Georges Chanson, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht, CHANSON Anwalt, www.arbeitsrechtler.ch
Keine Praxisänderung zum Verzicht auf Karenzentschädigung
Im heute Mittag ins Internet gestellten und zur Publikation in der amtlichen Sammlung bestimmten Urteil BGer 4A_5/2025 vom 26.07.2025 hat es das Bundesgericht abgelehnt, seine bereits mit BGE 78 II 230 im Jahr 1952 begründete Praxis zu ändern, wonach die Vereinbarung einer Karenzentschädigung für die Einhaltung eines Konkurrenzverbots vom Arbeitgeber nicht einseitig gekündigt werden kann, wenn dies nicht explizit vereinbart ist. Dies wurde auch mit Entscheid BGer 5A_89/2019 vom 01.05.2019 (fr) nicht in Frage gestellt.
Eine ausführliche Zusammenfassung dieses Entscheids, erstellt mit KI, ist derzeit auf www.bger-update.ch abrufbar. Angefochten war ein Urteil der I. Zivilkammer des Zürcher Obergerichts vom 13.11.2024 (LA240005-O). Ein Country-Manager, der seinerseits gekündigt hatte, beanspruchte von seiner Arbeitgeberin eine Karenzentschädigung für zwei Monate von je CHF 8’421.80 brutto sowie die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit vorgegebenem Wortlaut. Das Arbeitsgericht Horgen wies die Klage vollumfänglich ab. Es hielt dafür, dass das Konkurrenzverbot räumlich nicht beschränkt und deshalb nichtig sei. Im Berufungsverfahren vor dem Zürcher Obergericht war nur noch die Karenzentschädigung streitig, welche dieses – unter Bestätigung der Gültigkeit des Konkurrenzverbots als Vorfrage – im reduzierten Betrag von CHF 16’192.00 brutto zusprach, wobei es eine Entschädigung für die Privatnutzung eines Fahrzeugs nicht anrechnete.
Das Bundesgericht hat diesen Entscheid mit Abweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin bestätigt. Dabei setzte es sich unter anderem mit diesem Entscheid aus dem Jahr 1952 und den teils widersprechenden Meinungen in der Lehre auseinander.
Forderung brutto zugesprochen
Bemerkenswert ist noch, dass das Obergericht die Karenzentschädigung brutto zusprach und im gleich darauf folgenden Absatz im Dispositiv Folgendes festhielt:
Diese Bruttoforderung reduziert sich um die auf den Kläger entfallenden Sozialversicherungsleistungen, soweit die Beklagte nachweist, dass sie zu diesen Abzügen gesetzlich oder reglementarisch verpflichtet ist und diese an die zuständige Instanz abgeführt hat. Dabei übersieht das Obergericht – das sein Dispositiv wohl in Anlehnung an BGE 149 III 258 (fr) formuliert hat –, dass ein Arbeitgeber zwar die Höhe der Lohnabzüge des Arbeitnehmers nachweisen kann, aber dass der Nachweis der Zahlung (bzw. des Abführens an die zuständige Instanz) in der Regel frühestens am Ende des Zahlungsjahrs erbracht werden kann. Bekanntlich sind Arbeitgebende nach Art. 36 AHVV verpflichtet, jeweils bis am 30. Januar des Folgejahrs für jede Abrechnungsperiode (Kalenderjahr) Lohnabrechnungen einzureichen. Die – je nach Lohnsumme – monatlich oder vierteljährlich zu zahlenden Beiträge (vgl. Art. 34 Abs. 1 lit. a AHVV) sind in der Regel (vgl. Art. 35 AHHV) nur Akontobeiträge. Somit kann ein sicherer Nachweis des „Abführens“ konkreter AHV-Abzüge erst nach erfolgter Abrechnung mit der Ausgleichskasse vorgenommen werden. Auf diesen Umstand hatte ich schon einem ARVonline-Beitrag von 2017 und erneut in unserem Factsheet zum diesjährigen Anwaltskongress (dort Entscheid R2, S. 61 -63) hingewiesen.
Autor: Georges Chanson, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht, CHANSON Anwalt, www.arbeitsrechtler.ch
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