Im Jahr 2012 war auf nationaler Ebene eine Mindestlohn-Initiative ein­gereicht worden. Diese wurde 2014 abgelehnt. Daraufhin führten in den letzten Jahren mehrere Kantone eine Lohnuntergrenze ein. Zu diesen Kantonen zählen Neuenburg, Jura, Tessin, Genf und Basel-Stadt.

Das Bundesgericht hat bisher festgehalten, dass die Kantone im Rahmen des öffentlichen Rechts nur zur Verfolgung sozialpolitischer Ziele (z.B. Armutsbekämpfung) kantonale Mindestlohnvorschriften erlassen dürften. Dabei kann ein gerechtfertigter Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit vorliegen, wenn sowohl das öffentliche Interesse (Sicherung eines menschenwürdigen Lebens) als auch die Verhältnismässigkeit gewahrt wird. Das bedingt unter anderem, dass auf regionale Unterschiede und Branchenunterschiede gezielt Rücksicht genommen wird. Kantonalen Mindestlohnbestimmungen werden durch das Bundesgericht enge Grenzen gesetzt: Damit das sozialpolitische Ziel erhalten bleibt, sind die Lohnvorschriften gemäss Bundesgericht tief anzusetzen.

Ob allerdings auch eine kommunale Kompetenz für die Einführung von lokalen Mindestlöhnen besteht, wurde vom Bundesgericht bisher nicht beantwortet. Die Stadt Zürich verfügt allerdings über ein Gutachten, welches die Einführung von lokalen Mindestlöhnen gutheisst.

 

Neue Mindestlöhne in den Städten Zürich und Winterthur

Die Bevölkerung der Städte Zürich und Winterthur hat am 18. Juni 2023 der Einführung eines Mindestlohnes von CHF 23.90 bzw. CHF 23.00 zugestimmt.

Der Mindestlohn in der Stadt Zürich gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Arbeit mehrheitlich auf dem Gebiet der Stadt verrichten. Ausgenommen vom Mindestlohn sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die: a. ein auf maximal zwölf Monate befristetes Praktikum mit Ausbildungscharakter absolvieren; b. als Lernende in anerkannten Lehrbetrieben arbeiten; c. gemäss Art. 4 Abs. 1 Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz)3 als Familienmitglieder in Familienbetrieben von den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen sind; d. an Programmen der beruflichen und sozialen Integration teilnehmen; e. jünger als 25 Jahre sind und nicht mindestens einen Berufslehrabschluss auf Stufe Eidgenössisches Berufsattest (EBA) nachweisen können; oder f. dem kantonalen Personalrecht oder dem Bundespersonal­recht unterstehen.

Die Durchsetzung des Mindestlohns wird durch eine vom Stadtrat bezeichnete Stelle kontrolliert Diese soll bei Verstössen Bussen aussprechen.

 

Vorrang des GAV?

Auffallend bei der Regelung der Stadt Zürich ist, dass diese – etwa im Gegensatz zur Regelung des Kantons Basel-Stadt keinen Vorbehalt zugunsten von Gesamtarbeitsverträgen enthält. In diesem Zusammenhang sei an die Motion Ettlin zu erinnern: Im Dezember 2022 hat der Nationalrat als zweite Kammer der Motion Ettlin zugestimmt (Mit einer Motion wird der Bundesrat beauftragt, einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen). Danach soll das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (Aveg; SR 221.215.311) um einen Absatz ergänzt werden:

Die Bestimmungen des allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch gehen anderslautenden Bestimmungen der Kantone vor.

Im Moment existieren diverse GAVs, welche tiefere Mindestlöhne vorsehen, als die von der Stadt Zürich vorgesehenen. So dürften sich insbesondere im Coiffeurgewerbe kurzfristige Lohnerhöhungen aufdrängen.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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