Das Bundesgericht hatte sich im Urteil 4A_620/2019 vom 30. April 2020 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die wiederholt fehlerhafte Arbeitsausführung durch den Arbeitnehmer trotz bereits ausgesprochener Verwarnung die fristlose Entlassung durch den Arbeitgeber rechtfertigt.

 

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war seit dem 1. Mai 2015 bei der Arbeitgeberin als Produktionsleiter angestellt. Mit Datum vom 29. September 2015 kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ordentlich unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist auf den 31. März 2016. Am 27. Oktober 2015 wurde gegenüber dem Arbeitnehmer aufgrund eines Fehlers in der Arbeitsausführung eine Verwarnung ausgesprochen. Aufgrund zwei weiterer Fehler des Arbeitnehmers sprach der Arbeitgeber schliesslich am 4. November 2015 die fristlose Kündigung aus. Das Bezirksgericht Neuenburg hiess die Klage des Arbeitnehmers gut und qualifizierte die fristlose Kündigung als ungerechtfertigt. Das Kantonsgericht Neuenburg wies die entsprechende Berufung des Arbeitgebers ab.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht stützte den Entscheid der Vorinstanz und wies die Klage der Arbeitgeberin ab, sofern sie zulässig ist. Es hielt fest, dass die fristlose Kündigung zwar gemäss Art. 337 OR aus wichtigem Grund ausgesprochen werden kann, wobei aber grundsätzlich nur ein besonders schwerwiegender Vertragsbruch die sofortige Entlassung des Arbeitnehmers rechtfertigen kann. Liegt hingegen ein weniger schwerwiegender Verstoss vor, kann dieser nur dann zur sofortigen Entlassung führen, wenn er trotz einer Verwarnung wiederholt wurde.

(Zitat des Bundesgerichts: L’art. 337 al. 1 CO consacre le droit de résilier sans délai pour de justes motifs. […] Seul un manquement particulièrement grave peut justifier le licenciement immédiat du travailleur ou l’abandon abrupt du poste par ce dernier. En cas de manquement moins grave, celui-ci ne peut entraîner une résiliation immédiate que s’il a été répété malgré un avertissement.)

 

Nach umfassender Beurteilung des Falles sowie Analyse der Fehler, welche dem Arbeitnehmer unterliefen (welche bedauerlicherweise nicht aus dem Entscheid ersichtlich sind), kam das Bundesgericht zum Schluss, dass im vorliegenden Fall diese Fehler, weder der eine noch der andere, weder für sich genommen noch in Kombination, schwerwiegend und charakteristisch genug sind, um eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei griff auch die Argumentation der Arbeitgeberin, aufgrund der hohen hierarchischen Position des Arbeitnehmers im Unternehmen, seiner grossen Verantwortung sowie der hohen Vergütung durfte sie eine sorgfältige und aufmerksame Arbeit erwarten, nicht.

Damit stellt sich das Bundesgericht auf den Standpunkt, dass auch bei Vorliegen einer Verwarnung gegenüber dem Arbeitnehmer nicht jeder nachher ergangene Fehler eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Liegt also ein weniger schwerwiegender Verstoss mit anschliessender Verwarnung vor, so kann die erneute Begehung eines Fehlers eine sofortige Entlassung rechtfertigen, muss es aber nicht.

(Zitat des Bundesgerichts: La Cour d’appel a analysé de manière détaillée les deux erreurs que le demandeur a commises après l’avertissement signifié le 27 octobre 2015 et qui ont déterminé la défenderesse à résilier abruptement le contrat. En considération de l’ensemble des circonstances, la Cour parvient à la conclusions que ces erreurs ne sont ni l’une ni l’autre, ni isolément ni dans leur cumul, suffisamment graves et caractérisées pour justifier un congé abrupt.

La défenderesse conteste cette appréciation. Elle insiste sur la position hiérarchique élevée du demandeur dans l’entreprise, sur l’importance des responsabilités qui lui étaient confiées et sur le niveau élevé de sa rémunération. A son avis, ces circonstances l’autorisaient à attendre une activité particulièrement soigneuse et attentive. […] L’argumentation présentée n’est pas concluante car elle ne met en évidence, dans leur appréciation, aucune anomalie propre à justifier une intervention du Tribunal fédéral.)

 

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Autoren: Nicolas Facincani / Seline Wissler