Der Bundesrat hat am 2. Februar 2022 die Verordnungsänderung zur Präzisierung von Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen genehmigt. Das Hauptanliegen der breit abgestützten Revision ist es, die Rechtsanwendung von Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen zu vereinfachen und diese an die geltende Praxis anzupassen. Die neue Regelung tritt per 1. April 2022 in Kraft.

Die Revision betrifft mehrere Artikel der Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen der Verordnungen 1 und 2 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1 und 2).

Die Änderungen betreffend insbesondere die Voraussetzungen zur Nacht- und Sonntagsarbeit. Die ArGV 1 wurde wie folgt geändert (kursiv sind die Erläuterungen des Bundes eingepflegt):

 

Art. 27 Dringendes Bedürfnis (Art. 17, 19 und 24 ArG)

Nacht- und Sonntagsarbeit ist grundsätzlich verboten (Art. 16 und 18 ArG). Ausnahmen von diesem Verbot werden nur dann bewilligt, wenn ein Betrieb ein dringendes Bedürfnis oder eine technische oder wirtschaftliche Unentbehrlichkeit nachweisen kann. Wenn der bewilligungspflichtige Betrieb in einem Drittunternehmen tätig wird, muss letzteres als Auftraggeberin dem beauftragten Betrieb eine schriftliche und dokumentierte Begründung für die Notwendigkeit der Nacht- oder Sonntagsarbeit vorlegen. Diese Begründung muss auf Verlangen der zuständigen Behörden vorgelegt werden können (vgl. Art. 45 ArG).

1 Ein dringendes Bedürfnis für Nacht- oder Sonntagsarbeit im Sinne von Artikel 17 Absatz 3, 19 Absatz 3 und 24 Absatz 3 des Gesetzes liegt vor, wenn:

Das dringende Bedürfnis kommt im Gegensatz zur Unentbehrlichkeit (vgl. Art. 28 ArGV 1) vor allem bei Tätigkeiten, die nicht aufschiebbar sind oder aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmenden oder aus Gründen des öffentlichen Interesses zur Anwendung.

a. es weder mit planerischen Mitteln noch mit organisatorischen Massnahmen möglich ist, die Arbeiten tagsüber oder abends an Werktagen durchzuführen; und

Buchstabe a: Solche Tätigkeiten können weder mit planerischen Mitteln noch mit organisatorischen Massnahmen am Tag oder abends an Werktagen erledigt werden (von Montag bis Samstag zwischen 6 Uhr und 23 Uhr. Die Gründe für ein dringendes Bedürfnis können innerhalb oder ausserhalb des Betriebs liegen. Bei Neubauten, neuen Strassen, neuen Produktionslinien usw. liegt kein dringendes Bedürfnis vor, da diese Arbeiten planbar sind. Ebenfalls kein dringendes Bedürfnis besteht bei ordentlichen Instandhaltungsarbeiten, sofern der Betrieb nicht den Nachweis erbringen kann, dass die Instandhaltungsarbeiten nicht anderweitig organisiert werden können.

b. die Arbeiten:

1. zusätzlich anfallen und zeitlich nicht aufschiebbar sind, oder

Buchstabe b, Ziffer 1: Ein dringendes Bedürfnis liegt vor, wenn die Arbeiten zusätzlich anfallen und nicht aufgeschoben werden können. Dies ist der Fall, wenn aussergewöhnliche Umstände, ähnlich den in Art. 26 ArGV 1 genannten Sonderfällen, zusätzliche Arbeiten erfordern. Dieser Grundsatz entspricht dem aktuellen Art. 27 Abs. 1 Bst. a ArGV 1.

