Damit ein nachvertragliches Konkurrenzverbot gültig vereinbart werden kann, braucht es verschiedene Voraussetzungen (siehe hierzu den Beitrag zu den Gültigkeitsvoraussetzungen des Konkurrenzverbotes).

Im Entscheid BGer 4A_241/2020 vom 9. September 2020 hatte sich das Bundesgericht mit der Gültigkeit eines Konkurrenzverbotes auseinanderzusetzen. Dabei hatte die Mitarbeiterin einer Kaffeerösterei das folgende Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag vereinbart:

«“Die MA [Mitarbeiterin] verpflichtet sich, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses jede konkurrenzierende Tätigkeit zu unterlassen, d.h. weder auf eigene Rechnung ein Geschäft zu betreiben, das mit der Firma im Wettbewerb steht, noch in einem solchen Geschäft tätig zu sein oder sich daran zu beteiligen. Das Konkurrenzverbot gilt für die ganze Schweiz, für die Dauer von 3 Jahren. Bei einer Verletzung des Konkurrenzverbots wird eine Konventionalstrafe von CHF 30’000.00 erhoben. Die Zahlung der Konventionalstrafe hebt das Konkurrenzverbot nicht auf. Die Firma kann überdies Ersatz für den weiteren Schaden sowie die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes verlangen.“

Die obere kantonale Instanz verpflichtet die Mitarbeiterin zu Bezahlung der Konventionalstrafe, da sie der Ansicht war, das Konkurrenzverbot sei verletzt.

 

Rückweisungsentscheid 4A_210/2018 vom 2. April 2019

Im Zusammenhang mit der vorliegenden Entscheidung hatte sich das Bundesgericht bereits einmal mit der Sache zu befassen und wies die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück. Damals war nicht klar, ob wirklich die Voraussetzung des Einblicks in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gegeben war.

 

Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse

Das Bundesgericht erwog, das Konkurrenzverbot sei nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährte und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber gemäss Art. 340 Abs. 2 OR erheblich schädigen könnte.

Gemäss Bundesgericht ist die Voraussetzung in den folgenden Konstellationen gegeben: der Einblick in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse muss spezifische technische, organisatorische oder finanzielle Fragen betreffen, welche der Arbeitgeber geheim halten will. Kenntnisse, die bei jedem Unternehmen in derselben Branche erworben werden können, genügen nicht.

Eine schlichte Anstellung im Marketing, die mit einem Einsatz in der „Planung, Umsetzung und Kontrolle von Unternehmensaktivitäten“ verbunden sei, genügt jedenfalls nicht, um ohne Weiteres die Nutzung der allenfalls hierbei erworbenen technischen, organisatorischen oder finanziellen Fähigkeiten in einem konkurrenzierenden Unternehmen zu verbieten. Mangels einschlägiger Anhaltspunkte sei vielmehr anzunehmen, dass diese Fähigkeiten grundsätzlich in jedem derselben Branche angehörenden Unternehmen erworben werden könnten.

Konkret führte das Bundesgericht das Folgende aus (4A_210/2018 vom 2. April 2019 teilweise gut (nachfolgend: Rückweisungsentscheid; teilweise publ. in: BGE 145 III 365):

 

Ausführungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht erwog, das Konkurrenzverbot sei nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährte und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber gemäss Art. 340 Abs. 2 OR erheblich schädigen könnte (Rückweisungsentscheid E. 4.1). 

Inwiefern die Beschwerdeführerin gestützt auf den Einblick in den Kundenkreis dank ihrer Kenntnis der Stammkunden und ihrer Gewohnheiten in der Lage gewesen sei, selbst ähnliche Leistungen wie die Beschwerdegegnerin zu erbringen und dieser Kunden abzuwerben, sei dem Ersturteil nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Im Ersturteil werde nicht festgestellt, inwiefern die Beschwerdeführerin im Einzelnen einen Einblick in den Kundenkreis gehabt habe. Zudem sei unklar, welche konkreten Kundenbeziehungen sie geführt habe, welche sie nicht schon als Mitglied der früheren Inhaberfamilie gekannt habe. Es sei unklar, welche konkreten Kundendaten die Beschwerdeführerin ausschliesslich durch ihre Arbeit bei der Beschwerdegegnerin erworben habe und inwiefern diese für die Wirtschaftstätigkeit der Beschwerdegegnerin dienlich seien. Daher könne auch nicht beurteilt werden, ob die Verwendung der erworbenen Kenntnisse die Beschwerdegegnerin tatsächlich erheblich hätte schädigen können. Dass die Kundenkontakte der Beschwerdeführerin auf ihre Anstellung bei der Beschwerdegegnerin zurückzuführen seien, könne aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz nicht rechtsgenüglich nachvollzogen werden (Rückweisungsentscheid E. 4.1.1). 

