In Art. 10 des Gleichstellungsgesetzes (GlG) wird die Vermutung aufgestellt, dass Kündigung durch den Arbeitgeber, die während oder sechs Monate nach der Erhebung einer innerbetrieblichen Beschwerde über eine Diskriminierung nach dem GlG bzw. der Anrufung der Schlichtungsbehörde oder des Gerichts im Zusammenhang mit einer Diskriminierung nach dem GlG ausgesprochen wird, eine Rachekündigung darstellt (in Bezug auf die möglichen Konsequenzen sei auf den Beitrag betreffend Wiedereinstellung verwiesen).

 

Rachekündigung als missbräuchliche Kündigung

Die Rachekündigung nach Art. 10 GlG ist ein Anwendungsfall der missbräuchlichen Kündigung, genauer gesagt von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR, welcher bestimmt, dass eine Kündigung missbräuchlich ist, wenn sie ausgesprochen wird, weil eine Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht (sieher hierzu etwa auch den Beitrag betreffend missräuchliche Kündigungen).

Aus diesem Grund verweist Art. 10 Abs. 4 GlG für den Fall, dass der Arbeitnehmende lediglich eine Entschädigung geltend machen will, auf Art. 336a OR (siehe betreffend die Geltendmachung den entsprechenden Beitrag). Wenn ein Arbeitnehmender lediglich eine Entschädigung gemäss Art. 336a OR  (und keine Wiedereinstellung) geltend machen will, ist es für ihn in aller Regel vorteilhafter, wenn er sich auf das GlG anstatt auf Art. 336 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 336a OR beruft, wenn die Kündigung während einer Schutzfrist ausgesprochen wird (siehe auch den Beitrag zur Höhe). Die Rachekündigung wird dann vermutet und auch das Verfahren kann sich einfacher gestalten.

 

Kündigungen in Verletzung von Art. 3 und 4 des Gleichstellungsgesetzes

Vom Tatbestand der Rachekündigung sind Kündigungen zu unterscheiden, die in Verletzung von Art. 3 (Kündigungen, die direkt oder indirekt eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts etc. darstellen (namentlich unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft)) und/oder Art. 4 GlG (Kündigungen, die ein Druckmittel zur Erlangung eines Entgegenkommens sexueller Art (GlG 4) darstellen) ergehen. Direkt diskriminierend ist etwa die Kündigung einer Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwangerschaft. Eine – nicht sofort ersichtliche – indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung geschlechtsneutral abgefasst ist, in ihren Wirkungen aber das eine Geschlecht erheblich benachteiligt. Ein Beispiel für eine indirekte Diskriminierung kann etwa der Entscheid einer Arbeitgeberin darstellen, im Rahmen einer Massenentlassung primär Teilzeitangestellten zu kündigen.

Liegt eine diskriminierende Kündigung i.S.v. Art. 3 oder 4 GlG vor, so wird das Arbeitsverhältnis beendet. Dem Arbeitnehmenden steht dann gemäss Art. 5 Abs. 2 GlG eine Entschädigung im Sinne von Art. 336a zu. Art. 9 GlG verweist für das Verfahren auf Art. 336b OR. Es ist eine Einsprache notwendig und die Klage ist innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erheben.

Vorbehalten bleiben allfällige Ansprüche auf Schadenersatz und/oder Genugtuung. Im Falle einer sexuellen Belästigungg könnte der Arbeitnehmende unter Umständen zudem eine Entschädigungszahlung nach Art. 5 Abs. 3 GlG geltend machen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind.

Auch wenn diskriminierende Kündigungen i.S.v. Art. 3 oder 4 GlG lediglich Anwendungsfälle von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR darstellen, gilt auch hier, dass der Arbeitnehmende gut daran beraten ist, sich direkt auf die Bestimmungen des GlG und nicht des OR zu berufen. Im Falle der Berufung auf das GlG ist die Diskriminierung nur glaubhaft zu machen. Sodann ist das Schlichtungsverfahren freiwillig, in der Regel aber zu empfehlen.

 

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Autoren: Nicolas Facincani / Juliane Jendis