Die Erstellung von Jahresabschlüssen, die Durchführung einer Liquidation oder die Verlagerung von Betriebsaktivitäten kann je nach Umständen die Durchführung von Nacht- oder Sonntagsarbeit erfordern. In diesen Fällen ist ein dringendes Bedürfnis gegeben. Die Inventur ist jedoch eine Tätigkeit, welche in der Regel nicht unter diese Bestimmung fällt. Die Erteilung einer Arbeitszeitbewilligung aufgrund eines dringenden Bedürfnisses schliesst nicht aus, dass auch technische oder wirtschaftliche Elemente berücksichtigt werden (vgl. Art. 28 ArGV 1). Die Kriterien von Art. 40 ArGV 1 gehen aber vor und der Kanton bleibt zuständig für die Erteilung der Arbeitszeitbewilligung. Ein dringendes Bedürfnis liegt ebenfalls vor, wenn es beispielsweise nicht möglich ist, vom Betrieb unverschuldet eingetretene Produktionsverzögerungen durch andere Massnahmen rechtzeitig aufzuholen. Solche unverschuldet eingetretenen Produktionsrückstände können infolge von Pannen an Produktionsanlagen oder an Maschinen, durch die Erneuerung bestehender Anlagen, wegen Energieausfall oder wegen eines Ausfalls in der Zulieferung von Rohstoffen oder Halbfabrikaten entstanden sein. Insbesondere kann ein dringendes Bedürfnis geltend gemacht werden, wenn Konventionalstrafen zu zahlen sind oder wenn der Verlust von weiteren Aufträgen droht, falls unverschuldet die Lieferfristen nicht eingehalten werden. Ein dringendes Bedürfnis kann auch vorliegen, wenn ein Betrieb von einem Kunden einen zusätzlichen grösseren Auftrag mit kurzer Lieferfrist erhält, der neben der normalen Produktion mit den vorhandenen Produktionsmitteln nicht bewältigt werden kann und bei dessen Ablehnung der Verlust des Kunden droht.

Unannehmlichkeiten für die Kunden, die Öffentlichkeit oder die Betriebstätigkeit rechtfertigen für sich allein nicht die Erteilung einer Bewilligung für Nacht- und Sonntagsarbeit.

2. aus Gründen der Gesundheit oder der Sicherheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder aus anderen Gründen des öffentlichen Interesses in der Nacht oder am Sonntag erledigt werden müssen.

Buchstabe b, Ziffer 2: Ein dringendes Bedürfnis liegt vor, wenn die Tätigkeit eine Gefahr für die Gesundheit oder der Sicherheit der Arbeitnehmenden darstellt und wenn die Ausübung der Tätigkeit während der Werktage (Tages- oder Abendarbeit) unmöglich oder nur eingeschränkt möglich ist (z. B. Tätigkeiten auf Baustellen an Hauptverkehrswegen oder auf stark befahrenen Strassen, Arbeiten in Tunneln sowie das Überprüfen oder Revidieren von Sicherheitsanlagen, Arbeiten in Hitzeperioden usw.). Die Gründe für ein dringendes Bedürfnis können auch in einem besonderen öffentlichen Interesse liegen und erfordern, dass bestimmte Aufgaben nachts oder an Sonntagen ausgeführt werden, wie z. B. Bauarbeiten auf Strassen, für welche die Erreichbarkeit sichergestellt werden muss. Dies ist insbesondere der Fall bei Zu- und Ausfahrten zum Notfalldienst eines Spitals oder zur Feuerwehr, aber auch bei Tätigkeiten, die den Strassenverkehr stark behindern würden, wie z. B. Arbeiten an stark befahrenen Strassen oder an einem Verkehrsknotenpunkt. Unter das öffentliche Interesse fallen auch sicherheitstechnische Gründe. Kein öffentliches interesse hingegen liegt grundsätzlich beim Abbau der Weihnachtsbeleuchtung am 25. Dezember vor. Zudem besteht kein öffentliches Interesse, wenn ein Bauunternehmen einen Parkplatz vor einem Einkaufszentrum an Sonntagen/in der Nacht asphaltieren muss, um Kunden und Mitarbeiter während der Werktage nicht zu belästigen. Ebenfalls kein öffentliches Interesse liegt in Zusammenhang mit Abschlussarbeiten an Sonntagen/in der Nacht für eine Geschäftsneueröffnung am darauffolgenden Tag vor.

