Art. 336 OR listet Gründe auf, welche zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führen. Durch Art. 336 OR wird das Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB konkretisiert (BGE 134 III 108 ), womit für eine eigenständige Anwendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots eigentlich kein Raum bestehen würde (siehe allerdings BGE 121 III 60). Somit sind nicht nur die in diesem Artikel aufgelisteten Fälle missbräuchlich. Vielmehr ist Art. 336 nicht abschliessend. Somit fallen auch gegen das Rechtsmissbrauchsverbot fallende Fälle darunter, die eine mit den in Art. 336 OR genannten vergleichbare Schwere aufweisen (zum Ganzen: Facincani/Bazzell, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 336 N 45 ff.).

 

Konfliktkündigungen

Nach der neueren Rechtsprechung können auf Kündigungen in Konfliktsituationen missbräuchlich sein, wenn der Arbeitgeber in einer Konfliktsituation eine Kündigung ausspricht, ohne zuvor die zumutbaren Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts getroffen zu haben. Auch eine zu spät angesetzte Aussprache ist ungenügend.

Hierzu sind verschiedene Entscheide des Bundesgerichts für das öffentliche und private Arbeitsrecht ergangen:

 

BGer 1C_245/2008

Gleich wie den privaten trifft auch den öffentlichen Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmenden eine Fürsorgepflicht (Art. 328 OR i.V.m. Art. 6 Abs. 2 BPG sowie Art. 4 Abs. 2 lit. b und g BPG). Daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber im Falle einer Störung des Betriebsklimas alle zumutbaren Massnahmen ergreifen muss, um die Lage zu entspannen (BGE 125 III 70 E. 2c S. 74). Ein Arbeitgeber, der einen Konflikt zwischen seinen Mitarbeitern in Verletzung seiner Fürsorgepflicht schwelen lässt, kann in der Folge nicht geltend machen, der Konflikt schade der Arbeit, um die am Konflikt beteiligten Mitarbeiter zu entlassen (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 4C.189/2003 vom 23. September 2003 E. 5.1 und 4C.253/2001 vom 18. Dezember 2001 E. 2 und 3).

In diesem Entscheid wurde aufgezeigt, welche Massnahmen unter anderem Ergriffen werden können:

Gemäss den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid zog die EMPA zweimal (in den Jahren 2002 und 2005) eine externe Beratungsunternehmung zwecks Teamcoaching bei, führte während Monaten regelmässig Gruppengespräche, befragte die übrigen Mitarbeiter des Brandlabors, führte mit den Konfliktbeteiligten Einzelgespräche, gab dem Beschwerdeführer zweimal (in den Jahren 2002 und 2004) konkrete Verhaltensanweisungen, zog schliesslich die Vertrauensstelle für das Bundespersonal hinzu und unterbreitete den Beteiligten Vorschläge zur endgültigen Beilegung ihres Streits. 

Mit diesen Bemühungen hat die Arbeitgeberin ihre Fürsorgepflicht erfüllt. Sie unternahm über einen längeren Zeitraum diverse Schritte, um die Situation im Brandlabor zu entspannen. Dabei handelte es sich um Massnahmen, die geeignet waren, den Konflikt zwischen den Mitarbeitern zu entschärfen. Es ist weder ersichtlich noch zeigt der Beschwerdeführer auf, was die EMPA vernünftigerweise noch hätte tun müssen, um das Verhältnis der beiden Mitarbeiter zueinander zu verbessern. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn es die seitens der EMPA getroffenen Massnahmen als ausreichend betrachtete.

 

BGE 125 III S. 73 f.

In der Lehre ist umstritten, ob zu den von dieser Bestimmung erfassten Eigenschaften auch individuelle Charakterzüge und Verhaltensmuster zu rechnen sind (dagegen: BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, N. 4 zu Art. 336 OR; dafür: STAEHELIN/VISCHER, a.a.O., N. 9 zu Art. 336 OR). Die Frage braucht allerdings nicht entschieden zu werden, denn Art. 336 Abs. 1 lit. a OR lässt die Kündigung wegen einer persönlichen Eigenschaft zu, wenn diese in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht oder die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt. Indessen kann die Störung des Betriebsklimas eine Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften nur rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber vorher zumutbare Massnahmen ergriffen hat, um die Lage zu entspannen. Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich aus der Fürsorgepflicht.

 

BGer 4A_291/2008 / BGer 4A_430/2010 / 4A_63/2009

Grundsätzlich knüpft der sachliche Kündigungsschutz am Motiv der Kündigung an. Die Missbräuchlichkeit kann sich aber auch aus der Art und Weise ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt. Auch wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten. Sie darf insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel treiben, das Treu und Glauben krass widerspricht (BGE 131 III 535 E. 4.2 S. 538 f.; 125 III 70 E. 2b S. 73; 118 II 157 E. 4b/cc S. 166 f.). Ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, kann diese als missbräuchlich erscheinen lassen (BGE 132 III 115 E. 2.2 S. 117). Zu beachten ist nämlich, dass der Arbeitgeber gemäss Art. 328 OR verpflichtet ist, die Persönlichkeitsgüter des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Dritten zu schützen. Diese Fürsorgepflichten bilden das Korrelat der Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR; BGE 132 III 115 E. 2.2 S. 117, 257 E. 5.1 S. 259). Daraus hat das Bundesgericht abgeleitet, dass eine Kündigung nicht missbräuchlich ist, wenn wegen des schwierigen Charakters eines Arbeitnehmers eine konfliktgeladene Situation am Arbeitsplatz entstanden ist, die sich schädlich auf die gemeinsame Arbeit auswirkt, und wenn der Arbeitgeber zuvor sämtliche ihm zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen. Hat sich der Arbeitgeber nicht oder ungenügend um die Lösung des Konflikts bemüht, ist er seiner Fürsorgepflicht nicht hinreichend nachgekommen, weshalb sich die Kündigung als missbräuchlich erweist (BGE 132 III 115 E. 2.2 S. 117; 125 III 70 E. 2c S. 74).

 

Konfliktsituation aufgrund unklarer Kompetenzabgrenzung

Auch im Zusammenhang mit unklaren Kompetenzabgrenzungen ausgesprochene Kündigungen sind u.U. missbräuchlich. So wurde etwa eine Kündigung in einer Konfliktsituation, welche darauf zurückzuführen war, dass eine unklare Kompetenzabgrenzung vorlag, missbräuchlich (BGer 8C_594/2010 vom 25.8.2011, vgl. Entscheid des Arbeitsgerichts ZH 2007, Nr. 19, wo eine Missbrauchsklage trotz mehrerer Gespräche und Coaching wegen ungenügenden Konfliktlösungsmassnahmen gutgeheissen wurde).

 

Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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