Im Urteil 4A_129/2022 vom 27. Oktober 2022 hatte das Bundesgericht den Fall eines Arbeitnehmers zu beurteilen, der als Consultant für Beratungsdienstleistungen in Finanzfragen angestellt war.  Der Vertrag sah eine zweimonatige Probezeit vor, in der der Arbeitnehmer ausschliesslich auf Provisionsbasis entlohnt wurde. Anschliessend wurde ein Provisionsvorschuss in Höhe von CHF 2’500 brutto pro Monat garantiert. Diese Vergütung wurde für eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden garantiert. Der Arbeitnehmer hatte die Aufgabe, der Arbeitgeberin neue Kunden zuzuführen. Für die von den Beratern vermittelten Neukunden erhielt er die volle Provision. Als neu eingestellter Berater erhielt er jedoch zunächst eine bestimmte Anzahl von bereits bestehenden Kundenakten, für die er eine um die Hälfte reduzierte Provision erhielten.

Vor Bundesgericht brachte der Arbeitnehmer vor, das kantonale Gericht habe Art. 349a Abs. 2 OR verletzt zu haben, indem es festhielt, dass es nicht nötig war, den angemessenen Lohn des Arbeitnehmers zu bestimmen. Der Arbeitnehmer machte geltend, dass er die Differenz zwischen der von ihm erhaltenen Vergütung und dem angemessenen Lohn, den er hätte erhalten müssen – den er nun auf 4’000 Fr. brutto pro Monat schätzt -, d.h. insgesamt einen Betrag von 26’880 Fr. hätte erhalten müssen. Der Arbeitnehmer argumentiert, dass das von der Arbeitgeberin eingerichtete System nicht geeignet gewesen sein, um ein angemessenes Einkommen zu erzielen.

 

Zum angemessenen Lohn

Zur Angemessenheit des Lohnes, im vorliegenden Fall dem Provisionslohn, führte das Bundesgericht aus,

  • dass wenn ein Arbeitnehmer ausschliesslich oder überwiegend durch Provisionen entschädigt wird, so müssen diese eine angemessene Vergütung darstellen, wie sie in Art. 349a Abs. 2 OR im Zusammenhang mit dem Handelsreisenden definiert ist (BGE 139 III 214 E. 5.1).
  • Die „Angemessenheit“ eines Entgelts sei grundsätzlich ein Rechtsbegriff, der vom Bundesgericht in Bezug auf die Wahl der Kriterien, nach denen darüber entschieden wird, überprüft werden kann; die Anwendung dieser Kriterien hängt von Tatsachenfragen ab, die von der kantonalen Behörde geprüft werden müssen. Es müsse von Fall zu Fall geprüft werden, ob die Vergütung des Handelsreisenden als angemessen bezeichnet werden könne. Das Bundesgericht greife nur ein, wenn die kantonale Behörde ihr Ermessen missbraucht hat (Art. 4 ZGB), d.h. wenn sie unangemessene Kriterien zugrunde gelegt hat (BGE 129 III 400 E. 3.1), wenn die getroffene Entscheidung zu einem offensichtlich ungerechten Ergebnis oder zu einer stossenden Ungerechtigkeit führt (BGE 129 III 664 E. 6; 128 III 390 E. 4.5, 428 E. 4; 127 III 300 E. 6b).
  • Eine Provision gelte als angemessen, wenn sie dem Reisenden einen Verdienst sichert, der ihm unter Berücksichtigung seines Arbeitseinsatzes, seiner Ausbildung, seiner Dienstjahre, seines Alters und seiner sozialen Verpflichtungen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 349a OR). Die Entlohnung des Reisenden hängt sehr eng mit den Bedingungen zusammen, die der Arbeitgeber für ihn festlegt, um Geschäfte verhandeln oder abschließen zu können. Als Leitlinie ist auch die Branchenüblichkeit zu berücksichtigen (BGE 129 III 664 E. 6.1).

E. 4.3: Pour ce qui a trait à la détermination de la rémunération du travailleur, lorsque le salarié est rémunéré de manière exclusive ou prépondérante par des provisions, celles-ci doivent alors représenter une rémunération convenable, telle que l’entend l’art. 349a al. 2 CO dans le cadre du contrat d’engagement des voyageurs de commerce (ATF 139 III 214 consid. 5.1).  