2 Ein dringendes Bedürfnis liegt zudem vor, wenn zeitlich begrenzte Arbeitseinsätze in der Nacht oder am Sonntag erforderlich sind im Rahmen von:

a. besonderen Firmenanlässen, wie Jubiläen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind; oder

b. Veranstaltungen, die auf lokale Besonderheiten zugeschnitten sind.

Ein dringendes Bedürfnis liegt vor, wenn zeitlich begrenzte Arbeitseinsätze in der Nacht oder am Sonntag im Rahmen von besonderen Firmenanlässen, welche für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind, oder von Veranstaltungen, die auf lokale Besonderheiten zugeschnitten sind erfolgen. Dabei handelt es sich um Veranstaltungen wie grosse Firmenjubiläen, welche durch 10 oder 25 teilbar sind, Museumsnächte, Industrienächte, usw. Diese Bestimmung muss in Verbindung mit Art. 43 ArGV 2 betrachtet werden. In beiden Fällen geht es um Personal, das im Rahmen von Veranstaltungen beschäftigt wird. Im Unterschied zum aktuellen Art. 27 Abs. 1 Bst. c ArGV 1 bezieht sich der neue Art. 27 Abs. 2 ArGV 1 auf Veranstaltungen mit lokalem Charakter und spezifische Veranstaltungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, aber nur von einem einzigen Unternehmen organisiert werden. Dagegen umfasst Art. 43 ArGV 2 Veranstaltungen, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind und bei denen Unternehmen ausserhalb ihres üblichen Standorts arbeiten, beispielsweise indem sie an einem Stand ihre Produkte präsentieren und verkaufen. Reine Verkaufsveranstaltungen, die nicht im Zusammenhang mit solchen Anlässen stehen, fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 27 ArGV 1. Zur Erinnerung: Die Kantone haben die Möglichkeit, höchstens vier Sonntage zu bezeichnen, an welchen Arbeitnehmende in Verkaufsgeschäften bewilligungsfrei beschäftigt werden dürfen (vgl. Wegleitung SECO zu Art. 19 Abs. 6 ArG). Vorbehalten bleiben die kantonalen oder kommunalen Polizeivorschriften über die Sonntagsruhe und über die Öffnungszeiten von Detailhandelsbetrieben (Art. 71 Bst. c ArG).

3 Ein dringendes Bedürfnis für Nachtarbeit im Sinne von Artikel 17 Absatz 4 des Gesetzes liegt vor, wenn Betriebe mit einem zweischichtigen Arbeitszeitsystem:

a. aus Gründen der täglichen Auslastung regelmässig auf eine Betriebszeit von 18 Stunden angewiesen sind;

b. nicht mehr als eine Randstunde in Anspruch nehmen; und

c. dadurch die Leistung von weiterer Nachtarbeit zwischen 24 Uhr und 5 Uhr vermieden werden kann.

Der Abs. 3 entspricht dem aktuell geltenden Abs. 2. Es wurden keine Änderungen vorgenommen

 

Art. 28 Unentbehrlichkeit von Nacht- und Sonntagsarbeit (Art. 17, 19 und 24 ArG)

1 Technische Unentbehrlichkeit von Nacht- oder Sonntagsarbeit im Sinne von Artikel 17 Absatz 2, 19 Absatz 2 und 24 Absatz 2 liegt insbesondere vor, wenn ein Arbeitsverfahren oder Arbeiten nicht unterbrochen, aufgeschoben oder anders organisiert werden können, weil damit:

a. erhebliche und unzumutbare Nachteile für die Produktion und das Arbeitsergebnis oder die Betriebseinrichtungen verbunden wären;

Buchstabe a: Der Inhalt wurde nicht verändert.

b. die Gesundheit oder Sicherheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder die Umgebung des Betriebes gefährdet würde; oder

Buchstabe b: Im Gegensatz zum aktuellen Inhalt dieser Bestimmung wird die Sicherheit der Arbeitnehmenden im Artikel selbst explizit erwähnt und nicht ausschliesslich in der Wegleitung.

c. die Lieferkette oder der Warenfluss zwischen oder innerhalb von Betrieben unterbrochen würde oder die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs nicht sichergestellt wäre.

