht zu den Aufklarungspflichten

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Entscheid A-668/2020 vom 23. November 2020 die Möglichkeit, dem Umfang der Pflichten zu beschreiben (E. 4.5 und 4.5.1):

4.5: Den Arbeitnehmer trifft im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine vorvertragliche, auf Art. 2 ZGB beruhende Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Der Umfang und die Tragweite dieser vorvertraglichen Pflichten sind in Lehre und Rechtsprechung im Einzelnen umstritten. Grundsätzlich ist bei Vertragsverhandlungen im Hinblick auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag ein erhöhtes Mass an Aufklärungspflichten anzunehmen, da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das regelmässig ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzt (BRUNO SCHMIDLIN, BK OR, 2013, Art. 28 N 10 und 47; INGEBORG SCHWENZER/CHRISTIANA FOUNTOULAKIS, BSK OR I, Art. 28 N 8 f.).

4.5.1: Dem Arbeitnehmer erwachsen im Rahmen von Vertragsverhandlungen insbesondere gewisse vorvertragliche Auskunfts- und Offenbarungspflichten. Lehre und Rechtsprechung unterscheiden im Rahmen von Vertragsverhandlungen im – privatrechtlichen – Arbeitsbereich drei Formen von Informationspflichten der Vertragsparteien: eine Offenbarungspflicht, A-668/2020 Seite 9 eine Auskunftspflicht und eine Wahrheitspflicht, wobei die Begriffe teilweise unterschiedlich verwendet werden (vgl. BGE 132 II 161 E. 4.2 sowie MANFRED REHBINDER/JEAN-FRITZ STÖCKLI, BK OR, 2010, Art. 320 Rz. 32 ff.; BRUNO SCHMIDLIN, BK OR, 2013, Art. 28 N 47; INGEBORG SCHWENZER/CHRISTIANA FOUNTOULAKIS, BSK OR I, Art. 28 N 8 f.; ULLIN STREIFF ET AL., Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, Art. 328b N 11 f.; vgl. auch Urteil des BVGer A-1893/2020 vom 2. September 2020 E. 5.2). Die Offenbarungspflicht verpflichtet die Verhandlungspartner, gewisse Informationen von sich aus – das heisst auch ohne spezifische Fragen des Verhandlungspartners – preiszugeben. Eine Offenbarungspflicht ist nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen: Der Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner Offenbarungspflicht alles mitzuteilen, was ihn zur Übernahme der Stelle als (absolut) ungeeignet erscheinen lässt, die vertragsgemässe Arbeitsleistung praktisch ausschliesst oder diese doch erheblich vermindert. Die Auskunftspflicht beinhaltet die Pflicht, Fragen der anderen Verhandlungspartei zu beantworten, soweit diese von unmittelbarem und objektivem Interesse für das spezifische Arbeitsverhältnis sind. Die Wahrheitspflicht schliesslich verpflichtet die Verhandlungsparteien dazu, sich bei ihren Aussagen an die Wahrheit zu halten, unabhängig davon, ob sie diese von sich aus oder im Rahmen ihrer Offenbarungs- oder Auskunftspflicht machen. Liegt die Täuschungshandlung in der unterlassenen Aufklärung, ist in der Bejahung der Verletzung der Aufklärungspflicht gleichzeitig auch die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens erstellt (vgl. INGEBORG SCHWENZER/CHRISTIANA FOUNTOULAKIS, BSK OR I, Art. 28 N 12; vgl. auch Urteil des BVGer A-1893/2020 vom 2. September 2020 E. 5.2).

 

Absichtliche Täuschung im Bewerbungsverfahren

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Entscheid A-668/2020 vom 23. November 2020 zu prüfen, ob ein Arbeitnehmer seinen künftigen Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens absichtlich getäuscht hatte (zur absichtlichen Täuschung siehe auch den Beitrag Absichtliche Täuschung bei einer Aufhebungsvereinbarung) und sich der Arbeitgeber daher korrekterweise auf einen Willensmangel wegen absichtlicher Täuschung berief.

Der Arbeitnehmer bewarb sich bei der Empa zuerst auf eine befristete und später, im September 2017, auf eine unbefristete Arbeitsstelle als juristischer Mitarbeiter. In dessen Rahmen übernahm der Arbeitnehmer hauptsächlich Aufgaben im Bereich Legal and Compliance, insbesondere interne Kontrollen und Vertragsprüfungen, wobei er sowohl intern als auch extern selbständige Kontakte und Auftritte hatte. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für diese Stelle gab der Arbeitnehmer nicht an, dass er ab 2007 während acht Jahren für ein privates Unternehmen gearbeitet hatte. Hierzu hat er im Bewerbungsverfahren u.a. eine falsche selbständige Erwerbstätigkeit über die Dauer von 8 Jahren vorgegeben.  Er informierte die Empa auch nicht darüber, dass zum Zeitpunkt der Bewerbung ein Strafverfahren gegen ihn hängig war, in dem er beschuldigt wurde, im Rahmen seiner früheren Tätigkeit Gelder veruntreut zu haben. Der Arbeitnehmer war dann zu einer Freiheitsstrafe wegen mehrfacher Veruntreuung verurteilt worden, wobei ihm dabei eine leicht verminderte Schuldfähigkeit aufgrund seiner psychischen Krankheit zugestanden wurde.

