Bonusvereinbarungen sind regelmässig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. So stellt sich dabei in der Regel die Frage, ob ein Bonus in jedem Fall geschuldet ist und somit einen Lohnbestandteil darstellt oder ob es sich beim Bonus um eine freiwillige Leistung handelt. Bei freiwilligen Leistungen ist auch die Vereinbarung eines Bonus möglich, dessen Anspruch auf Auszahlung mit dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses zusammenhängt. So auch im Entscheid 4A_496/2020 vom 11. Februar 2021.

Mit einem Mitarbeiter wurde eine Target Variable Compensation (TVCL) vereinbart. Die Auszahlung war abhängig von der Gültigkeit des Arbeitsvertrages; das Personalreglement sah zudem vor, dass alle Boni freiwillige Leistungen darstellten und nur an Mitarbeitende in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis ausbezahlt würden.

Umstritten war in der Folge, ob bei einem gekündigten Arbeitsverhältnis ein Anspruch auf den TVCL besteht. Die Gerichte – auch das Bundesgericht – lehnten den Anspruch des Arbeitnehmers ab.

 

Sachverhalt des Entscheids 4A_496/2020 vom 11. Februar 2021

Dem Entscheid 4A_496/2020 vom 11. Februar 2021 lag folgender Sachverhalt zugrunde

Einem Arbeitnehmer wurde ein sog. „Target Variable Compensation Letter“ datierend vom 7. Dezember 2016 (nachfolgend: TVCL) ausgehändigt. In diesem mehrseitigen Schreiben offerierte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer „an exceptional one-off target variable compensation for the Calculation Period 2016 and 2017“.

Der Arbeitnehmer unterzeichnete in der Folge den TVCL und stellte ihn mit der folgenden – von ihm auf dem TVCL angebrachten – Erklärung zu:

„Gemäss Erklärung der Bank vom 23.12.2016 gilt diese Vereinbarung für die Zeit vom 1.1.2016 bis zum 31.1.2017, also an jenem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis endet (s. dazu auch ‚termination of the employment contract‘ gem. Abs. 3 auf dieser Seite).“ 

Besagter Absatz 3 lautet:

 „We inform you that this financial agreement is only valid for the Calculation Period 2016 and 2017 in conjunction with a valid employment contract. The variable compensation will be paid according [to] the Group[‚]s processes. Depending on your performance in year the Bank may decide at its sole discretion to extend the terms of this agreement to the Calculation Period 2018.“

Aufgrund der Kündigung des Arbeitnehmers endete das Arbeitsverhältnis in der Folge per Ende Januar 2017.

Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 wies die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer darauf hin, dass allfällige Gratifikations- und/oder Bonuszahlungen für die Geschäftsjahre 2016 und 2017 mit dem Ausscheiden am 31. Januar 2017 entfallen würden. Mit Schreiben vom 18. Januar 2017 widersprach der Arbeitnehmer der Auffassung, dass durch sein Ausscheiden per 31. Januar 2017 sämtliche Gratifikations- und/oder Bonuszahlungen für die Geschäftsjahre 2016 und 2017 entfallen würden. Die Arbeitgeberin antwortete dem Arbeitnehmer mit Schreiben vom 27. Januar 2017, worin sie sich auf Art. 50 des Personalreglements bezog, wonach Boni freiwillige Leistungen darstellten und nur an Mitarbeitende in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis ausbezahlt würden.

 

Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens

Es war umstritten, ob das Zustandekommen des TVCL den Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses voraussetzte. Dabei beschränkt sich die Beschwerde auf die Auslegung der Willenserklärungen der Parteien nach dem Vertrauensprinzip.

 

Vertrauensprinzip

Zum Vertrauensprinzip machte das Bundesgericht die folgenden allgemeinen Aussagen (E. 3.1):

Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien festzustellen (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und Art. 105 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist (vgl. BGE 144 III 93 E. 5.2.2 S. 98; 132 III 268 E. 2.3.2 S. 274; je mit Hinweisen). Steht eine tatsächliche Willensübereinstimmung fest, bleibt für eine Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz kein Raum (BGE 132 III 626 E. 3.1 S. 632; 128 III 70 E. 1a S. 73). Erst wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 144 III 93 E. 5.2.3 S. 99; 142 III 671 E. 3.3 S. 676; 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67; je mit Hinweisen). Massgebend ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Nachträgliches Parteiverhalten ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nicht von Bedeutung; es kann höchstens – im Rahmen der Beweiswürdigung – auf einen tatsächlichen Willen der Parteien schliessen lassen (BGE 144 III 93 E. 5.2.3 S. 99; 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67).  

