Liegt eine missbräuchliche Kündigung vor, so kann die gekündigte Partei eine Entschädigung verlangen. Die wird vom Richter festgesetzt und darf den Betrag von 6 Monatslöhnen nicht übersteigen (in der Regel max. 2 bis 3 Monatslöhne – siehe hier etwa den Beitrag zur Höhe der Entschädigung). Wurde das Konsultationsverfahren im Rahmen einer Massenentlassung nicht eingehalten, beträgt der Betrag maximal 2 Monatslöhne (siehe etwa den Beitrag zu Massenentlassung).

Damit eine Entschädigung geltend gemacht werden kann, ist einerseits innerhalb der Kündigungfrist Einsprache zu erheben und innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage einzuleiten (siehe hierzu den Beitrag betreffend Geltendmachung einer missbräuchlichen Kündigung).

Doch was passiert, wenn die Einsprache oder die Klage nicht fristgerecht erfolgt? Verliert dann eine Partei alle Rechte die ihr im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Kündigung zustehen würden?

 

Verpasste Einsprache

Will eine gekündigte Person eine Strafzahlung verlangen, muss sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Einsprache erheben (grundsätzlich auch bei einer Probezeitkündigung, siehe hierzu den entsprechenden Beitrag). Sie muss vor Fristablauf beim Kündigenden eingehen.

Grundsätzlich bedeutet das, dass wenn die Einsprache nicht fristgerecht erfolgt, kann keine Strafzahlung mehr verlangt werden. Obwohl die Einsprache den Zweck hat, dass die Kündigung zurückgenommen wird, muss die Einsprache auch erhoben werden, wenn keine Möglichkeit zur Einigung besteht.

Wird die Einsprachefrist verpasst, so ist aber eine Feststellungsklage möglich. Dem Gekündigten steht nur eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kündigung zu, wobei hier ein besonderes Rechtsschutzinteresse gegeben sein muss.

Das Bundesgericht hält zur Einsprache und zur nicht erfolgten Einsprache in BGE 136 III 96 ff. das Folgende fest:

2.2 Ob das Ziel, eine gütliche Einigung zu fördern, erreicht wird, wird zwar bezweifelt (vgl. ADRIAN STAEHELIN, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1996, N. 1 zu Art. 336b OR mit Hinweisen). Nach einhelliger Lehre ist die form- und fristgerechte Einsprache gegen die missbräuchliche Kündigung aber unabdingbar. Sie entfällt auch nicht, weil Einigungsverhandlungen angesichts der Haltung der Gegenpartei keinen Sinn ergeben. Wird die Einsprache nicht gültig erhoben, stimmt die Partei, der gekündigt worden ist, der Kündigung im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung zu. Dem Gekündigten steht nur eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kündigung zu (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 3 zu Art. 336b OR; MANFRED REHBINDER, Berner Kommentar, 1992, N. 2 zu Art. 336b OR; RÉMY WYLER, Droit du travail, 2. Aufl. 2008, S. 553 ff.; STAEHELIN, a.a.O., N. 2 zu Art. 336b OR mit weiteren Hinweisen).

2.3 Massgebend für die Einhaltung der Frist gemäss Art. 336b Abs. 1 OR ist nach herrschender Lehre der Zeitpunkt des Zugangs der Einsprache. Diese hat daher als empfangsbedürftige Willenserklärung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu erfolgen (STAEHELIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 336b OR; REHBINDER, a.a.O., N. 2 zu Art. 336b OR; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 3 zu Art. 336b OR; WYLER, a.a.O., S. 555; ROLAND BERSIER, La résiliation abusive du contrat du travail [art. 336 à 336b CO], SJZ 89/1993 S. 321; DENIS HUMBERT, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, 1991, S. 112). Ein Teil der Lehre lässt die Postaufgabe am letzten Tag der Kündigungsfrist genügen (BARBEY, a.a.O., S. 114; CHRISTIANE BRUNNER UND ANDERE, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. 2005, N. 2 zu Art. 336b OR). Art. 336b OR ist als absolut zwingende Bestimmung ausgestaltet (Art. 361 Abs. 1 OR).

Eine Ausnahme kann höchstens in denjenigen Fällen vorliegen, in welchen es rechtmissbräuchlich wäre, sich auf die fehlende Einsprache zu berufen um die Strafzahlung zu vereiteln, so etwa wenn der Gekündigte von der Einsprache abgehalten wird oder wenn der gekündigte durch Versprechungen dazu verleitet wird, auf die Einsprache zu verzichten. Da die Berufung auf die Rechtsmissbräuchlichkeit in der Regel schwierig ist, sollte in jedem Fall, sofern man die Strafzahlung verlangen will, die Einsprache – auch wenn man sich in Verhandlungen betreffend die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses befindet – erhoben werden.

 

Verpasste Klagefrist

Will eine gekündigte Person eine Strafzahlung verlangen, muss sie innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage erheben (nachdem sie gültig Einsprache erhoben hat). Die Klage muss daher innert 180 Tagen rechtshängig sein. Die blosse Betreibung reicht nicht aus, um die Frist zu wahren.

Das Arbeitsgericht Zürich hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, in welchem nicht klar war, ob die Klage rechtzeitig erhoben wurde (Entscheide Arbeitsgerichts Zürich 2019, Nr. 11). Das Schlichtungsgesuch war zwar auf einen Tag datiert, welcher noch in der 180-tägigen Frist lag. Abgegeben wurde das Schlichtungsgesuch jedoch einen Tag zu spät.

Das Arbeitsgericht Zürich kam zur einfachen und klaren Feststellung, dass der Kläger das Schlichtungsgesuch einen Tag zu spät einreichte und mithin der Anspruch auf eine (allfällige) Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung verwirkt ist.

Will man eine Klage wegen Missbräuchlichkeit einreichen, muss also zwingend die Frist von 180 Tagen beachtet werden. An die Klage selbst sind aber keine hohen Anforderungen zu stellen (insbesondere bei einer unbegründeten Forderungsklage). So muss kein Hinweis auf einen Missbrauchstatbestand in der Klage enthalten sein.

Wir die Frist verpasst, kann aufgrund der Missbräuchlichkeit auch keine Klage auf Genugtuung eingeleitet werden, es sei denn, die Grundlage für die Klage liege in einer Persönlichkeitsverletzung, die nicht in der Kündigung selbst liegt (siehe hierzu den entsprechenden Beitrag).

 

Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani