Nach den Vorgaben von Artikel 360a OR kann ein NAV mit zwingenden Mindestlöhnen nur unter bestimmten Bedingungen erlassen werden. Innerhalb einer Branche oder eines Berufes müssen die orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne wiederholt in missbräuchlicher Weise unterboten werden. Damit diese Voraussetzung erfüllt ist, müssen die Unterschiede zwischen den einzelnen Löhnen klar erkennbar sein. Ein einzelner isolierter Fall genügt grundsätzlich nicht, um den Erlass eines NAV beantragen zu können. Artikel 360a Absatz 2 OR sieht zudem vor, dass die Mindestlöhne gemäss NAV weder dem Gesamtinteresse zuwiderlaufen noch die berechtigten Interessen anderer Branchen oder Bevölkerungskreise beeinträchtigen dürfen. NAV können nur subsidiär zu GAV erlassen werden, wenn in der betreffenden Branche kein GAV mit Bestimmungen über Mindestlöhne vorliegt, der allgemein verbindlich erklärt werden könnte (Art. 360a Abs. 1 OR). Siehe hierzu auch den Beitrag zu den NAV.
Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft
Der Bundesrat hat am 20. Oktober 2010 den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft (NAV Hauswirtschaft) verabschiedet. Dieser regelt den Mindestlohn für Hausangestellte in Privathaushalten und gilt in der ganzen Schweiz mit Ausnahme des Kantons Genf, der bereits einen Mindestlohn für Hausangestellte eingeführt hatte. Nach einer erstmaligen Verlängerung im Jahr 2014, einer zweiten 2017 und einer dritten 2019 hat der Bundesrat am 9. Dezember 2022 entschieden, den NAV Hauswirtschaft um weitere drei Jahre (bis zum 31. Dezember 2025) zu verlängern und gleichzeitig den Mindestlohn anzupassen. Die Änderung des NAV Hauswirtschaft ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten.
Anwendbarkeit
Der NAV Hauswirtschaft ist anwendbar auf Arbeitsverhältnisse mit Hausangestellten in Privathaushalten. Kollektivhaushalte wie Heime, Internate, Institutionen, Spitäler usw. sind davon nicht erfasst. SECO, 1. Januar 2023 2/5 Der NAV Hauswirtschaft gilt nur bei einem Mindestbeschäftigungsgrad von durchschnittlich fünf Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber. Bestimmte Personen sind zudem vom Geltungsbereich ausgenommen: Arbeitnehmende in Ausbildungs- und Praktikumsverhältnissen, hauptsächlich für die Kinderbetreuung zuständige Personen (Tagesmütter und Babysitter), Ehegattinnen und Ehegatten, Konkubinatspartnerinnen und -partner sowie eingetragene Partnerinnen und Partner. Arbeitsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern bzw. zwischen Grosseltern und Grosskindern sind ebenfalls nicht erfasst. Hausangestellte in landwirtschaftlichen Haushalten fallen auch nicht darunter, wenn für ihr Arbeitsverhältnis ein kantonaler NAV für die Landwirtschaft gilt. Ferner sind Arbeitnehmende mit einer Legitimationskarte E oder F des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, die im häuslichen Dienst einer nach Artikel 2 Absatz 2 des Gaststaatgesetzes vom 22. Juni 20071 begünstigten Person bzw. im Hausdienst einer diplomatischen Mission, einer ständigen Mission oder eines konsularischen Postens stehen, vom Anwendungsbereich des NAV Hauswirtschaft ausgenommen.
Der NAV des Bundesrates regelt nur die Mindestlöhne. Für die übrigen Arbeitsbedingungen wie Arbeits- und Ruhezeiten, Ferien- oder Feiertagsanspruch, Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers im Krankheitsfall, Überstundenentschädigung, Probezeit, Kündigung des Arbeitsverhältnisses usw. gelten wie bisher die kantonalen NAV für Arbeitnehmende in der Hauswirtschaft oder das Schweizer Arbeitsvertragsrecht. Damit kommen beide NAV (Bund und Kanton) ergänzend zur Anwendung.
Aktueller NAV Hauswirtschaft
Der aktuell geltende NAV Hauswirtschaft ist noch bis Ende Jahr in Kraft (31. Dezember 2025) und muss verlängert werden, wenn er weiterhin zur Anwendung kommen soll. Die tripartite Kommission des Bundes (TPK Bund) hat im Rahmen der flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr an ihrer Sitzung vom 2. Juli 2025 entschieden, dem Bundesrat die nochmalige Verlängerung des NAV Hauswirtschaft um weitere drei Jahre und eine gleichzeitige Anpassung der Mindestlöhne per 1. Januar 2026 zu beantragen.
Beschluss Bundesrat vom 5. Dezember 2025
Die Verordnung über den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft (NAV Hauswirtschaft) wird um drei Jahre verlängert. Dies hat der Bundesrat am 5. Dezember 2025 beschlossen. Gleichzeitig werden die Mindestlöhne erhöht. Die Verlängerung und die Erhöhung der Mindestlöhne treten am 1. Januar 2026 in Kraft:
Die Mindestlöhne werden gemäss Antrag der TPK Bund um 2 Prozent erhöht. Die Mindestlöhne werden damit an die Nominallohnentwicklung für die Jahre 2022 bis 2024 angepasst, unter Berücksichtigung der vorgezogenen Mindestlohnanpassung im Jahr 2023.
Der Antrag für eine Verlängerung des NAV Hauswirtschaft und eine gleichzeitige Anpassung der Mindestlöhne ist von der TPK Bund gestellt worden. Die Sozialpartner handeln die Löhne in ihrer Branche üblicherweise selbst aus. Deshalb sehen die FlaM vor, dass der Staat nur unter zwei Voraussetzungen zum Instrument des NAV-Mindestlohnes greifen darf: Wenn in einem Beruf oder in einer Branche wiederholte missbräuchliche Lohnunterbietungen festgestellt werden und keine sozialpartnerschaftliche Lösung möglich ist. Zudem darf der Mindestlohn weder dem Gesamtinteresse zuwiderlaufen, noch die berechtigten Interessen der anderen Branchen beeinträchtigen. Im Vernehmlassungsverfahren unter den Kantonen und den Verbänden hatte die Verlängerung des NAV Hauswirtschaft und die Anpassung der Mindestlöhne mehrheitlich Zustimmung gefunden.
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Autor: Nicolas Facincani