Buchstabe c: Es handelt sich hier um eine neue Art von technischer Unentbehrlichkeit, weIche sich bereits in der Praxis auf diese Art entwickelt hat. Im Logistikbereich müssen Waren innerhalb und zwischen Unternehmen zeitnah disponiert, kommissioniert, verladen und geliefert werden. Bei einer Unterbrechung der Lieferkette für frische Produkte wie Gemüse, Fleisch, Milchprodukte sowie Bäckerei- und Konditoreiwaren besteht die Gefahr, dass die Produkte aufgrund der kurzen Haltbarkeiten verderben. Wird der Warenfluss unterbrochen, könnten ausserdem unmittelbar benötigte Güter wie langfristig haltbare Lebensmittel, Konsumprodukte von Detailhandelsbetrieben, Ersatzteile für Garagen, Medikamente für Apotheken sowie Baumaterialien für Baustellen nicht mehr zeitnah logistisch verarbeitet werden. Dies könnte im schlimmsten Fall in einem Versorgungsengpass oder in einer Unterbrechung der Arbeiten münden, was es zu verhindern gilt. Das Auffüllen von Regalen in Verkaufsgeschäften mit gelieferten Waren hat grundsätzlich im bewilligungsfreien Zeitraum zu erfolgen, sofern keine Sonderbestimmung der ArGV 2 anwendbar ist. 4 Während der obige Absatz von einer Lieferkette, respektive einem Warenfluss zwischen oder innerhalb von Unternehmen ausgeht (Business to Business), richtet sich das Tätigkeitsgebiet gewisser Logistikunternehmen direkt an den Endverbraucher (Business to Customer). Die Unentbehrlichkeit der Nacht- und Sonntagsarbeit für die logistische Verarbeitung ist in diesem Fall beschränkt auf Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs (Hygieneartikel wie ShampOD und Taschentücher, WC-Papier, Haushaltpapier, Tiernahrung etc.). Die Lieferungen der Bestellungen an die Endkunden haben dagegen im bewilligungsfreien Zeitraum zu erfolgen

2 Wirtschaftliche Unentbehrlichkeit von Nacht- oder Sonntagsarbeit im Sinne von Artikel 17 Absatz 2, 19 Absatz 2 und 24 Absatz 2 des Gesetzes liegt vor, wenn:

a. das angewandte Arbeitsverfahren mit unvermeidlich hohen Investitionskosten verbunden ist, die ohne die Leistung von Nacht- oder Sonntagsarbeit nicht amortisiert werden können; oder

b. die Unterbrechung eines Arbeitsverfahrens und dessen Wiederingangsetzung hohe Zusatzkosten verursachen, die ohne die Leistung von Nacht- oder Sonntagsarbeit eine merkliche Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes gegenüber seinen Konkurrenten zur Folge haben könnte.

Der aktuelle Art. 28 Abs. 2 Bst. c zur internationalen Konkurrenzfähigkeit wurde gestrichen. Diese Bestimmung hat in der Praxis keine selbständige Bedeutung, und Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit wurden immer im Zusammenhang mit den Investitionen oder den hohen Unterbruchkosten (aktuell Art. 28 Abs. 2 Bst. a und b ArGV 1) geprüft. Das SECO hat bisher keine Bewilligungen ausschliesslich auf der Grundlage des bisherigen Bst. c erteilt, was dessen Streichung rechtfertigt. Damit jedoch klar ist, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit weiterhin ein Aspekt der Unentbehrlichkeit darstellen kann, wird in der Wegleitung wie heute darauf verwiesen werden.

3 Der wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit gleichgestellt sind besondere Konsumbedürfnisse, deren Befriedigung:

a. angesichts der Unentbehrlichkeit der Waren und Dienstleistungen für die betroffenen Konsumentinnen und Konsumenten im öffentlichen Interesse liegt; und

b. ohne die Leistung von Nacht- oder Sonntagsarbeit nicht sichergestellt werden kann.