Le caractère „convenable“ d’une rétribution est en principe une notion de droit, susceptible d’être revue par le Tribunal fédéral s’agissant du choix des critères selon lesquels il en est décidé; l’application de ces critères dépend de questions de fait qui doivent être examinées par l’autorité cantonale. Il convient de contrôler de cas en cas si la rémunération du voyageur de commerce peut être qualifiée de convenable. Le Tribunal fédéral n’intervient que si l’autorité cantonale a abusé de son pouvoir d’appréciation (art. 4 CC), c’est-à-dire si elle a retenu des critères inappropriés (ATF 129 III 400 consid. 3.1), si la décision rendue aboutit à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante (ATF 129 III 664 consid. 6; 128 III 390 consid. 4.5, 428 consid. 4; 127 III 300 consid. 6b). 

L’idée à la base de l’art. 349a al. 2 CO est d’éviter que l’employeur n’exploite le voyageur en lui promettant exclusivement ou principalement des commissions qui se révèlent par la suite insuffisantes (ATF 83 II 78; ENGEL, Contrats de droit suisse, 2e éd. 2000, p. 413). Une provision est convenable si elle assure au voyageur un gain qui lui permette de vivre décemment, compte tenu de son engagement au travail (Arbeitseinsatz), de sa formation, de ses années de service, de son âge et de ses obligations sociales (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 4e éd. 2014, n. 4 ad art. 349a CO). La rémunération du voyageur dépend très étroitement des conditions que l’employeur lui fixe pour pouvoir négocier ou conclure des affaires. On doit aussi tenir compte, comme ligne directrice, des usages de la branche (ATF 129 III 664 consid. 6.1). 

 

Beurteilung des Einzelfalls – Vergleich mit Arbeitskollegen

Im vorliegenden Fall hatte die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht festgehalten, dass der Arbeitnehmer zwischen März und Dezember 2017 eine Bruttovergütung von CHF 25’129 erhalten hatte, was einer Nettovergütung von CHF 22’881 entsprach. Dies entspricht CHF 2’288.10 netto pro Monat. Das kantonale Gericht hielt diese Vergütung für niedrig, allerdings nur aufgrund der Tatsache, dass die Leistungen des Arbeitnehmers unzureichend waren.

Das kantonale Gericht hielt nämlich anhand der Aussagen der Vorgesetzten fest, dass der Arbeitnehmer nicht die Leistungen erbracht hatte, die von ihm erwartet wurden.

Darüber hinaus hatte der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit für die Arbeitgeberin nur sehr wenige Geschäfte getätigt. Ein solches Kriterium, allein betrachtet, würde nicht ausreichen, um festzustellen, ob die vorgesehenen Provisionen angemessen waren oder nicht, da es möglich ist, dass eine geringe Anzahl von abgeschlossenen Geschäften branchenüblich sein kann – so die Vorinstanz.

Das kantonale Gericht stützte sich jedoch auf den Vergleich mit den Ergebnissen von drei Kollegen des Arbeitnehmers. Zwei dieser Kollegen hatten in den ersten neun Monaten Provisionen in Höhe von GBP 30’000 bzw. GBP 44’573 erzielt, während der Arbeitnehmer in den ersten neun Monaten nur Provisionen in Höhe von GBP 7’299 erwirtschaftet hatte. Ein dritter Kollege des Arbeitnehmers, der zu Beginn seiner Tätigkeit Schwierigkeiten hatte, Provisionen zu erzielen, die bei GBP 10’000 pro Monat lagen.

In Anbetracht dieser Elemente befand das kantonale Gericht, dass der Arbeitnehmer, wenn er aufgrund seines Vertrags eine geringe Vergütung erhalten hatte, dies nicht aufgrund einer Provisionsfestsetzung, die keine angemessene Vergütung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers und die von ihm dafür aufgewendete Zeit ermöglichte, sondern aufgrund seiner Unfähigkeit, Geschäfte zu tätigen, der Fall war.

Da die Kollegen des Arbeitnehmers aufgrund desselben Vertrags ein wesentlich höheres Einkommen erzielen konnten als er selbst, waren somit die Bedingungen des Arbeitsvertrags in Bezug auf die Entlöhnung nicht in Frage zu stellen.

Gemäss Bundesgericht hatte damit das kantonale Gericht nicht gegen das Recht verstossen indem es festhielt, das Lohnsystem sei nicht unangemessen.

 

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Autor: Nicolas Facincani 

 

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