Die EMPA kündigte dann, nach Scheitern der Verhandlungen über eine Auflösungsvereinbarung, das Arbeitsverhältnis rückwirkend fristlos und stellte fest, dass sie das Arbeitsverhältnis wegen absichtlicher Täuschung als (nachträglich) unverbindlich erachte.

Auf das in Frage stehende Arbeitsverhältnis sind primär das BPG und die PVO-ETH anwendbar. Soweit das BPG und andere Bundesgesetze nichts Abweichendes bestimmen, gelten für das Arbeitsverhältnis zudem sinngemäss die einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR, vgl. Art. 6 Abs. 2 BPG).

 

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht im Entscheid A-668/2020 vom 23. November 2020 fest, dass der Arbeitnehmer die Empa über seine frühere Arbeitsstelle bei einem privaten Unternehmen absichtlich täuschte und die Empa deshalb rechtmässig die Unverbindlichkeit des Arbeitsvertrages mit dem Arbeitnehmers aufgrund eines Willensmangels geltend machte:

Insgesamt ist damit eine absichtliche Täuschung der Beschwerdeführerin durch den Beschwerdegegner zu bejahen. Die Beschwerdeführerin war entsprechend berechtigt, von der Unverbindlichkeit des Arbeitsvertrages mit dem Beschwerdegegner auszugehen. Die Frage, ob der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin auch über seine Krankheit hätte informieren müssen, kann damit offenbleiben.» (E.5.6).

 

Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ex nunc

Erklärt eine Partei an einen Vertrag aufgrund eines Willensmangelns nicht an den Vertrag gebunden sein zu wollen, so wirkt die Erklärung in der Regel rückwirkend, also von Anfang an. Aufgrund der oft komplexen Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen wirkt die Vertragsanfechtung ex nunc (von nun an) und kommt einer Kündigung gleich. So hielt das Bundesgericht in BGE 137 III 243 fest:

E. 4.4.4: Speziell berücksichtigt hat die Rechtsprechung den Umstand, dass die Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen an Grenzen stösst, wenn beispielsweise in vollständiger oder teilweiser Erfüllung des Vertrages Dienste erbracht oder Unterlassungspflichten beachtet wurden, die in natura nicht zurückerstattet werden können. In solchen Fällen misst daher die Rechtsprechung der erfolgreichen Irrtumsanfechtung aus Praktibilitätsgründen nur die Bedeutung einer Kündigung des Vertragsverhältnisses ex nunc zu. Dabei bleibt die Konstellation vorbehalten, dass sich der Willensmangel im Synallagma selbst auswirkte, d.h. für das Leistungsversprechen des Irrenden in quantitativer Hinsicht bestimmend war. Hier werden bei der Rückabwicklung die Leistungen in gerichtlicher Vertragsanpassung in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR modifiziert (grundlegend: BGE 129 III 320 E. 7.1; vgl. auch BGE 134 III 438 E. 2.4; BGE 132 III 242 E. 4.2).

Das Arbeitsrecht sieht dies ebenfalls vor: Gemäss Art. 320 Abs. 3 wird der Vertrag ex nunc aufgehoben, sofern der Arbeitnehmer in gutem Glauben Arbeit im Dienste des Arbeitgebers gleistet hat. Hierzu das Bundesgericht:

6.2.2: Wer gemäss Art. 31 Abs. 1 OR erklärt, dass er den Vertrag nicht halte, macht geltend, der Vertrag sei wegen eines Willensmangels nicht gültig zustande gekommen. Sofern die Berufung auf den Willensmangel – wie vorliegend – begründet ist, besteht die Rechtsfolge dieser Erklärung grundsätzlich darin, dass der Vertrag von Anfang an unwirksam ist. Die Erklärung nach Art. 31 Abs. 1 OR wirkt also ex tunc (vgl. BRUNO SCHMIDLIN, BK OR, 2013, Art. 31 N 83 ff.; INGEBORG SCHWENZER/CHRISTIANA FOUNTOULAKIS, BSK OR, Art. 31 N 15). Diesbezüglich gilt jedoch eine Ausnahme für das Arbeitsverhältnis, wenn der Tatbestand von Art. 320 Abs. 3 OR erfüllt ist. Demnach haben, wenn der Arbeitnehmer in gutem Glauben Arbeit im Dienste des Arbeitgebers auf Grund eines Arbeitsvertrages leistet, der sich nachträglich als ungültig erweist, beide Parteien die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in gleicher Weise wie aus gültigem Vertrag zu erfüllen, bis dieses wegen Ungültigkeit des Vertrages vom einen oder andern aufgehoben wird. In diesem Fall wirkt die Erklärung nach Art. 31 Abs. 1 OR entsprechend ex nunc (BGE 137 III 243 E. 4.4.4; 132 III 242 E. 4.2; 129 II 320 E. 7.1.2; vgl. WOLFGANG PORTMANN/ROGER RUDOLPH, BSK OR, Art. 320 N 23; INGEBORG SCHWENZER/CHRISTIANA FOUNTOULAKIS, BSK OR, Vor Art. 23–31 N 7).

 

Im vorliegenden Zusammenhang, insbesondere dem Datenschutz, sind auch die nachfolgenden Beiträge relevant:

 

Autor: Nicolas Facincani