Ausgangspunkt der Auslegung bildet der Wortlaut der Willenserklärungen, die dem Vertragsschluss zugrundeliegen (BGE 131 III 606 E. 4.2 S. 611 f.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, OR AT, 11. Aufl. 2020, Rz. 1206; JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2014, N. 374 zu Art. 18 OR; ERNST A. KRAMER, Berner Kommentar, 1986, N. 22 zu Art. 18 OR). Zu berücksichtigen sind im weiteren die Umstände, unter denen diese Erklärungen abgegeben wurden (BGE 132 III 24 E. 4 S. 28, 268 E. 2.3.2 S. 274 f.; 131 III 280 E. 3.1 S. 286 f.; je mit Hinweisen), insbesondere der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste (BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; 132 III 24 E. 4 S. 28; JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, a.a.O., N. 402 ff., insbes. N 407 zu Art. 18 OR). Dabei ist für den Regelfall anzunehmen, dass der Erklärungsempfänger davon ausgehen durfte, der Erklärende strebe eine vernünftige, sachgerechte Regelung an (BGE 144 III 327 E. 5.2.2.1 S. 333; 122 III 420 E. 3a S. 424; je mit Hinweisen).

 

Entscheid der Vorinstanz

Die Vorinstanz erwog, dass kein Anspruch des Arbeitnehmers bestehe (E. 3.2):

Der Arbeitnehmer sei darüber informiert worden: „this financial agreement is only valid for the Calculation Period 2016 and2 017 in conjunction with a valid employment contract and ends immediately upon termination of the employment contract „, und dass „[t] he variable compensation w ill be paid according [to] the Group[‚]s processes. Depending on your performance in year the Bank may decide at its sole discretion to extend the terms of this agreement to the Calculation Period 2018“. Aufgrund dieser Formulierung habe die Arbeitgeberin einerseits eindeutig ausgedrückt, die einmalige besondere Vergütung gelte im Verbund mit einem gültigen Arbeitsvertrag für den Berechnungszeitraum 2016 und 2017; andererseits, dass sie sich nach alleinigem Ermessen den Entscheid darüber vorbehalte, die Bedingungen des TVCL auch auf den Berechnungszeitraum 2018 auszudehnen. Der TVCL sei somit auf eine mindestens zweijährige Dauer ausgelegt. Einzuräumen sei zwar, der Ausdruck „valid employment contract“ könne nicht ohne Weiteres mit einem ungekündigten Arbeitsvertrag gleichgesetzt werden, doch treffe es nicht zu, dass die Bedingung des ungekündigten Arbeitsverhältnisses im TVCL nicht den geringsten Niederschlag gefunden habe. Entgegen seinen Vorbringen könne der Arbeitnehmer daraus, dass der TVCL gemäss dessen Wortlaut unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsvertrags ende („[…] and ends immediately upon termination of the employment contract […] „), nichts zu seinen Gunsten ableiten. Diese Klausel regle den Fall, in dem das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der „Calculation Period“ ende und besage, dass dann die Geltung des TVCL auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses beschränkt sei. Damit werde indes nicht ausgedrückt, dass die Vereinbarung selbst noch im gekündigten Arbeitsverhältnis rechtswirksam werden könne.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Auch das Bundesgericht schützte die Auffassung. Dabei hatte sich das Bundesgericht mit verschiedenen Rügen des Arbeitnehmers auseinanderzusetzen. Zentral scheint die folgende Begründung für die Ablehnung der Beschwerde des Arbeitnehmers (zum ganzen: Entscheid 4A_496/2020 vom 11. Februar 2021, E. 3):

[…] Mithin ist der TVCL mindestens auf zwei Jahre ausgelegt. Diese Feststellung widerspricht nicht jener, wonach die Geltung des TVCL auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses beschränkt sei, sofern dieses vor Ablauf der zweijährigen Dauer ende. Denn während die erstere Feststellung die allgemeine Geltungsdauer des Abkommens betrifft, bezieht sich die letztere auf das Ende des dem Begünstigten aus dem TVCL fliessenden Anspruchs vor Ablauf der Geltungsdauer des Abkommens. […]

 

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Autor: Nicolas Facincani