Weiter erwog das Bundesgericht, der Einblick in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse müsse spezifische technische, organisatorische oder finanzielle Fragen betreffen, welche der Arbeitgeber geheim halten wolle. Kenntnisse, die bei jedem Unternehmen in derselben Branche erworben werden können, genügten nicht. Die Vorinstanz habe im Ersturteil festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mehrere Jahre im Marketingbereich der Beschwerdegegnerin tätig gewesen sei und dem im Arbeitsvertrag und den Arbeitszeugnissen umschriebenen Tätigkeitsbereich zu entnehmen sei, dass sie in die Planung, die Umsetzung und die Kontrolle von Unternehmensaktivitäten einbezogen gewesen sei. Hieraus habe die Vorinstanz ohne Weiteres geschlossen, dass die Beschwerdeführerin „Einblick in den Geheimnisbereich“ der Beschwerdegegnerin gehabt habe. Mit dieser Schlussfolgerung habe die Vorinstanz den Begriff der Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse verkannt. Weder den Feststellungen im Ersturteil noch der Beschwerdeantwort sei zu entnehmen, inwiefern die Beschwerdeführerin sich während ihrer Anstellung spezifische Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse angeeignet haben solle, die sie bei einem anderen Unternehmen derselben Branche nicht oder nicht in diesem Ausmass hätte erwerben können. Eine schlichte Anstellung im Marketing, die mit einem Einsatz in der „Planung, Umsetzung und Kontrolle von Unternehmensaktivitäten“ verbunden sei, genüge jedenfalls nicht, um ohne Weiteres die Nutzung der allenfalls hierbei erworbenen technischen, organisatorischen oder finanziellen Fähigkeiten in einem konkurrenzierenden Unternehmen zu verbieten. Mangels einschlägiger Anhaltspunkte sei vielmehr anzunehmen, dass diese Fähigkeiten grundsätzlich in jedem derselben Branche angehörenden Unternehmen erworben werden könnten und unter die Berufserfahrung der Beschwerdeführerin fielen, womit dieses Wissen Teil ihrer Persönlichkeit geworden sei (Rückweisungsentscheid E. 4.1.2). 

Das Bundesgericht folgerte, die Vorinstanz habe im Ersturteil Art. 340 Abs. 2 OR verletzt, indem sie den Begriff der Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse verkannt habe. Zudem habe sie den Sachverhalt zur natürlichen Kausalität zwischen dem Einblick in den Kundenkreis und der Schädigungsmöglichkeit ungenügend festgestellt. Das Ersturteil sei insoweit ungenügend begründet im Sinne von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG. Es fehlten Feststellungen, inwiefern die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Anstellung bei der Beschwerdegegnerin Kundenkontakte geknüpft habe, über welche sie nicht bereits aufgrund ihrer Stellung als Familienmitglied verfügt habe (Rückweisungsentscheid E. 4.1.3). 

Das Bundesgericht wies die Vorinstanz an, die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art anzugeben und in diesem Zusammenhang weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen, um das neu zu fällende Urteil rechtsgenüglich zu begründen (Rückweisungsentscheid E. 5). 

 

Neues Urteil

In ihrem neuen Urteil, das nun angefochten ist, erwog die Vorinstanz, ein Einblick der Beschwerdeführerin in Fabrikationsgeheimnisse sei nie behauptet worden, während ein Einblick in  Geschäftsgeheimnisse nicht nachgewiesen sei.  Hingegen kam die Vorinstanz zum Schluss, dass das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin Einblick in den Kundenkreis der Arbeitgeberin gewährt habe und dass die Verwendung dieser Kenntnisse die Arbeitgeberin erheblich habe schädigen können. Das Bundesgericht schützte die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen.

 

Weitere Beiträge zum Konkurrenzverbot

 

Autor: Nicolas Facincani