Im schweizerischen Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: ohne Arbeit kein Lohn. Art. 324 OR und Art. 324a OR sehen hierzu zwei bedeutende Ausnahmen vor.

Art. 324 OR, welcher für die Fälle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers die Lohnfortzahlungspflicht vorsieht, lautet wie folgt:

„Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.

Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.“

Ein Annahmeverzug liegt etwa in den Fällen der Annahmeverweigerung durch den Arbeitgeber, in den Fällen der Unterlassungen von Mitwirkungs- und Vorbereitungshandlungen sowie bei Betriebsstörungen vor, für welche der Arbeitgeber die Verantwortung trägt (vgl. auch von Zedtwitz/Keller, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 324 N 10 ff.).

 

Behördliche Betriebsschliessungen

Grundsätzlich fällt eine Betriebsschliessung in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Klar ist: Fällt die Schliessung des Betriebs in die Risikosphäre des Arbeitgebers (insbesondere, wenn Fehler bei der Prävention passiert sind), ist der Lohn weiterhin geschuldet.

Unklar ist, was gilt, wenn nicht ein Betrieb, sondern alle Betreibe, etwa aufgrund eines stattlich befohlenen Lockdowns betroffen sind. Dann liegt nach der einen Auffassung eine objektive Unmöglichkeit vor und der Lohn wäre nicht geschuldet; andererseits wird die Meinung vertreten, der Lohn sei weiterhin geschuldet.

Gerichtsentscheide stehen aber hier noch aus, sodass die definitive Beurteilung noch nicht möglich ist. So ist die Rechtslage im Zusammenhang mit der am 16. März 2020 ausgerufenen Notstandes (Nonfood-Läden, Restaurants, Coiffeursalon, Bibliotheken etc. müssen geschlossen werden) in der Schweiz nicht ganz geklärt.

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

In Deutschland hat nun das Bundesarbeitsgericht ein erstes Urteil in diesem Zusammenhang gefällt.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass wenn der Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schliessen muss, kein Lohn unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu bezahlen ist:

Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt ist – zu sorgen. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigter – nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Das Urteil könnte auch für die Schweiz richtungsweisend sein und geht in die Richtung eines Entscheides des Arbeitsgerichts Zürich (Entscheide des Arbeitsgerichts 2010, Nr. 7), welches im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Lohnanspruch für eine Absenz zwecks Betreuung des Kindes besteht, nachdem die Kinderkrippe wegen des Schweinegrippevirus vorübergehend ge­schlossen worden war, den Lohnanspruch verneinte:

Die Gründe für die Arbeitsverhinderung liegen damit nicht in den per­sönlichen Verhältnissen der Klägerin, sondern es handelt sich um ein objektives (all­gemeines) Leistungshindernis (Schliessung der Kinderkrippe zur Verhinderung einer Ausbreitung des Virus, letztlich vergleichbar mit Seuchengefahr: Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 6 zu Art. 324a/b OR), […].

 

Weitere Beiträge zum Lohn (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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