Im Herbst 2021 löste das Kommando Operationen die Arbeitsverträge (öffentliches Dienstrecht) von vier Berufssoldaten des Militärpolizei-Spezialdetachements sowie des Armee-Aufklärungsdetachements 10 auf, da sie sich geweigert hatten, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.

 

Argumente vor Bundesverwaltungssgericht

Vor Bundesverwaltungsgericht (Urteil A-4619/2021 (PDF, 299 kB, 28.04.2022), Urteil A-4705/2021 (PDF, 316 kB, 28.04.2022), Urteil A-4723/2021 (PDF, 313 kB, 28.04.2022), Urteil A-5017/2021 (PDF, 298 kB, 28.04.2022)) machten die Entlassenen insbesondere geltend, es habe ein sachlicher Grund für die Kündigung gefehlt, da die rechtliche Grundlage der Impfflicht nicht gegeben sei. Die Impflicht stelle somit einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit gebe es keine genügend bestimmte, formellgesetzliche Grundlage. Es fehle an einem öffentlichen Interesse sowie an der Verhältnismässigkeit der Massnahme. Der Grundrechtseingriff sei unzulässig und stelle eine Fürsorgepflichtverletzung seitens der Arbeitgeberin dar.

 

Gesetzliche Grundlage vorhanden

Gemäss Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) hat jeder Mensch das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit. Eine Impfpflicht im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses fällt unbestrittenermassen in den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 2 BV.

Das Bundesgericht verneinte allerdings das Fehlen einer genügenden gesetzlichen Grundlage:

In der Anstellung als Fachberufsmilitär seien die Arbeitnehmer nicht nur der Bundespersonalgesetzgebung, sondern auch dem Militärgesetz und den entsprechenden Ausführungserlassen unterstellt. Nach Art. 6 f. und Art. 22 des Epidemiengesetzes vom 28. September 2012 (EpG, SR 818.101) könnten der Bund und die Kantone Impfungen für bestimmte Personengruppen als obligatorisch erklären.

Als lex specialis sehe Art. 35 MG, der später, am 1. Januar 2018, in Kraft getreten ist, vor, dass der Bundesrat zur Bekämpfung übertragbarer oder schwerer Krankheiten für die Angehörigen der Armee obligatorische medizinische Massnahmen anordnen könne (Abs. 1). Er könne für die Ausübung von Funktionen der Armee mit erhöhtem Infektionsrisiko vorbeugende Blutuntersuchungen und Impfungen verlangen (Abs. 2). In der Botschaft des Bundesrates werde hierzu erläutert, dass für die Ausübung besonders gefährdeter Funktionen – beispielsweise Sanitätspersonal oder Einsätze im Ausland – das Bestehen bestimmter Untersuchungen oder Impfungen vorausgesetzt werden soll, um dem Risiko der Verbreitung von ansteckenden Krankheiten vorzubeugen. Wer sich diesen Untersuchungen und Impfungen nicht unterziehen wolle, werde anderweitig eingesetzt. Es werde kein Zwang ausgeübt.

