Das Gesetz gewährt dem Arbeitnehmer unter verschiedenen Gründen die kurzfristige Befreiung von der Arbeitsleistung als ausserordentliche Freizeit. Die ausserordentliche Freizeit ist in Art. 329 Abs. 3 OR geregelt. Dieser lautet wie folgt:

„Dem Arbeitnehmer sind im Übrigen die üblichen freien Stunden und Tage und nach erfolgter Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit zu gewähren.“

Die Fälle der ausserordentlichen Freizeit lassen sich grob in die folgenden Fälle unterteilen:

  • Erledigung persönlicher Angelegenheiten: Behördengänge, Wohnsitzwechsel, Arztbesuch, Aufsuchen eines Beratungstermins bei einem Rechtsanwalt, etc.
  • Erfüllung besonderer Pflichten: Fahrprüfung, militärische Inspektion bzw. Entlassung aus der Dienstpflicht, etc.
  • besondere Familienereignisse: Todesfall, Ernsthafte Erkrankungen, Hochzeit von nahen Angehörigen, etc.
  • Stellensuche

 

Stellensuche

Dem Arbeitnehmer ist gemäss Gesetz Zeit für die Stellensuche einzuräumen. Gemäss Gesetz gilt dies erst für die Zeit nach der Kündigung. Doch was gilt bei befristeten Arbeitsverhältnissen? Ist die Zeit nachzuholen und ist der Lohn für die Zeit der Abwesenheit geschuldet?

Es ist für die Beurteilung des Umfanges der Dauer der Stellensuche nicht relevant, ob der Arbeitnehmer oder ob der Arbeitgeber gekündigt hat. Auch wenn der Arbeitgeber noch nicht über die Arbeitsbewilligung für die Zeit nach dem Arbeitsverhältnis verfügt, ist ihm die Zeit für die Stellensuche zu gewähren.

Allgemein gilt, dass der Arbeitnehmer versuchen soll, die Stellensuche wenn möglich in die Freizeit zu legen – was natürlich bei einem 100% Pensum praktisch ausgeschlossen ist, bei Gleitzeitmodellen aber durchaus möglich ist (betr. Teilzeitverhältnisse siehe unten)

Auch für den Aufbau eines eigenen Betriebes kann gemäss einem Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich ausserordentliche Freizeit gewährt werden, aber nur, wenn nachgewiesen wird, dass dies nicht in der Freizeit erledigt werden kann (Entscheide des Arbeitsgerichts Zürich, Jahr 2002, S. 16).

Ein einseitiger Freizeitbezug durch den Arbeitnehmer ist nur zulässig, wenn der Arbeitgeber den Freizeitbezug ungerechtfertigterweise verweigert und er hierfür abgemahnt wurde. Grundsätzlich gilt nämlich, dass der Arbeitgeber den Zeitpunkt bestimmt, dabei sind alle Interessen zu berücksichtigen (siehe hier auch etwa den Beitrag betreffend Ferienzeitpunkt).

 

Umfang der Arbeitsbefreiung für die Stellensuche

Die Zeit, welche einem Arbeitnehmer für die Stellensuche einzuräumen ist, muss vom Arbeitgeber nach Treu und Glauben bestimmt werden. In der Praxis hat sich die Dauer von einem halben Tag pro Woche, welcher auch in 2 x 2 Stunden unterteilbar sein soll, eingebürgert. Es ist aber nur für die effektiv benötigte Zeit frei zu geben. Ein Arbeitnehmer darf nicht einfach während der Kündigungsfrist einen halben Tag pro Woche frei machen.

Anerkannt ist aber, dass sich der Zeitbedarf bei kurzer Kündigungsfrist oder bei speziellen Verhältnissen (wie etwa die Arbeitsmarktsituation oder spezielle Verhältnisse des Arbeitgebers (etwa das Alter)) die Dauer der ausserordentlichen Freizeit für die Stellensuche erhöht werden muss.

