Im Herbst 2021 löste das Kommando Operationen die Arbeitsverträge (öffentliches Dienstrecht) von vier Berufssoldaten des Militärpolizei-Spezialdetachements sowie des Armee-Aufklärungsdetachements 10 auf, da sie sich geweigert hatten, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.

Vor Bundesverwaltungsgericht (Urteil A-4619/2021 (PDF, 299 kB, 28.04.2022)Urteil A-4705/2021 (PDF, 316 kB, 28.04.2022)Urteil A-4723/2021 (PDF, 313 kB, 28.04.2022)Urteil A-5017/2021 (PDF, 298 kB, 28.04.2022)) machten die Entlassenen insbesondere geltend, es habe ein sachlicher Grund für die Kündigung gefehlt, da die rechtliche Grundlage der Impfflicht nicht gegeben sei. Die Impflicht stelle somit einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit gebe es keine genügend bestimmte, formellgesetzliche Grundlage. Es fehle an einem öffentlichen Interesse sowie an der Verhältnismässigkeit der Massnahme. Der Grundrechtseingriff sei unzulässig und stelle eine Fürsorgepflichtverletzung seitens der Arbeitgeberin dar.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Streitig war vor Bundesgericht (Urteile vom 22. Februar 2023 (8C_327/2022, 8C_340/2022, 8C_351/2022, 8C_362/2022), ob das Bundesverwaltungsgericht Bundesrecht verletzte, indem es die vom Arbeitgeber wegen Verletzung wichtiger gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten gemäss Art. 10 Abs. 3 lit. a BPG ausgesprochene ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags des Beschwerdeführers bestätigte. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die verweigerte Covid-19-Impfung eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellte und die deswegen erfolgte Entlassung des Beschwerdeführers in seiner Funktion als Operator/Fachexperte im Kommando Spezialkräfte des MP Spez Det sich auf sachlich hinreichende Gründe stützte.

Das Bundesgericht lehnte die Beschwerde der vier Berufsmilitärs aus den folgenden Gründen ab:

Die Verpflichtung zur Covid-19- Impfung und die angedrohte Entlassung im Unterlassungsfall stellt gemäss Bundesgericht einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit dar; dieser Eingriff sei indessen gerechtfertigt.

Wer sich als Berufsmilitär anstellen lasse, begebe sich in ein besonderes Rechtsverhältnis. Insbesondere gilt eine mit dem Dienst in der Armee verbundene Gehorsamspflicht. Aus den Kündigungsverfügungen geht hervor, dass die Verpflichtung zur Impfung darauf beruhte, eine sofortige Einsatzbereitschaft für kurzfristige Einsätze im Ausland sicherzustellen (so geschehen z.B. in Afghanistan). Dabei handelte es sich um einen militärischen Befehl.

Im Kontext der Tätigkeit als Berufsmilitär in einer Spezialeinheit der Schweizer Armee bilde die Impfpflicht einen leichten Grundrechtseingriff.

3.1. Die Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich als Operator/Fachexperte des Militärpolizei-Spezialdetachements gegen Covid-19 impfen zu lassen, verbunden mit der Ermahnung, wonach die Verweigerung der Impfung eine Verletzung gesetzlicher und vertraglicher Pflichten darstelle und ihm arbeitsrechtliche Massnahmen bis hin zur Entlassung drohten, stellt einen Eingriff in seine Grundrechte dar, insbesondere die durch Art. 10 Abs. 2 BV garantierte persönliche Freiheit. Sie steht hier mit dem Teilgehalt der körperlichen Unversehrtheit als tangiertes Grundrecht im Vordergrund. Eine Einschränkung ist unter den in Art. 36 BV festgelegten Voraussetzungen zulässig: Die Grundrechtseinschränkung muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen (vgl. BGE 147 I 393 E. 5.1.1; 147 I 103 E. 10.3; 128 I 280 E. 4.1.2). Nach der Rechtsprechung stellt eine Impfung eine leichte, harmlose und wenig schmerzhafte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar (vgl. Urteil 8C_351/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.4.2 mit Hinweisen, siehe ferner E. 3.5 zu Art. 8 EMRK, zur Publikation vorgesehen). Auf die Frage, ob darüber hinaus auch der Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV; Art. 9 EMRK) tangiert sein könnte, ist mangels rechtsgenüglicher Begründung in der Beschwerde nicht einzugehen (siehe E. 2.1 hiervor), zumal der Beschwerdeführer nicht etwa vorbringt, eine Impfung gegen Covid-19 sei ihm aus religiösen Gründen verunmöglicht, beispielsweise ähnlich einer Bluttransfusion bei den Zeugen Jehovas (vgl. Urteil 6B_730/2017 vom 7. März 2018 E. 2.1 und E. 2.3).  