Die Definition der besonderen Konsumbedürfnisse wurde neu formuliert. Es handelt sich um Bedürfnisse, deren Befriedigung ein besonderes öffentliches Interesse darstellt und nicht ohne Nacht- oder Sonntagsarbeit möglich ist. Im Gegensatz zur jetzigen Formulierung ist es wichtig, dass Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, die für die betroffenen Konsumenten und Konsumentinnen täglich notwendig und unentbehrlich sind sowie dass ihre Befriedigung eines öffentlichen Interesses entspricht. Hingegen ist es nicht mehr notwendig, dass diese Waren und Dienstleistungen für „einen Grossteil der Bevölkerung“ unentbehrlich sind. Entscheidend ist, dass sie allgemein anerkannt sind Das besondere Konsumbedürfnis gilt beispielsweise als gegeben für Rettungsdienste, Behindertentransporte, Zustellungsdienste für Tages- und Sonntagszeitungen, Reinigungen von öffentlichen WC-Anlagen und Plätzen oder die behindertengerechte Ausrichtung öffentlicher Anlagen sowie für andere Dienstleistungen des „Service public“. Es muss sich um Waren oder Dienstleistungen handeln, die wirklich unentbehrlich sind und täglich benötigt werden. Die Bedürfnisbefriedigung darf nicht anders als mit zusätzlicher Nacht- und Sonntagsarbeit möglich sein. Mit der neuen Formulierung wird die aktuelle Praxis besser widergespiegelt. Bezüglich Personalverleih gilt Folgendes: Der Einsatz des verliehenen Personals in Spitälern und Restaurants etc. muss auch in der Nacht und am Sonntag erfolgen; es ist aber möglich, das Rekrutieren und die Zuteilung eines Einsatzes ohne Nacht- und Sonntagsarbeit der Angestellten des Personalverleihbetriebs zu organisieren.

4 Die Unentbehrlichkeit von Nacht- und Sonntagsarbeit wird für die im Anhang aufgeführten Arbeitsverfahren sowie die untrennbar damit verbundenen Arbeitsverfahren, insbesondere Vorbereitungsarbeiten, Qualitätskontrollen und Logistikarbeiten, vermutet.

Die Vermutung der Unentbehrlichkeit für Nacht- und/oder Sonntagsarbeit gilt für die im Anhang der ArGV 1 aufgeführten Arbeitsverfahren sowie für die untrennbar damit verbundenen Arbeitsverfahren (wie beispielsweise Vorbereitungsarbeiten, Qualitätskontrollen, Logistik usw.). Die für die Bewilligungserteilung zuständige Behörde behält sich jedoch vor, den konkreten Nachweis der Unentbehrlichkeit einzufordern.

 

Art. 40 Abgrenzungskriterien für die Bewilligungszuständigkeit (Art. 17, 19 und 24 ArG)

Das Arbeitsgesetz sieht vor, dass dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- und Sonntagsarbeit in die Bewilligungszuständigkeit des SECO fällt (vgl. Art. 17 Abs. 5 ArG). Für die Bewilligung vorübergehender Nacht- und Sonntagsarbeit sind die kantonalen Behörden zuständig (vgl. Art. 19 Abs. 4 ArG). Art. 40 legt fest, was für den Betrieb als vorübergehend und was als dauernd oder regelmässig wiederkehrend gilt, damit der Betrieb weiss, bei welcher Behörde er ein Gesuch stellen muss. Bezüglich der Definition der vorübergehenden Sonntags- und Nachtarbeit zur Bestimmung der Rechte der Arbeitnehmenden, einschliesslich der Frage der Kompensation, wird auf die Art. 371), 19 Abs. 3 und 20 ArG sowie auf die Art. 31 ff. ArGV 1 verwiesen.

