Ein Konkurrenzverbot ist gemäss Art. 340a OR nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu begrenzen, so dass eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeitsnehmers ausgeschlossen ist (sieher hierzu auch den Beitrag betreffend den Umfang von Konkurrenzverboten). Der Richter kann gemäss Art. 340a Abs. 2 OR ein übermässigehs Konkurrenzverbot unter Würdigung aller Umstände einschränken (im Ermessen des Gerichts), wobei er eine allfällige Gegenleistung des Arbeitgebers angemessen berücksichtigt.
Die vorgenannte Gegenleistung wird Karenzentschädigung genannt. Diese kann etwa auch ausgerichtet werden, indem der Arbeitgeber den Lohn über das Vertragsende weiter verspricht, dies für die Einhaltung des Konkurrenzverbotes durch den Arbeitgeber. Zweck der Karenzentschädigung ist der Ausgleich für verminderte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, nicht jedoch eine Art Vertragsstrafe für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses.
BGer 4A_5/2025 vom 26. Juni 2025
In einen Arbeitsvertrag verpflichtete sich der Arbeitnehmer (Ziff. 13), „während des Zeitraumes von zwei Jahren keine unmittelbare oder mittelbare Tätigkeit für ein Unternehmen anzunehmen, das mit dem Arbeitgeber im Wettbewerb steht“. Ausserdem verpflichtete er sich, „während des genannten Zeitraumes kein eigenes Unternehmen gleicher Art zu eröffnen oder eine Beteiligung zu übernehmen und im Geschäftsbereich des Arbeitgebers keine Geschäfte für fremde Unternehmen zu tätigen“. In Abs. 2 derselben Klausel wurde vereinbart, dass der Arbeitnehmer „für die Dauer des Konkurrenzverbotes“ eine „Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt gezahlten Salärbezüge ohne Bonus“ erhält.
Vor Bundesgericht stellte sich unter anderem die Frage, ob erzieltes Einkommen des Arbeitnehmers auf die Karenzentschädigung hätte angerechnet werden müssen.
Argumentation der Arbeitgeberin
Die Arbeitnehmer kritisierte vor Bundesgericht insbesondere die vorinstanzliche Erwägung, dass die Anrechnung eines anderweitig erzielten Einkommens abzulehnen sei, wenn eine solche nicht vereinbart wurde. Die vorinstanzliche Argumentation sei widersprüchlich und bundesrechtswidrig. Wenn die Karenzentschädigung ein Ausgleich für die wirtschaftliche Einschränkung infolge Einhaltung des Konkurrenzverbots darstelle und eine solche Einschränkung nicht gegeben sei, bestehe keine Veranlassung für die Zahlung eines Ausgleichs. Es sei offensichtlich, dass „im Geiste dieses Ausgleichszwecks“ ein anderweitig erzieltes Einkommen anzurechnen sei. Die Karenzentschädigung werde nie abstrakt, sondern immer individuell und spezifisch vereinbart. Ihre Höhe sei Verhandlungssache zwischen den Parteien, wobei die konkrete Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeitnehmers zentral sei. Fehle eine solche oder sei sie weniger erheblich als angenommen, rechtfertige sich eine Anrechnung von anderweitig erzieltem Einkommen. Dabei sei analog zu Art. 324 Abs. 2 OR jenes Einkommen anzurechnen, das erzielt oder absichtlich zu erzielen unterlassen worden sei.
Ersatzeinkünfte und insbesondere die Leistungen der Arbeitslosenversicherung seien gemäss Arbeitgeberin auf die Karenzentschädigung anzurechnen.
Entscheid des Bundesgerichts
Das Bundesgericht lehnte die Argumentation der Arbeitgeberin ab und verneinte, dass Ersatzeinkünfte auf die Karenzentschädigung anzurechnen seien:
5.3.1. REHBINDER/STÖCKLI, die es der Arbeitgeberin auch ohne vertragliche Vereinbarung erlauben wollen, einseitig auf das Konkurrenzverbot zu verzichten und die Karenzentschädigung mit einer Frist zu kündigen, stellen sich auf den Standpunkt, bis zum Ablauf der Frist müsse sich der Arbeitnehmer auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er „aufgrund der Befreiung im Konkurrenzbereich verdient oder zu verdienen unterlässt“. Sie plädieren für eine analoge Anwendung von Art. 324 Abs. 2 OR, wonach sich bei Annahmeverzug des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer auf den Lohn anrechnen lassen muss, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat (REHBINDER/STÖCKLI, a.a.O., N. 5 zu Art. 340c OR; vgl. auch VISCHER/ MÜLLER, a.a.O., § 21 N 51; SUBILIA/DUC, a.a.O., N. 24 zu Art. 340c OR).
Diese Konstellation liegt nicht vor. Denn wie dargelegt, konnte die Beschwerdeführerin die Ziffer 13 des Arbeitsvertrags vom 6. Februar 2008 nicht einseitig kündigen. Ihre Mitteilung vom 28. September 2021 liess das Konkurrenzverbot und die Karenzentschädigung nicht dahinfallen.
5.3.2. Davon unabhängig weist die Lehre zutreffend darauf hin, dass die Karenzentschädigung keinen Schadenersatz darstellt, sondern die Konkurrenzenthaltung abgilt. Daher ist sie unabhängig davon geschuldet, ob der ehemalige Arbeitnehmer während der Dauer des Konkurrenzverbots etwas verdient, ob er sich um eine Stelle bemüht, ob ihn das Konkurrenzverbot tatsächlich behindert oder ob er den Beruf wechselt (vgl. dazu BGE 101 II 277 E. 1a). Entsprechend muss er sich auch nicht auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er schuldhaft zu verdienen unterlässt. Auch Arbeitslosengelder sind nicht anzurechnen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots in einem synallagmatischen Nebenvertrag erfolgt, wobei die Karenzentschädigung das Entgelt für die Unterlassung einer konkurrierenden Tätigkeit des Arbeitnehmers bildet. Sie ist Gegenleistung für die abstrakte Beeinträchtigung durch das Konkurrenzverbot, also für die Beeinträchtigung der Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen ist sie unabhängig vom Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitnehmers geschuldet. Anders würde es sich nur verhalten, wenn die Parteien die Karenzentschädigung vertraglich als Lohngarantie ausgestaltet hätten, die einen Minderverdienst des Arbeitnehmers ausgleichen soll (vgl. RÄBER, a.a.O., S. 175 f. Rz. 599 f.; STAEHELIN, a.a.O., N. 25 zu Art. 340 OR; HEEB, a.a.O., S. 140; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 6 zu Art. 340a OR; NEERACHER, a.a.O., S. 58; BOHNY, a.a.O., S. 122 f., 138; BRÜHWILER, a.a.O., N. 7b zu Art. 340 OR).
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Autor: Nicolas Facincani
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