Die Vorgaben von Art. 35 Abs. 2 MG werden auf Verordnungsstufe näher ausgeführt: Das MP Spez Det sowie das Armee-Aufklärungsdetachements 10 ist eine Berufsformation der Schweizer Armee, welche als Spezialeinheit befähigt ist, Dienste im Ausland gemäss Art. 69 Abs. 1 MG zu leisten. Es kann im Ausland eingesetzt werden, um eigene Truppen oder besonders schutzwürdige Sachen zu schützen, zivile und militärische Personen zu retten und in die Schweiz zurückzuführen oder zugunsten der genannten Einsätze Schlüsselinformationen zu beschaffen (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland vom 3. Mai 2006 [VSPA, SR 513.76]). Für diese Aufgaben wird A-4619/2021 Seite 13 das militärische Personal insbesondere der Aufklärungs- und Grenadierformationen der Armee sowie der Militärischen Sicherheit eingesetzt, das speziell dazu ausgebildet, ausgerüstet und vorbereitet ist, um solche Einsätze aus dem Stand oder nach kurzer Vorbereitung durchzuführen (Art. 2 Abs. 2 VSPA). Die Vorbereitung dieser Auslandeinsätze ist in der Verordnung über das Personal für den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland vom 6. Juni 2014 (PVSPA, SR 519.1) geregelt. Die Bestimmung von Art. 7 Abs. 1 PVSPA, auf die sich die Vorinstanz im Wesentlichen beruft, legt fest, dass vor dem Einsatz die Person ein medizinisches Frageblatt ausfüllen muss. Sie muss sich ärztlich untersuchen lassen sowie Vorsorge- oder Behandlungsmassnahmen vornehmen. Aus den aufgezeigten Rechtsgrundlagen ergibt sich, dass die vorliegend umstrittene Impfpflicht in einem formellen Gesetz vorgesehen ist. So legt Art. 35 Abs. 2 MG sowohl die Zielsetzung – Bekämpfung übertragbarer oder schwerer Krankheiten – als auch die Voraussetzung – Ausübung von Funktionen der Armee mit erhöhtem Infektionsrisiko – im Grundsatz fest. Auf Verordnungsstufe ist sodann in Art. 7 Abs. 1 PVSPA geregelt, dass zur Vorbereitung von Auslandeinsätzen medizinische Vorsorgemassnahmen als obligatorisch gelten. Die PVSPA stützt sich auf die allgemeinen Delegationsnormen von Art. 37 Abs. 1 BPG und Art. 150 Abs. 1 MG ab. Es trifft zwar zu, dass der Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 PVSPA in allen drei Amtssprachen Impfungen nicht explizit als verpflichtende Vorsorgemassnahme aufführt (Zweiter Satz: „Sie [Die Person] muss sich ärztlich untersuchen lassen sowie Vorsorge- oder Behandlungsmassnahmen vornehmen“; „Elle doit se faire examiner par un médecin et prendre des mesures de prévention et de traitement“; „Deve sottoporsi a visite mediche nonché a trattamenti profilattici e terapeutici“).

Es entspricht jedoch dem allgemeinen Sprachverständnis, dass medizinische Vorsorgemassnahmen, die speziell für Auslandeinsätze getroffen werden müssen, auch Impfungen beinhalten können. Der Begriff der Impfung findet sich nebstdem auf Gesetzesstufe in Art. 35 Abs. 2 MG wieder. Wie erwähnt, werden Auslandeinsätze in den Gesetzesmaterialien denn auch beispielhaft als mögliche Funktionen der Armee mit einem erhöhten Infektionsrisiko genannt.

Entgegen der Ansicht der Arbeitnehmer überdies nicht zu beanstanden, dass auf Gesetzes- und Verordnungsstufe nicht im Einzelnen geregelt wird, welche Impfungen als obligatorisch gelten. Die medizinischen Vorsorgemassnahmen stehen in einem dienstlichen Kontext und müssen nicht nur an neu auftretende Infektionskrankheiten, sondern allgemein A-4619/2021 Seite 14 stets an den aktuellen medizinischen Stand sowie an die konkreten Situationen im jeweiligen Einsatzgebiet angepasst werden können. Gewisse Abstriche an die Normdichte der gesetzlichen Grundlagen sind daher unumgänglich und gemäss der aufgezeigten Rechtslage zu akzeptieren.

 

Zusammenfassung

Gemäss Gesetz haben sich somit die Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte den Weisungen des Oberfeldarztes der Schweizer Armee zu fügen, um die sofortige Verfügbarkeit sicherzustellen. Das Impfkonzept des Oberfeldarztes sieht vor, die Übertragung von Krankheiten innerhalb der Armee oder zwischen deren Angehörigen und der Zivilbevölkerung zu unterbinden. Dabei überwiegt das öffentliche Interesse zu Gunsten der Sicherheit der Schweiz und ihrer Vertreter allfällige Nebenwirkungen der Impfung. In der Folge kommt das Gericht zum Schluss, dass die von den Arbeitnehmern angerufenen Grundrechte nicht verletzt werden.

Indem die vier Armeeangehörigen ohne medizinisch angezeigten Grund die Impfung verweigerten, versetzten sie sich absichtlich in eine Lage, in welcher sie ihre beruflichen Pflichten nicht mehr erfüllen können. Aus diesem Grund bestätigt das Bundesverwaltungsgericht die Kündigung ihrer Arbeitsverträge und weist ihre Beschwerden ab.

 

Beachten Sie auch die bisherigen, im Zusammenhang mit COVID-19 erschienen Beiträge (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.