Im Rahmen eines Arbeitsstreites vor dem Arbeitsgericht Zürich (Entscheide des Arbeitsgerichts Zürich 2020 Nr. 4) hatte sich dieses mit der Frage zu befassen, ob der Lohn geschuldet war oder nicht; die Arbeitgeberin behauptete, die Arbeitnehmerin habe ihm gegenüber bei einem Feierabendbier auf den Lohn verzichtet. Es lag kein schriftliches Dokument vor, aus welchem ein solcher Verzicht ersichtlich wäre. Somit mussten hier Zeugen und Parteien befragt werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin arbeitete – zunächst als Substitutin und hernach als Juristin – während mehrerer Jahre für die Beklagte, eine Zürcher Anwaltskanzlei. Vor Arbeitsgericht war unbestritten, dass die Klägerin für den Monat Mai 2018 keinen Lohn erhalten hat. Die Beklagte machte geltend, der Lohn für den Monat Mai 2018 sei vereinbarungsgemäss nicht bezahlt worden, da die Klägerin auf diesen Lohn verzichtet habe.

 

Beweislastverteilung

Unbestritten war, dass die Klägerin im Monat Mai 2018 gearbeitet hatte. Die Beklagte hätte damit grundsätzlich den vereinbarten Lohn an die Klägerin auszahlen müssen. Die Beklagte machte jedoch geltend, die Klägerin habe auf den Lohn vom Mai 2018 verzichtet. Der Beklagten oblag es somit, den Verzicht auf den Lohn durch die Klägerin nachzuweisen.

 

Zeugen- und Parteibefragungen

Zwar wurde von Befragten Dritten (Zeugen- und Parteibefragung) ausgesagt, die Klägerin habe auf den Loh verzichtet:

In der Parteibefragung von A. am 7. Dezember 2020 gab dieser zu Protokoll, der Lohnverzicht der Klägerin sei anlässlich eines Gesprächs zwischen ihm und der Klägerin an einem nicht mehr genau erinnerlichen Datum im April 2018, nach Arbeitsschluss, in der Bar C. in Zürich erfolgt, wobei nur er und die Klägerin anwesend gewesen seien. Das Gespräch sei nicht vorterminiert gewesen. Er habe die Klägerin eher spontan für dieses Treffen angefragt, wobei er ihr im Vorfeld nichts zum Grund des Treffens gesagt habe. Anlässlich des Barbesuchs sei über die generelle Situation in der Kanzlei, die finanzielle Situation und die Situation mit weiteren Mitarbeitern gesprochen worden. Es sei um die Liquidität der Kanzlei gegangen. Er habe sodann die Klägerin im Verlaufe des Gesprächs konkret gefragt, ob sie auf Lohn verzichten würde, was diese bejaht habe. Der Lohnverzicht sei zeitlich nicht begrenzt worden, d.h. es sei nicht zeitlich umrissen worden, wie lange der Lohn nicht ausgezahlt würde. Auf Schriftlichkeit habe er verzichtet, da er dem Wort einer Freundin vertraut habe. Er habe die Klägerin an diesem Abend in der Bar eingeladen.

Die Zeugin B. räumte anlässlich der Zeugeneinvernahme vom 7. Dezember 2020 ein, nur vom Hörensagen überhaupt etwas über einen allfälligen Lohnverzicht der Klägerin berichten zu können. Sie habe von A. vernommen, dass die Klägerin auf Lohn verzichtet habe, Details kenne sie nicht. Weder sei sie anlässlich des fraglichen Gesprächs in der Bar C. im April 2018 dabei gewesen, noch habe sie mit der Klägerin darüber gesprochen. Vor diesem Hintergrund vermögen ihre Aussagen nichts Wesentliches zur Beweiserbringung hinsichtlich eines Lohnverzichts der Klägerin für den Mailohn 2018 beizutragen.

 

Kein gewollter Verzicht

Das Gericht ging davon aus, dass kein Verzicht durch die Klägerin bzw. Arbeitgeberin vorlag.

3.2.2. Wie bereits vorerwähnt, ist seitens der Klägerin bestritten, dass sie in irgend einer Form auf Lohn verzichtet habe. Selbst wenn aber den Ausführungen von A. anlässlich dessen Parteibefragung gänzlich gefolgt wird, ist festzuhalten, dass seiner Sachdarstellung jegliche Überzeugungskraft dafür, dass die Klägerin am fraglichen Abend eine verbindliche Lohnverzichtserklärung für den Mailohn 2018 abgeben wollte, abzusprechen ist.

Zufolge der Schilderung von A. ist zum einen bereits der Rahmen des geltend gemachten Gesprächs als ausgesprochen unverbindlich zu qualifizieren. Dies manifestiert sich zunächst darin, dass selbst A., welcher aus diesem Gespräch massgebliche Rechtsfolgen ableiten will, nicht genau weiss, wann das Gespräch stattfand. Darüber hinaus mutet aber auch das genannte Setting, ein spontaner Barbesuch nach Arbeitsschluss, wenig verbindlich an. Obwohl in einem Subordinations- und damit Abhängigkeitsverhältnis, wurde die Klägerin sodann auch gemäss A. in keiner Art und Weise vorgängig auf einen möglicherweise zur Diskussion stehenden Lohnverzicht hingewiesen oder ein geschäftlicher Grund für das Treffen in der Bar angekündigt.

Vielmehr fragte A. die Klägerin zufolge seiner Ausführungen während des Treffens spontan, ob sie auf Lohn verzichten würde. Dieser Umstand erscheint umso bemerkenswerter, als bei einer dermassen weitreichenden Entscheidung davon auszugehen wäre, dass einer Arbeitnehmerin vorgängig angemessen Zeit eingeräumt worden wäre, um sich mit der Thematik adäquat auseinanderzusetzen bzw. um ihr eine profunde Willensbildung zu ermöglichen.

Beides war im geschilderten Kontext nicht gewährleistet und spricht gegen einen verbindlichen Charakter des geltend gemachten Gesprächsinhaltes. Darüber hinaus – und dies fällt vorliegend als wesentlichstes Element ins Gewicht – wurde gemäss Schilderungen von A. ein allfälliger Lohnverzicht zeitlich nicht umgrenzt, womit es auch inhaltlich an einer genügend konkreten Ausgestaltung der Anfrage mangelte. Gemäss Aussagen von A. war seine Anfrage gegenüber der Klägerin jedenfalls nicht dahingehend konkretisiert, ob die Klägerin auf den Mailohn 2018 verzichten wolle. Vor diesem Hintergrund vermag die Beklagte gestützt auf die Aussagen von A. anlässlich der Parteibefragung vom 7. Dezember 2020 den Beweis, dass die Klägerin rechtsgültig auf den Mailohn 2018 verzichtet habe, nicht zu erbringen.

 

Weitere Beiträge zum Lohn (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie hier.

 

Umfassende Informationen zum Gleichstellungsrecht finden Sie hier.