Der Mutterschaftsurlaub ist im OR geregelt. Gemäss Art. 329f OR hat die Arbeitnehmerin nach der Niederkunft einen Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen. Zudem sieht das Arbeitsgesetz weitere Schutzbestimmungen für Wöchnerinnen und stillende Mütter vor. Während der ersten 8 Wochen nach der Niederkunft darf eine Arbeitnehmerin nicht beschäftigt werden. Danach und bis zur 16. Woche darf sie nur beschäftigt werden, sofern sie damit einverstanden ist (Art. 35a Abs. 3 ArG).

Wenn die Arbeitnehmerin stillt, geniesst sie zusätzlichen Schutz. Gemäss Art. 35 Abs. 1 ArG ist der Arbeitgeber verpflichtet, stillende Mütter so zu beschäftigen und ihre die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass weder ihre Gesundheit noch diejenige des Kindes beeinträchtigt werden. Zudem hält Art. 35a Abs. 1 ArG fest, dass stillende Frauen nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden dürfen. Gemäss Art. 35a Abs. 2 ArG ist Müttern zudem die zum Stillen erforderliche Zeit freizugeben. Die Arbeitnehmerin kann gestützt darauf verlangen, dass sie von der Arbeit freigestellt wird, wenn der Arbeitgeber es unterlässt, geeignete Massnahmen zum Schutz der Mutter oder des Kindes zu treffen.

Hingegen ergibt sich aus dem Arbeitsgesetz nicht ausdrücklich, dass stillende Mütter nach der sechzehnten Woche nach der Geburt des Kindes ein generelles Recht hätten, sich von der Arbeit zu dispensieren. Auch ist nicht geklärt, ob eine Freistellung nach der 16. Woche zwingend mit dem Stillen zusammenhängen muss, oder ob auch andere Gründe im Zusammenhang mit der Kindesbetreuung geltend gemacht werden können. Mit diesen Fragen hatte sich das Bundesgericht im Entscheid BGer 4D_49/2022 vom 7. Juni 2023 zu befassen.

 

Der Sachverhalt

Dem Fall lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine Arbeitnehmerin nach dem Mutterschaftsurlaub nicht zu dem von der Arbeitgeberin verlangten Datum wieder zur Arbeit zurückkehrte. Der Arbeitnehmerin wurde daraufhin fristlos gekündigt.

Die Arbeitnehmerin A war zu einem 80%-Pensum als Geschäftsführerin einer Boutique bei der Arbeitgeberin B angestellt. Als die Arbeitgeberin die Boutique schliessen musste, kündigte sie den Arbeitsvertrag zwischen ihr und der Arbeitnehmerin am 27. Oktober 2017. Die Arbeitnehmerin wurde kurz daraufhin schwanger und brachte am 16. August 2018 ein Kind zur Welt. Der Arbeitsvertrag sollte neu am 28. Februar 2019 enden. Die Arbeitgeberin verlangte von der Arbeitnehmerin, dass diese voraussichtlich am 6. Dezember 2018 an den Arbeitsplatz zurückkehren sollte.

Die Arbeitnehmerin beantragte daraufhin, ihr Urlaubsguthaben und Überstunden abzubauen, und ihre Arbeit erst am 7. Januar 2019 wieder aufzunehmen. Dieser Antrag wurde von der Arbeitgeberin mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass sie ab dem 6. Dezember eine Drittperson ersetzen müsse, welche sich einer Operation hatte unterziehen müssen. Trotz dieser Erklärung gab die Arbeitnehmerin mehrfach an, dass eine Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub vor Januar 2019 nicht möglich sei.

Als die Arbeitnehmerin schliesslich am 6. Dezember 2018 nicht im Geschäft erschien, teilte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin mit, dass sie fristlos entlassen werde, wenn sie sich nicht bis zum 11. Dezember 2018 zur Arbeit melde. Als die Arbeitnehmerin am 11. Dezember nicht zur Arbeit erscheint, kündigte ihr die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos.

Die Arbeitnehmerin erhob Klage beim Arbeitsgericht. Dieses hiess die Klage teilweise gut. Die zweite Instanz hiess die Berufung der Arbeitgeberin gut und wies die Klage ab. Das Bundesgericht trat auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde der Arbeitnehmerin ein.

 

Erwägungen des Bundesgerichts

Gegenstand des Verfahrens vor Bundesgericht waren die Fragen, ob stillende Mütter nach der sechzehnten Woche nach der Geburt des Kindes ein generelles Recht hätten, sich von der Arbeit zu dispensieren. und ob eine Freistellung von der Arbeit nach der 16. Woche nach der Niederkunft zwingend mit dem Stillen zusammenhängen muss, oder ob auch andere Gründe im Zusammenhang mit der Kindesbetreuung geltend gemacht werden können. Das beschränkte Bundesgericht aufgrund der Subsidiarität des Rechtsmittels (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) auf eine Willkürprüfung des vorinstanzlichen Entscheides.

Die Vorinstanz hatte sich in ihrer Argumentation auf den Kommentar des SECO zum Arbeitsgesetz abgestützt. Demnach hätten stillende Mütter nach der sechzehnten Woche nach der Geburt des Kindes keinen formellen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, jedoch können sie nach Ablauf dieser Frist eine Freistellung beantragen, wenn die vom Arbeitgeber vorgeschlagenen oder getroffenen Massnamen es der Arbeitnehmerin nicht ermöglichen, ihr Kind zu stillen.

