Art. 336 OR listet Gründe auf, welche zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führen. Durch Art. 336 OR wird das Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB konkretisiert (BGE 134 III 108 ), womit für eine eigenständige Anwendung des allgemeinen  Rechtsmissbrauchsverbots eigentlich kein Raum bestehen würde (siehe allerdings BGE 121 III 60). Somit sind nicht nur die in diesem Artikel aufgelisteten Fälle missbräuchlich. Vielmehr ist Art. 336 nicht abschliessend. Somit fallen auch gegen das Rechtsmissbrauchsverbot fallende Fälle darunter, die eine mit den in Art. 336 OR genannten vergleichbare Schwere aufweisen (zum Ganzen: Facincani/Bazzell, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 336 N 45 ff.).

 

Art. 336 Abs. 2 lit. a OR

Eine Kündigung der Arbeitgeberin ist gemäss Art. 336 Abs. 2 lit. a OR missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird, weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er rechtmässig eine gewerkschaftliche Tätigkeit ausübt. Geschützt ist allerdings nur die rechtmässige gewerkschaftliche Tätigkeit, das heisst sie darf gesetzliche, gesamtarbeitsvertragliche und einzelarbeitsvertragliche Vorschriften nicht verletzen (BBl 1984 II 602).

Eine solche Kündigung kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die gewerkschaftliche Tätigkeit die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich stört.

Allerdings kann bei Tendenzbetrieben die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gewerkschaft eine Treuepflichtverletzung darstellen. In diesen Fälle wäre eine Kündigung dann nicht missbräuchlich.

Die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik wird für Gewerkschaftsmitglieder ebenfalls durch Art. 336 Abs. 2 lit. a OR geschützt. Soweit die Arbeitspflicht nicht verletzt wird, ist auch die Mitgliederwerbung für eine Gewerkschaft am Arbeitsplatz zulässig.

Eine Kündigung bei gewerkschaftlicher Tätigkeit ist allerdings nicht per se missbräuchlich ist, sondern nur, wenn diese das Kündigungsmotiv war.

 

Bundesgerichtsentscheide

Bundesgerichtsentscheide im Zusammenhang mit Art. 336 Abs. 2 lit. a OR sind selten. In BGer 4A_169/2013 vom 18. Juni 2013 hatte sich das Bundesgericht unter anderem mit vorgenannter Bestimmung auseinanderzusetzen. Der Arbeitgeber machte geltend, er sei vom Schutzbereich von Art. 336 Abs. 2 lit. a OR erfasst gewesen, weil er faktisch eine gewerkschaftliche Tätigkeit ausgeübt habe. Das Bundesgericht schützte die Position des Arbeitnehmers nicht:

4.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung bzw. eine fehlerhafte Auslegung von Art. 336 Abs. 2 lit. a OR. Dabei macht er geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die bloss faktische Ausübung einer gewerkschaftlichen Tätigkeit vom Schutzbereich von Art. 336 Abs. 2 lit. a OR nicht erfasst sei: Sämtliche gewerkschaftliche Tätigkeiten, somit auch faktische, seien vom Anwendungsbereich dieser Norm erfasst. Eine solche habe der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den Nachtarbeitszeitgutschriften wahrgenommen, weshalb die Kündigung missbräuchlich sei.  

 4.1.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, der Beschwerdeführer habe zwar nach eigenen Angaben im Mai 2008 die Gewerkschaft Y.________ angefragt, als die Interessengemeinschaft Nachtarbeitszeitgutschriften, bestehend aus dem Beschwerdeführer und drei weiteren Delegierten der Chauffeure und die Geschäftsleitung der Beschwerdegegnerin in den Gesprächen um die rückwirkende Einführung der Nachtarbeitszeitgutschrift nicht mehr weitergekommen seien. Der Beschwerdeführer habe aber nie geltend gemacht, dass er selbst für die Gewerkschaft Y.________ tätig geworden sei. So sei denn die Gewerkschaft gegenüber der Beschwerdegegnerin auch nie in Erscheinung getreten.  

Eine bloss faktische Ausübung einer gewerkschaftlichen Tätigkeit sei vom Schutzbereich von Art. 336 Abs. 2 lit. a OR nicht erfasst; selbst wenn der Beschwerdeführer betreffend die Durchsetzung von rückwirkenden Nachtarbeitszeitgutschriften von der Gewerkschaft Y.________ im Hintergrund unterstützt worden wäre, habe dies in jedem Fall nicht das Motiv der Kündigung darstellen können, da die Beschwerdegegnerin keine Kenntnis davon hatte. 

4.1.2. Eine Verletzung von Art. 336 OR ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerdebegründung keineswegs aus, worin sich eine solche faktische gewerkschaftliche Tätigkeit ergeben hätte. Eine solche wurde von der Vorinstanz auch nicht festgestellt. Er verkennt überdies, dass eine Kündigung bei gewerkschaftlicher Tätigkeit nicht per se missbräuchlich ist, sondern nur, wenn diese das Kündigungsmotiv war.  

 Das Motiv einer Kündigung ist Tatfrage, das Bundesgericht ist an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden (BGE 127 III 86 E. 2a S. 88 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat verbindlich festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin von der Rolle des Beschwerdeführers, im Zusammenhang mit der rückwirkenden Einführung der Nachtarbeitszeitgutschriften, keine Kenntnis hatte. Demnach konnte auch eine faktische gewerkschaftliche Tätigkeit nicht das Motiv einer Kündigung sein. Die Rüge ist unbegründet. 

 

Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.