1 Vorübergehend ist Nacht- oder Sonntagsarbeit im Sinne von Artikel 17 beziehungsweise Artikel 19 des Gesetzes, wenn es sich um zeitlich befristete Einsätze von nicht mehr als sechs Monaten pro Einsatz handelt. Dauert ein Einsatz unerwartet länger als sechs Monate und ist die Verzögerung nicht dem Betrieb zuzuschreiben, so kann die kantonale Behörde die Bewilligung um höchstens drei Monate verlängern.

Von vorübergehender Sonntagsarbeit und Nachtarbeit spricht man bei zeitlich befristeten Einsätzen, die in der Nacht oder an Sonntagen – einschliesslich im Sinne von Art. 20a ArG den Sonntagen gleichgestellten Feiertagen – stattfinden; unabhängig davon, ob die Einsätze bloss ab und zu erfolgen, ob sie aufeinanderfolgend oder ob sie über mehrere Monate verteilt sind. Jeder Einsatz darf grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern. Die neue Bestimmung führt zu einer einheitlichen Lösung für Nacht- und Sonntagsarbeit und ermöglicht eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmung an die geltende Praxis. Dauert der Einsatz genau sechs Monate oder kürzer, liegt es an der kantonalen Behörde, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls dem betreffenden Betrieb eine Arbeitszeitbewilligung auszustellen. Dauert ein geplanter Einsatz unerwartet länger als sechs Monate und ist die Verzögerung nicht dem Unternehmen zuzuschreiben (z. B. witterungsbedingt, aufgrund von Naturereignissen oder aufgrund von Lieferverzögerungen), kann der Kanton die Bewilligung um maximal drei weitere Monate verlängern. Bei vorübergehender Nacht- oder Sonntagsarbeit wird nicht auf das Kalenderjahr Bezug genommen, sondern auf die Dauer des einzelnen Einsatzes: Der Betrieb kann nicht jedes Jahr eine Bewilligung aus dem gleichen Grund beantragen, da ansonsten der Arbeitseinsatz nicht mehr zeitlich befristet ist. Von vorübergehender Nacht- oder Sonntagsarbeit spricht man insbesondere:

  • bei Einsätzen, die aufgrund von ungeplanter Mehrarbeit nicht aufgeschoben werden können
  • bei temporären Produktionsspitzen,
  • bei Einsätzen auf Baustellen an stark befahrenen Strassen.
  • bei Ausfall oder Erneuerung von Produktionsanlagen oder Maschinen.

Für all diese Einsätze hat der Betrieb den Nachweis des dringenden Bedürfnisses zu erbringen, damit er eine Bewilligung für Nacht- oder Sonntagsarbeit vom Kanton erhält (vgl. Art. 27 ArGV 1 ) Mehrere Einsätze sind gleichzeitig möglich, beispielsweise kann derselbe Betrieb auf verschiedenen Baustellen gleichzeitig tätig sein, wobei der Betrieb für jede Baustelle eine separate Bewilligung benötigt. Betriebe, die auf mehreren Baustellen tätig sind, müssen besonders auf Arbeitnehmende achten, welche unter Umständen Nachtarbeit ohne Wechsel mit Tagesarbeit leisten. In solchen Fällen sind die Bestimmungen des Art. 30 ArGV 1 strikt einzuhalten. Gleiches gilt für die Bedingungen des Art. 17b ArG (Lohn- und Zeitzuschlag) und Art. 45 ArGVI (obligatorische medizinische Untersuchung und Beratung).

2 Dauernd oder regelmässig wiederkehrend ist Nacht- oder Sonntagsarbeit, wenn sie:

a. den Umfang von Absatz 1 überschreitet; oder

Buchstabe a: Was den unter Abs. 1 beschriebenen zeitlichen Umfang übersteigt, muss als dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit – einschliesslich im Sinne von Art. 20a ArG den Sonntagen gleichgestellten Feiertagen – eingestuft werden.

b. in regelmässigen Einsätzen geleistet wird, die sich während mehreren Kalenderjahren aus dem gleichen Grund wiederholen; davon ausgenommen ist Nacht- oder Sonntagsarbeit, die für Arbeitseinsätze nach Artikel 27 Absatz 2 geleistet wird.