Die beschwerdeführende Arbeitnehmerin machte hingegen geltend, dass sich eine solche Beschränkung auf die 16. Woche nicht aus dem Gesetz ergebe und sich darüber hinaus eine solche starre Beschränkung nicht generell auf alle stillenden Mütter anwenden lasse, weswegen der Entscheid der Vorinstanz willkürlich sei. Zudem hätte Art. 35a Abs. 1 ArG bei dieser Auslegung keine Daseinsberechtigung, da stillende Mütter ohnehin automatisch den Schutz geniessen würden, der für Wöchnerinnen vorgesehen ist (Art. 35a Abs. 3 ArG).

Das Bundesgericht hielt einleitend fest, dass sich die Vorinstanz auf den Kommentar des SECO abstützte, weswegen die dem Entscheid zugrunde liegende Auslegung nicht unhaltbar sei und darum auch nicht willkürlich sein kann (Ew. 3.2.3):

Puisque l’interprétation de l’art. 35a al.1 LTr effectuée par la cour cantonale repose notamment sur le commentaire du SECO, ce que la recourante ne remet pas en cause, cette interprétation n’est pas indéfendable et, donc, n’est pas arbitraire. Le grief de la recourante doit donc être rejeté. 

Das Bundesgericht stellte sodann mit der Vorinstanz übereinstimmend fest, dass sich die Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber nie darauf beruhen hatte, Zeit zum Stillen zu benötigen, sondern immer nur ein Problem mit der Kinderbetreuung geltend gemacht hatte. Schon deswegen könne sie sich nicht auf den Schutz für stillende Mütter nach Art. 35a Abs. 2 ArG berufen. Sodann erlaube es diese Bestimmung der Arbeitnehmerin nicht, von der Arbeit freigestellt zu werden, sondern gebe ihr lediglich einen Anspruch auf die für das Stillen erforderliche Zeit (Ew. 3.3.1):

La cour cantonale a considéré que la décision de la travailleuse de ne pas aller travailler au terme de son congé de maternité se fondait exclusivement sur un problème de garde de l’enfant, vu le texte de ses courriels et en dépit de ses déclarations en audience; pour ce motif déjà, elle ne pouvait pas se prévaloir de la dispense de travailler des femmes allaitantes. En outre, même après que l’employeuse lui avait proposé des aménagements d’horaires pour allaiter son enfant, elle ne lui a jamais demandé d’être libérée de son obligation de travailler pour allaiter son enfant, mais a toujours invoqué un problème de garde de celui-ci pour reporter son retour au travail. Elle n’avait donc pas formulé de demande de dispense de travailler, qui est indispensable pour bénéficier de la protection spéciale réservée aux femmes allaitantes de l’art. 35a al. 2 LTr; le fait d’allaiter ne permet pas à une travailleuse de se dispenser de travailler, mais lui donne seulement le droit de disposer du temps nécessaire à cela.

Weiter ging das Bundesgericht auf die Rüge der Arbeitnehmerin betreffend die fristlose Kündigung ein. Das Bundesgericht hielt diesbezüglich fest, die Vorinstanz habe festgestellt, dass die Haltung der Arbeitnehmerin gegenüber der Arbeitgeberin mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unvereinbar war. Eine Arbeitnehmerin dürfe sich nicht über die Anordnungen und Interessen der Arbeitgeberin hinwegsetzen oder ihm seine Entscheidungen einseitig und ohne weitere Erklärungen aufzwingen. Sodann habe die Arbeitnehmerin auch nicht versucht, gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden und habe nicht auf die Fragen der Arbeitgeberin geantwortet. Auch auf die Mahnung der Arbeitgeberin hatte sie nicht reagiert (Ew. 4.2):

En substance, la cour cantonale a retenu que la travailleuse avait commis une faute en décidant de ne pas se présenter au travail et que l’attitude qu’elle avait adoptée vis-à-vis de l’employeuse était incompatible avec la poursuite des rapports de travail. En effet, un travailleur ne saurait faire fi des injonctions et des intérêts de l’employeur, ni lui imposer ses choix de manière unilatérale, sans autres explications. La travailleuse n’avait en outre pas tenté de trouver un terrain d’entente ou une quelconque solution provisoire et s’était abstenue de répondre aux interpellations de l’employeuse. Malgré la mise en demeure effectuée par celle-ci, la travailleuse n’avait à nouveau pas donné suite à cette correspondance. 

Das Bundesgericht hielt dies für gerechtfertigt. Angesichts der Vernachlässigung der arbeitsvertraglichen Pflichten und des Desinteresses der Arbeitnehmerin an den organisatorischen Schwierigkeiten der Arbeitgeberin, sei dieses Verhalten geeignet gewesen, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zu zerstören. Die Arbeitgeberin sei deswegen berechtigt gewesen, die Arbeitnehmerin fristlos zu entlassen (Ew. 4.4):

La cour cantonale a jugé que, face à l’abandon de ses obligations contractuelles et au désintérêt de la travailleuse vis-à-vis des difficultés organisationnelles de l’entreprise, comportement propre à rompre définitivement le lien de confiance entre les parties, l’employeuse était en droit de licencier la travailleuse avec effet immédiat le 11 décembre 2018.

Au vu des faits constatés par la cour cantonale, soit, en substance, l’absence de toute prise en considération des difficultés organisationnelles de l’employeuse et de réponse aux instructions de celle-ci, la recourante n’établit pas que l’interprétation de l’art. 337 CO effectuée par la cour cantonale serait arbitraire. Le grief doit donc être rejeté.

 

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Autoren: Nicolas Facincani / Louis Delfosse

 

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