Auch die Dauer des Weges zu einem Vorstellungsgespräch ist für die Dauer zu berücksichtigen. Wird die Dauer der gewährten Freizeit, welche mit dem Arbeitgeber rechtzeitig abzusprechen ist, überschritten, muss die Zeit nachgeholt werden.

Nicht zulässig ist es grundsätzlich, dass die Zeit für die Stellensuche davon abhängig gemacht wird, dass der Arbeitnehmer die Adresse des Vorstellungsgespräches nennt.

 

Befristete Arbeitsverhältnisse

Aufgrund des Wortlautes des Gesetzes könnte davon ausgegangen werden, dass die Regelung nur für unbefristete, nicht aber für befristete Arbeitsverhältnisse gelten soll. In der Praxis ist anerkannt, dass auch einem Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag die Zeit für die Stellensuche zu gewähren ist. In einem solchen Fall, wir die hypothetische Kündigungsfrist bestimmt, welche nach Art. 335b und 335c OR anwendbar wäre und geschaut, wann gekündigt werden müsste, damit das Arbeitsverhältnis, sofern es unbefristet wäre, am Enddatum des Arbeitsvertrages enden würde.

 

Nachholen der Abwesenheit

Oft wird von Arbeitgebern verlangt, dass die gewährte Zeit für die Stellensuche nachzuholen sein.

Dies ist als allgemeine Regel nicht zutreffend. Anerkannt ist, dass wenn der Arbeitsvertrag hierzu keine Regelung enthält, die Zeit für die Stellensuche nicht zu kompensieren ist. Umstritten ist, ob eine diesbezügliche Regelung in einem Arbeitsvertrag bindend wäre. Dies wäre wohl nur (wenn überhaupt) in dem Umfang zulässig, als kein Lohnanspruch für die Dauer der Stellensuche besteht (zum Lohnanspruch siehe nachfolgend).

In jedem Fall unzulässig ist eine Kompensation, wenn ein Fall von Art. 324a OR (unverschuldete Arbeitsverhinderung) vorliegt.

 

Lohnanspruch

Ein höchstrichterlicher Entscheid existiert nicht. Massgebend ist die Vereinbarung der Parteien, wenn keine existiert, die Übung (Art. 322 OR – siehe hierzu den Beitrag zur Lohnhöhe). Es hat sich die folgende Praxis entwickelt:

Bei Monats- und Wochenlöhnen erfolgt kein Abzug, bei Stunden-, Tag- und Akkordlöhnen wird nur die Zeit entschädigt, während der gearbeitet wird.

Liegt ein Fall von Art. 324a OR (unverschuldete Arbeitsverhinderung) vor, ist der Lohn geschuldet.

 

Teilzeitarbeit

Es ist in jedem Fall gesondert zu beurteilen, ob ein Teilzeitangestellter Anspruch auf eine kurzfristige Arbeitsbefreiung hat (Art. 329 Abs. 3 OR). Bei Teilzeitangestellten ist insbesondere zu prüfen, ob die Verrichtung auch während der arbeitsfreien Zeit zumutbar ist. Ist dies der Fall, besteht kein Anspruch auf kurzfristige Arbeitsbefreiung.

 

Kündigung wegen Stellensuche

Der Arbeitnehmer hat das Recht zur Stellensuche. Nimmt er sein Recht war, darf ihm grundsätzlich nicht fristlos gekündigt werden. Eine fristlose Entlassung wäre etwa denkbar, wenn der Arbeitnehmer zwar Zeit für die Stellensuche beansprucht, aber die Zeit anderweitig verwendet oder eigenmächtig (bei berechtigter Verweigerung der Zeit für die Stellensuche durch den Arbeitgeber) die Stelle für die Stellensuche verlässt. Es wäre aber stets der Einzelfall zu prüfen.

 

Weitere relevante Beiträge zur Lohnfortzahlungspflicht (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani