Das Gleichstellungsgesetz verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben. Das Verbot erstreckt sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis (insbesondere auf die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung) und bezieht sich auf direkte und indirekte Diskriminierungen.

Oft sieht man, dass der Lohn unterschiedlich ist – dann kann eine direkte Diskriminierung der Geschlechter gegeben sein, sofern es keine sachlichen Gründe (wie z.B. Ausbildung, Erfahrung etc.) gibt. Im Zusammenhang mit dem Lohn wird aber teilweise auch geltend gemacht, es liege eine indirekte Diskriminierung vor, wenn etwa ein Beruf gemäss Erfahrung ein reiner „Frauen- oder Männerberuf“ darstellt und gegenüber anderen Berufen bei gleichen Angestellten, die gleichwertige Arbeit verrichten, schlechter Entlöhnt werden. So gab es in der Vergangenheit Klagen von Kindergärtnerinnen, die geltend machten, sie seien schlechter entlöhnt als Primarlehrer. In der Regel fällt es aber schwer, in solchen Situationen die Vergleichbarkeit der Berufe und somit die Diskriminierung aufzuzeigen.

Zum Gleichstellungsgesetz im allgemeinen siehe den Beitrag Überblick über das Gleichstellungsgesetz.

 

Entscheid des Bundesgerichts 8C_420/2019 vom 20. Februar 2020

Der Arbeitnehmer schloss im Jahr 1983 das Studium der Psychologie an der Universität mit dem Lizentiat ab. Er war als Psychologe bei einer Regionalstelle bzw. im Ambulatorium der PUK tätig. Zu Beginn seiner Anstellung war er in Lohnklasse 13, seit dem Jahr 1991 in Lohnklasse 19 eingereiht. Nach einer Zusatzausbildung in Gesprächspsychotherapie mit Abschluss als Psychotherapeut SGGT (Schweizerische Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie und personzentrierte Beratung) im Jahr 1993 erlangte er mit der postgradualen Weiterbildung in Psychotherapie im Jahr 1994 den Fachtitel „Fachpsychologe für Psychotherapie FSP“ (Föderation der Schweizerischen Psychologinnen und Psychologen) verliehen. In der Folge ersuchte er um Einreihung in die Lohnklasse 21, eventualiter in die Lohnklasse 20, sowie um entsprechende Lohnnachzahlung für die vergangenen fünf Jahre ersuchen. Dieser Antrag wurde von den kantonalen Instanzen abgelehnt.

 

Besoldungssystem Kanton Zürich

Im Kanton Zürich besteht ein vom Regierungsrat und den obersten kantonalen Gerichten verordnungsweise festgelegter Einreihungsplan, der die Richtpositionen enthält, die nach 29 Lohnklassen geordnet sind (vgl. § 8 Abs. 1 der Personalverordnung vom 16. Dezember 1998 [PVO; LS 177.11]). Die Richtpositionen werden gemäss dem Verfahren der vereinfachten Funktionsanalyse (VFA) eingereiht, mit der im Verlauf einer strukturellen Besoldungsrevision in den Jahren 1987 bis 1991 sämtliche Funktionen des Staatspersonals anhand von insgesamt sechs verschiedenen Kriterien (K1 bis K6) bewertet wurden (vgl. § 8 Abs. 2 PVO; BGE 124 II 409 E. 10a S. 429). Jede Stelle wird gemäss dem Einreihungsplan und den Richtpositionsumschreibungen entsprechend ihren Anforderungen in der Regel in nur eine Lohnklasse eingereiht. Diese gilt als Einreihungsklasse (§ 10 PVO).

Die für die Einreihung der Richtpositionen erforderliche Bewertung richtet sich nach einem System, in dem maximal 1000 Punkte erreicht werden können. Diese Arbeitswertpunkte (AWP) verteilen sich folgendermassen auf die gemäss § 8 Abs. 2 PVO massgeblichen Kriterien, und zwar je maximal:

  • K1 (Ausbildung und Erfahrung) 320
  • K2 (geistige Anforderungen) 300
  • K3 (Verantwortung) 210
  • K4 (psychische Belastungen und Anforderungen) 050
  • K5 (physische Belastungen und Anforderungen) 060
  • K6 (Beanspruchung Sinnesorgane/spezielle Arbeitsbedingungen) 060

Bei der Bewertung einer Tätigkeit werden pro Kriterium 0 bis 5,0 Wertungspunkte vergeben. Die konkreten AWP ergeben sich hernach aus einer vorgegebenen Punktegewichtung (wobei die Skalierung progressiv verläuft; vgl. BGE 124 II 409 E. 10a S. 429). Die Summe der Punkte ist massgebend für die Einreihung in die Besoldungskategorie.

 

Antrag vor Bundesgericht

Der Arbeitnehmer beantragte letztinstanzlich nur noch die Einreihung seiner Tätigkeit in die Lohnklasse 20. Eine tiefere Einreihung erachte er als diskriminierend im Sinne des Gleichstellungsgesetzes (GlG) im Vergleich zu den männlich definierten Berufen Ingenieur, Steuerkommissär, Revisor. Vor Bundesgericht forderte er einzig die Anhebung der Bewertung des Kriteriums K1 (Ausbildung und Erfahrung) auf 4,0 Punkte (bzw. 224 AWP), was gesamthaft zu 531 AWP führe und Anspruch auf die Einreihung in Lohnklasse 20 eröffne. Die diskriminierende Bewertung in K1 sei Ursache dafür, dass er in Lohnklasse 19 statt 20 eingereiht worden sei. Seine Ausbildungsvoraussetzungen müssten mindestens mit 3,75, im Vergleich zum Ingenieur sogar mit 4,0 Punkten eingestuft werden. Auch die Berücksichtigung der zweijährigen Berufserfahrung ziehe zwingend die Bewertung mit mindestens 4,0 Punkten nach sich. Die Taxierung des Kriteriums K1 mit 3,5 (Vorinstanz), 3,75 (PUK) oder mit 3,5 bis 3,75 Punkten sei geschlechtsdiskriminierend.

 

Rechtlicher Streitpunkt vor Bundesgericht

Aus rechtlicher Sicht war vor Bundesgericht zu prüfen, ob die Entlöhnung des Beschwerdeführers als für die PUK tätig gewesener Psychologe im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG diskriminierend ist bzw. ob die kantonalen Instanzen (bzw. das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als Vorinstanz) bei der Beurteilung dieser Frage Bundesrecht verletzt haben. Beim Beruf des Psychologen und der Psychologin handelt es sich gemäss allen Prozessbeteiligten unbestrittenermassen um einen typischen Frauenberuf, da der Frauenanteil mehr als 70 % beträgt, bei den Vergleichsberufen (Ingenieur, Revisor, Steuerkommissär) dagegen um männlich definierte Tätigkeiten. Da der Beschwerdeführer – ein Mann – eine Diskriminierung im Vergleich zu typisch männlichen und/oder geschlechtsneutralen Berufen geltend macht, als Psychologe jedoch eine typisch weibliche Funktion ausübt, ist gemäss Bundesgericht das GlG hier anwendbar. Ein Mann in einem Frauenberuf kann sich also gemäss Bundesgericht auf eine geschlechterspezifische Diskriminierung berufen.

 

Ausführungen des Bundesgerichts zum Gleichstellungsgesetz

Das Bundesgericht machte im Entscheid 8C_420/2019 vom 20. Februar 2020 zutreffende Ausführungen zur Anwendbarkeit und Auslegung des Gleichstellungsgesetzes:

 

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Aufgrund von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV haben Mann und Frau Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Der Begriff der gleichwertigen Arbeit umfasst nicht bloss ähnliche, das heisst gleichartige Arbeiten, sondern bezieht sich darüber hinaus in Zusammenhang mit indirekten Lohndiskriminierungen auch auf Arbeiten unterschiedlicher Natur (BGE 144 II 65 E. 4.1 S. 68 mit Hinweisen). Nach Art. 3 Abs. 1 GlG dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden. Das Diskriminierungsverbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung (Abs. 2) (Erw. 3.1).  

 

Gleichwerte Tätigkeiten

Ob Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, kann nicht wissenschaftlich objektiv und wertfrei entschieden werden, sondern hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ausfallen können. Es gibt verschiedene Bewertungsverfahren, die sich in Aufgliederung, Gewichtung und Bewertung der Anforderungen unterscheiden; keines davon ist verfassungsrechtlich allein zulässig. Den zuständigen Behörden steht bei der Ausgestaltung des Besoldungssystems im öffentlichen Dienst ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu; sie können aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auswählen, die für die Besoldung massgebend sein sollen. Das Lohngleichheitsgebot schränkt diesen grossen Ermessensspielraum nicht grundsätzlich ein. Es bedeutet nicht, dass nur noch eine ganz bestimmte Methode für die Bewertung von Arbeitsplätzen zulässig wäre, und es legt nicht positiv fest, welcher Massstab anzuwenden ist; das Lohngleichheitsgebot verbietet allein die Wahl geschlechtsdiskriminierender Bewertungskriterien. Eine Arbeitsplatzbewertung oder ein Lohnsystem verstösst nicht schon dann gegen das Diskriminierungsverbot, wenn eine andere Bewertung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar wäre oder gar aus der Sicht bestimmter arbeitswissenschaftlicher Theorien besser begründet erschiene, sondern nur dann, wenn sie diskriminierend ist (BGE 125 I 71 E. 2c/aa S. 79 ff.; 125 II 385 E. 5b S. 390 f., 530 E. 5b S. 537, 541 E. 5c S. 548 f.; 124 II 409 E. 9b S. 427, 436 E. 7a S. 440 f.). Die bundesgerichtliche Praxis verlangt als Rechtfertigung für Lohnunterschiede keine wissenschaftlichen Nachweise, sondern bloss sachlich haltbare Motive (BGE 126 II 217 E. 6c S. 221; Urteil 2A.200/2001 vom 18. Juni 2002 E. 3.1). Geschlechtsdiskriminierend können schliesslich nur Lohnunterschiede zwischen typisch männlichen und typisch weiblichen oder zwischen geschlechtstypischen und geschlechtsneutralen Funktionen sein, nicht aber Differenzen zwischen zwei typisch weiblichen Funktionen (Urteil 2A.183/2003 vom 20. August 2003 E. 3.2). Auf der Grundlage des Diskriminierungsverbots von Art. 3 GlG ist es auch Männern als Angehörigen eines überwiegend weiblich besetzten Berufes gestattet, den Lohngleichheitsanspruch geltend zu machen (vgl. etwa Urteile 8C_34/2009 und 8C_35/2009 vom 4. Januar 2010 [Aktivierungstherapeut], 2A.505/2006 vom 19. Juni 2007 [diplomierter Psychiatriepfleger]; ELISABETH FREIVOGEL, in: Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, 2. Aufl. 2009, N. 100 in Verbindung mit Fn. 177 zu Art. 3 GlG) (Erw. 3.2. ).  