3.2. In seiner Anstellung als Fachberufsmilitär befindet sich der Beschwerdeführer mit dem Bund bzw. dem Kommando Operationen der Schweizer Armee als Arbeitgeber in einem besonderen Rechtsverhältnis (teils auch als Sonderstatusverhältnis bezeichnet; vgl. BGE 124 I 85 E. 2b; 120 Ia 95 E. 1b; Urteil 1P.769/1999 vom 23. März 2000 E. 1b; MARKUS MÜLLER, Das besondere Rechtsverhältnis, 2003, passim; ASTRID EPINEY, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 39 zu Art. 36; Felix Uhlmann, Legalitätsprinzip, in: Diggelmann/Hertig Randall/ Schindler [Hrsg.], Verfassungsrecht der Schweiz, Bd. II, Rechtsstaatlichkeit, Grund- und Menschenrechte, 2020, Kap. IV.6 Rz. 38). Wer in einem derartig, im vorliegenden Fall übrigens gar freiwillig eingegangenen, besonderen Rechtsverhältnis steht, muss Einschränkungen seiner Grundrechte hinnehmen, die sich aus den betreffenden Treue- und Amtspflichten ergeben. Dazu zählen hier nicht nur die entsprechenden Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, sondern insbesondere auch die dem Dienst in der Armee eigene Gehorsamspflicht (vgl. Art. 32 Abs. 2 MG; Ziff. 21 und 80 DRA). Im Rahmen einer derartig besonderen hoheitlichen Beziehung reicht – schwerwiegende Einschränkungen vorbehalten – eine materiell-gesetzliche Grundlage wie eine Verordnung für einen Grundrechtseingriff aus, wenn sich diese auf eine allgemein gehaltene formell-gesetzliche Grundlage abzustützen vermag. Diesfalls sind die Anforderungen an die normative Dichte der Delegationsnorm insofern erleichtert, als es genügt, dass sich die Grundrechtseinschränkung aus dem Zweck der Institution des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers und dessen ordnungsgemässer Funktionsweise ergibt (vgl. Urteil 8C_351/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.4.4 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen; siehe ferner Ziff. 93 DRA). 

 

Gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit

Mit Blick auf das besondere Rechtsverhältnis war Artikel 7 der Verordnung über das Personal für den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland als gesetzliche Grundlage dafür aus – reichend. Die fragliche Bestimmung sehe eine Pflicht für Behandlungs- und Vorsorgemassnahmen vor. Dass eine Impfung darin nicht ausdrücklich genannt werde, sei unerheblich. Eine Massnahme wie die Covid-19-Impfung als Teil des militärischen Impfkonzepts des Oberfeldarztes verfolge präventive Zwecke; sie stelle sicher, dass die Einsatzbereitschaft des betroffenen militärischen Personals angesichts der von vielen Ländern wegen der Pandemie verhängten Einreisebeschränkungen sichergestellt ist.

Mitglieder der Spezialkräfte müssten aus dem Stand im Ausland eingesetzt werden können, etwa zur raschen Einholung von wichtigen Informationen für die Sicherheit der Schweiz, zur Sicherung von Personen und Einrichtungen oder zur Repatriierung von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern in Krisensituationen. Das öffentliche Interesse habe damit die privaten Interessen der Beschwerdeführer überwiegen. Das Bundesverwaltungsgericht sei weiter zu Recht davon ausgegangen, dass regelmässige Tests zufolge strengerer Einreisevorschriften einzelner Länder keine ausreichende Gewähr für eine rasche Einsatzbereitschaft geboten hätten. Die Pflicht zur Impfung erweise sich in den vier Fällen schliesslich auch als zumutbar.

 

Sachlich hinreichende Gründe für die Kündigung

Insgesamt beruhten die ordentlichen Kündigungen der Betroffenen objektiv gesehen gemäss Bundesgericht auf sachlich hinreichenden Gründen.

3.8. Der Beschwerdeführer entschied sich bewusst dagegen, den von seinem Arbeitgeber ausgesprochenen Dienstbefehl, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, zu befolgen. Er wusste, dass dies die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen würde, und setzte damit selbst den Grund für seine Entlassung. Die ordentliche Kündigung seines Arbeitsvertrags beruht objektiv gesehen auf sachlich hinreichenden Gründen, nämlich der Verletzung wichtiger gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. a BPG. Soweit der Beschwerdeführer dabei vor Bundesgericht erneut dafür hält, dass anstelle der Entlassung eine mildere Massnahme in Form einer Versetzung zu ergreifen gewesen wäre, verfängt das ebenfalls nicht. Die Vorinstanz hat in diesem Zusammenhang verbindlich festgestellt, es habe gemäss nachvollziehbarer Darstellung des Arbeitgebers im angestammten Umfeld keine Möglichkeit zur unbefristeten Weiterbeschäftigung an einer Stelle gegeben, bei der eine Impfung gegen Covid-19 entbehrlich gewesen wäre. Dass diese Feststellung offensichtlich unrichtig oder unter Verletzung von Bundesrecht zustande gekommen wäre (vgl. E. 2.2 hiervor), tut der Beschwerdeführer, der es in diesem Zusammenhang im Wesentlichen bei der gegenteiligen Behauptung bewenden lässt, nicht dar. Vor diesem Hintergrund wies die Vorinstanz auch den Anspruch des Beschwerdeführers sowohl auf eine Entschädigung nach Art. 19 Abs. 3 BPG als auch auf eine solche nach Art. 34b Abs. 1 lit. a BPG zu Recht ab, da die Kündigung gemäss Art. 31 Abs. 1 BPV als selbstverschuldet zu betrachten ist (vgl. Urteil 8C_351/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.1.2 f. und E. 7, zur Publikation vorgesehen).

 

Beachten Sie auch die bisherigen, im Zusammenhang mit COVID-19 erschienen Beiträge (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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