Der Ferienanspruch eines Arbeitnehmers wächst im Verhältnis der geleisteten Arbeit an. Hat ein Arbeitnehmer etwa vier Wochen Ferien pro Jahr, wächst sein Ferienanspruch 1.67 Tage pro Monat an. Bei fünf Wochen Ferien wären es 2,08 Tage pro Monat. Bei 6 Wochen Ferien gar 2.5 Tage pro Monat.

Lässt es der Arbeitgeber zu, dass ein Arbeitnehmer im laufenden Dienstjahr zu viele Ferientage bezieht, stellt dies in der Regel kein Problem dar. Der negative Saldo wird in aller Regel im Folgejahr mit dem Ferienanspruch des Arbeitnehmers verrechnet.

Am Ende des Arbeitsverhältnisses werden die bestehenden Ferienansprüche saldiert. Ist der Saldo negativ, konnte der Arbeitnehmer also mehr als die ihm zustehenden Ferientage beziehen, sind die Rechtsfolgen, gerade in den Detailfragen, nicht geklärt.

 

Konsequenz

Logisch wäre, dass in einem solchen Fall die Ferien bzw. der während den Ferien erhalten Ferienlohn zurückzubezahlen ist: Der Arbeitnehmer hat Ferien bezogen (und währen der Ferien den Lohn erhalten), die ihm nicht zustanden. Das wird aber so in der Praxis nicht anerkannt. Die Lösung ist komplizierter, wobei die Rechtsprechung sehr heterogen ist.

 

Lösungsvorschlag

Unterschieden wird danach, wer die Ferien angeordnet hat. Hat der Arbeitgeber die Ferien angeordnet (auch bei Betriebsferien), wird davon ausgegangen, dass in einem solchen Fall die Ferien bzw. der Ferienlohn nicht zurückzubezahlen ist, ausser es wäre vereinbart (eine solche Vereinbarung ist auch stillschweigend möglich).

Werden die Ferien aufgrund eines Antrages des Arbeitnehmers gewährt, so sind die Ferien bzw. der Ferienlohn zurückzubezahlen, sofern der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt, nicht aber wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt. Kündigt der Arbeitgeber, sind somit die Ferien bzw. der Ferienlohn nicht zurückzubezahlen (JAR 1992, 177).

 

Vereinbarung zwischen den Parteien

Anerkannt ist, dass Vereinbarungen zulässig sind, wonach der Ferienlohn bei zuviel bezogenen Ferien zurückzubezahlen ist. Solche Vereinbarungen sind auch stillschweigend möglich ist.

Im Entscheid JAR 198,1 286 wurde etwa dargelegt, wann eines solche stillschweigend Vereinbarungen angenommen werden kann:

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn und eine angemessene Entschädigung für ausfallenden Naturallohn zu entrichten (Art. 329 d Abs. 1 OR). Wird das Arbeitsverhältnis aufgelöst und hat der Arbeitnehmer vorher anteilig zuviel Ferien bezogen, so kommt eine Rückforderung des Ferienlohnes nach vorherrschender Meinung nur in Betracht, wenn dies vorher vereinbart wurde (BBl 1982 III 233); die Ab73 1991 18 rede der Rückforderbarkeit kann aber auch stillschweigend erfolgen (Brühwiler, Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Zürich 1978, S. 141; Rehbinder, a. a.O. , N 13 zu Art. 329 d OR; Schweingruber, Kommentar zum Arbeitsvertrag, Bern 1974, S. 173; Staehelin, Zürcher Kommentar, N 23 f. zu Art. 329 c OR; Streiff, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, Zürich 1986, N 9 zu Art. 329 a OR; Vischer, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, S. 356 Anmerk. 70; SAE 89 S. 23 f.; JAR 1981 S. 269; anders: JAR 1981 S. 286 f.; JAR 1982 S. 141).

Stillschweigendes Einverständnis ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer trotz rechtzeitiger und ausreichender Orientierung über die bevorstehenden Betriebsferien und über ihre Anrechnung an den künftigen Ferienanspruch durch den Arbeitgeber nicht Widerspruch erhebt (Staehelin, a.a.O., N 11 zu Art. 329c OR; Brühwiler, a.a.O., S. 138f.; Streiff, a.a.O., N 9 zu Art. 329c OR; JAR 1980 S. 236). Protestiert der Arbeitnehmer aber, so muss der Arbeitgeber entweder die ganze Zeit bezahlen oder er kann bei frühzeitigem Austritt nichts zurückfordern (ZR 68 Nr. 85). Dem Arbeitgeber, welcher Betriebsferien anordnet, bleibt es ferner unbenommen, den Arbeitnehmern, welche einen kürzeren Ferienanspruch haben, zumutbare Ersatzarbeit anzubieten (Rehbinder, a.a.O., N 9 zu Art. 329 c OR; BJM 1978 S. 302 f.; BJM 1983 S. 170 ff.; JAR 1981 S. 270 f.). Wenn der Arbeitgeber aus Gründen, die er zu vertreten hat, dem Arbeitnehmer keine Arbeit zuweisen kann, muss er den Lohn gestützt auf Art. 324 OR weiter entrichten (BJM 1983 S. 170f.).

Eine stillschweigende Abrede der Rückforderbarkeit des Ferienlohnes ist ferner anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer der Vorbezug von Ferien bewusst war; denn der Arbeitgeber will im Zweifel durch die vorzeitige Feriengewährung keine Mehrleistung erbringen, sondern erwartet, dass die vorzeitig genommenen Ferien «abgearbeitet» werden oder – falls das nicht möglich ist – dass der betreffende Ferienlohn rückerstattet wird. Ein Einverständnis des Arbeitnehmers mit den Erwartungen des Arbeitgebers ist jedoch nur anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer mit der Zuteilung von noch «unverdienten» Ferien durch den Arbeitgeber einverstanden war. Auch kann es nicht für den Fall unterstellt werden, dass der Arbeitgeber den, Arbeitnehmer ohne von diesem zu vertretende Gründe «vorzeitig» entlässt (Rehbinder, a.a.O., N 13 zu Art. 329 d OR; vgl. Brühwiler, a. a. O. , N 3 c zu Art. 329 d OR; Staehelin, a. a. O. , N 24 zu Art. 329 c OR; Streiff, a.a.O., N 9 zu Art. 329 a OR; ZR 68 Nr. 85).

 

Rückzahlung der Ferien bei fristloser Entlassung

Bei ausserordentlicher (sog. fristloser) Kündigung gilt gemäss einschlägiger Doktrin, dass bei gerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber oder bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitnehmer die Rückzahlungspflicht grundsätzlich zu bejahen sei. Bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitgeber oder bei gerechtfertigter fristloser Kündigung durch den Arbeitnehmer sei sie hingegen grundsätzlich zu verneinen.

 

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Autor: Nicolas Facincani