 

Indirekte Diskriminierung

Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts gegenüber denjenigen des anderen benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre. Demgemäss liegt eine besoldungsmässige Geschlechtsdiskriminierung vor, wenn zum Nachteil einer geschlechtsspezifisch identifizierten Arbeit sachlich unbegründete Lohnunterschiede bestehen. Eine Lohndiskriminierung entfällt, wenn die Lohndifferenz durch die zu erbringende Arbeit oder die in Frage stehende Funktion sachlich begründet erscheint. Sachlich begründet ist ein Lohnunterschied im Einzelvergleich oder bei der Einstufung von Frauenberufen, wenn er sich auf sogenannte objektive Kriterien stützt oder nicht geschlechtsspezifisch motiviert ist (BGE 136 II 393 E. 11.3 S. 397 mit Hinweisen). Zu den objektiven Kriterien gehören Gründe, die den Wert der Arbeit beeinflussen, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung, soweit sie sich im Arbeitsergebnis niederschlägt, oder Risiken; darüber hinaus kann es sich um Gründe handeln, welche sich aus sozialen Rücksichten ergeben, wie familiäre Belastung und Alter, und schliesslich kommen auch äussere Faktoren wie die konjunkturelle Lage in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht (BGE 141 II 411 E. 6.1.2 S. 419 f.; 136 II 393 E. 11.3 S. 397 f.; BGE 130 III 145 E. 5.2 S. 164 f.; je mit weiteren Hinweisen) (Erw. 3.3).  

 

Glaubhaftmachung

Gemäss Art. 6 GlG wird unter anderem bezüglich der Entlöhnung eine Diskriminierung vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Alsdann trifft den Arbeitgeber der Beweis, dass die unterschiedliche Entlöhnung sachlich gerechtfertigt ist (BGE 142 II 49 E. 6.2 S. 57 f. mit weiteren Hinweisen) (Erw. 3.4).  

 

Konkrete Bestimmung der Geschlechterdiskriminierung

Die Frage, ob ein bestimmter Lohn oder Lohnunterschied geschlechtsdiskriminierend ist, hängt einerseits von Tatfragen ab, zum Beispiel von der Höhe des Lohnes bzw. Lohnunterschiedes und vom Vorhandensein der geltend gemachten Umstände wie Ausbildung, Alter und dergleichen (BGE 124 II 436 E. 9 S. 446), anderseits aber auch davon, ob die angewendeten Beurteilungskriterien und Differenzierungsmassstäbe zulässig sind; dies ist eine frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 124 II 436 E. 8 S. 442 und zum Ganzen: BGE 142 II 49 E. 4.8 S. 55). Die Bewertung verschiedener Tätigkeiten stellt demgegenüber eine Ermessensfrage dar, in die das Bundesgericht nicht bzw. nur dann eingreifen kann, wenn die diesbezüglichen bundesrechtlichen Schranken verletzt werden: Die Bewertung darf nicht willkürlich oder rechtsungleich erfolgen (Art. 8 Abs. 1 BV) und sie darf insbesondere keine geschlechtsdiskriminierenden Elemente enthalten (Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV bzw. Art. 3 GlG; Urteile 8C_696/2016 vom 19. September 2017 E. 3.3; 8C_32/2009 und 8C_33/2009 vom 4. Januar 2010 E. 4.2.1) (Erw. 3.5).  

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kam aufgrund verschiedener Erwägungen zum Schluss, dass die Vorinstanz in gewissen Punkte willkürlich gehandelt hatte. Dies Sache wurde an die Vorinstanz zurückgewiesen. Dieses hat zu prüfen, welche Anstellungsvoraussetzungen bezüglich der Berufserfahrung im konkreten Fall zur Anwendung gelangen und gestützt auf die vervollständigte Aktenlage wird es gesamthaft in Gegenüberstellung der Vergleichsberufe zu prüfen haben, ob eine geschlechtsdiskriminierende Entlöhnung des Beschwerdeführers vorliegt.

 

Weitere Beiträge zum Gleichstellungsgesetz:

 

Autor: Nicolas Facincani