Ein Arbeitnehmer ist gegenüber dem Arbeitgeber zur Interessenwahrung verpflichtet. Er hat grundsätzlich alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber schaden könnte. Er ist zur Solidarität und Loyalität verpflichtet. Generell zu unterlassen hat er ungebührliches und pflicht- oder rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden und Lieferanten.
Treuepflicht als Unterlassungspflicht
Die Treuepflicht ist also in erster Linie eine Unterlassungspflicht.
Folgende Verbote werden etwa mit der allgemeinen Treuepflicht begründet:
- Verbot der privaten Nutzung von Firmeneigentum
- Verbot der Anstiftung von Mitarbeitenden zu illegalem Verhalten
- Verbot der Weiterleitung von vertraulichen Informationen
- Verbot der Annahme von Schmiergeldern
Treuepflicht zum Tätigkeitwerden
Die Treuepflicht kann aber auch zu einem aktiven Tun verpflichten. U.U. muss der Arbeitnehmer sich dafür einsetzen, dass der Arbeitgeber keinen Schaden erleidet.
So muss der Mitarbeiter im Rahmen einer positiven Verpflichtung etwa
- Unregelmässigkeiten sowie illegale Praktiken umgehend melden.
- in Notsituationen andere als die vertraglich vereinbarte Arbeit erbringen. Die Treuepflicht kann also zur vorübergehenden Änderung der Arbeitspflicht führen, sofern dies notwendig ist.
- mithelfen, die Unternehmensziele zu fördern.
Schranken der Treuepflicht
Schranken der Treuepflicht bilden das Prinzip von Treu und Glauben sowie die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit. Es geht also um eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denjenigen des Arbeitnehmers. Die Treuepflicht gilt nicht nur während der Arbeitszeit, sondern – wenn auch eingeschränkt – in der Freizeit des Arbeitnehmers.
BGer 1C_316/2024 vom 6. Februar 2025
Im Entscheid BGer 1C_316/2024 vom 6. Februar 2025 wurde die Frage thematisiert, ob eine Regelung im Kanton Genf zulässig sei, wonach Polizeibeamte ihr Diensttelefon auch ausserhalb des Dienstes überprüfen müssen. Im konkreten Fall ging es um die Mitteilung von Einsätzen via SMS. Vergeblich berief sich eine Polizistin auf ihr Recht auf Nichterreichbarkeit. Art. 21 Abs. 1 des Genfer Polizeigesetzes sieht vor: „Für dienstliche Zwecke kann die Behörde jederzeit auf das Personal der Polizei zurückgreifen. Dieses wird gemäß den erhaltenen Anweisungen tätig, auch wenn seine Mitglieder nicht im Dienst sind“. In Abs. 2 legt das Gesetz fest, fest, dass das Departement im Bedarfsfall vorübergehend alle Ferien und Ruhetage aussetzen kann.
Ständige Erreichbarkeit
Im Zusammenhang mit der ständigen Erreichbarkeit stellen sich verschiedene Fragen: eine ständige Erreichbarkeit kann zu psychischen und physischen Belastungen führen und sich daher als unrechtmässig erweisen. Denn im schweizerischen Recht gibt es verschiedene Normen, welche den Arbeitgeber verpflichten, für das Wohl seiner Arbeitnehmer zu sorgen und übermässige Belastungen zu vermeiden. Im Zentrum steht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR). Gemäss Art. 328 Abs. 2 OR muss der Arbeitgeber im betrieblichen Alltag die erforderlichen und technisch sowie finanziell zumutbaren Massnahmen treffen, damit das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer keinen Schaden erleiden. Art. 6 des Arbeitsgesetzes sieht zudem vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Ob jeweils die zulässigen Grenzen überschritten sind, ist im Einzelfall zu beurteilen. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber aber haftet, sollte es aufgrund der übermässigen Belastung zur Erkrankung des Arbeitnehmers kommen.
Beurteilung durch das Gericht
Das Bundesgericht erwog, dass die Verpflichtung, das geschäftliche Telefon einmal pro Tag zu konsultieren, auch während Ferien etc., nicht unverhältnismässig sei. Eine solche Pflicht, die sich auf das Abrufen eventueller Benachrichtigungen beschränke, sei nicht mit einer Pflicht vergleichbar, jederzeit auf berufliche Aufforderungen zu antworten oder einer Anordnung des Arbeitgebers sofort Folge zu leisten:
3.4. La recourante ne critique pas l’exigence de disponibilité en tout temps posée par la loi et inhérente à la fonction de policier. Elle ne critique pas non plus les nécessités d’adapter les horaires – le cas échéant dans de courts délais – afin de répondre aux besoins du service. Ses objections portent uniquement sur la manière de notifier lesdites adaptations. S’agissant d’un événement important nécessitant l’engagement d’un grand nombre de personnes, le choix d’une communication par SMS (expressément prévu par la directive) n’apparaît ni arbitraire, ni critiquable. Comme cela a été relevé ci-dessus, le délai de communication a été respecté, s’agissant d’un événement qui ne pouvait être considéré comme récurrent. Contrairement à ce que soutient la recourante, l’obligation de consulter son téléphone professionnel une fois par jour, même en période de congé, n’apparaît nullement disproportionnée. Une telle obligation, limitée à la consultation d’éventuelles notifications, n’est pas comparable avec une obligation de répondre en tout temps aux sollicitations professionnelles ou de donner suite immédiatement à une injonction de l’employeur. Elle permet à l’employé de choisir le moment de la consultation et de prendre connaissance, le cas échéant, des changements d’horaires en contactant sa hiérarchie, sans avoir à se rendre dans les locaux de service. L’atteinte à la liberté de la recourante repose sur une base légale suffisante. Elle apparaît en outre minime et dans un rapport de proportionnalité avec les besoins du service.
Weitere Beiträge zur Treuepflicht:
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