Buchstabe b: Wenn die Nacht- oder Sonntagsarbeit – einschliesslich gesetzlicher Feiertage – jährlich aus demselben Grund notwendig sind, handelt es sich um dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit. Da der Betrieb in jedem Kalenderjahr Nacht oder Sonntagsarbeit benötigt, ist diese Nacht- oder Sonntagsarbeit nicht mehr zeitlich befristet. Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit kann insbesondere für Tätigkeiten notwendig sein, welche jährlich zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt werden müssen, welche sich aus einem mehrjährigen Vertrag ergeben, den der betroffene Betrieb abgeschlossen hat oder die im Rahmen eines Pikettdiensts geleistet werden (z. B. zur Behebung von technischen Pannen). Buchstabe b findet jedoch keine Anwendung für Einsätze, die unter Art. 27 Abs. 2 ArGV 1 fallen. Spezifische Veranstaltungen wie Museumsnächte oder sportliche Veranstaltungen verbleiben in der Bewilligungskompetenz der Kantone. In allen Fällen. die unter Bst. a und b fallen, kann der Betrieb, sofern er eine wirtschaftliche oder technische Unentbehrlichkeit nachweist, beim SECO eine Bewilligung für dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit einholen (vgl. Art. 28 ArGV 1).

 

Art. 41 Gesuch (Art. 49 ArG)

Art. 41 zählt die zu erfüllenden Bedingungen für die Einreichung eines Gesuchs für eine Arbeitszeitbewilligung seitens der Kantone und des Bundes auf. Dieser Artikel wurde ergänzt und regelt nun die Fristen für das Stellen eines solchen Gesuchs. Diese Fristen erlauben es der zuständigen Behörde, angemessen zu beurteilen, ob die Kriterien des dringenden Bedürfnisses (vgl. Art. 27 ArGV 1) oder der Unentbehrlichkeit (vgl. Art. 28 ArGV 1) erfüllt sind und gegebenenfalls vom Betrieb zusätzliche Informationen, insbesondere über die Planung der Arbeiten und die Beschäftigung von Arbeitnehmenden, einzuholen. Die Fristen der vorliegenden Bestimmung erleichtern die Ausübung des Beschwerderechts der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, wie es in Art. 58 ArG gewährt wird. Je früher die Gesuche von der zuständigen Behörde nämlich geprüft werden können, desto früher sind die betroffenen Verbände über ihren Entscheid darüber informiert. Zudem werden die Gesuche für dauernde und regelmässig wiederkehrende Nacht- und/oder Sonntagsarbeit im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert, was bei rechtzeitiger Gesuchseinreichung ebenfalls früher erfolgen kann. Es handelt sich hier um sogenannte Ordnungsfristen, dessen Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung in Art. 49 Abs. 2 ArG geregelt sind: «Kann in dringlichen Fällen das Gesuch für eine Arbeitszeitbewilligung nicht rechtzeitig gestellt werden, so hat der Arbeitgeber dies so rasch als möglich nachzuholen und die Verspätung zu begründen. In nicht voraussehbaren Fällen von geringfügiger Tragweite kann auf die nachträgliche Einreichung eines Gesuches verzichtet werden.»

1 Gesuche um Arbeitszeitbewilligungen sind einzureichen:

a. für vorübergehende Nacht- oder Sonntagsarbeit: bei der kantonalen Behörde, sobald die Planung der Arbeiten bekannt ist, jedoch spätestens eine Woche vor dem geplanten Arbeitsbeginn; Artikel 49 Absatz 2 des Gesetzes bleibt vorbehalten;

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber sein Gesuch stellen, sobald die Planung der Sonntags- oder Nachtarbeit bekannt ist. Beispielsweise sind Einsätze auf einer Strassenbaustelle bereits länger im Voraus bekannt. Zudem kann die Prüfung der Gesetzeskonformität der Schichtpläne komplex sein und erfordert somit einen gewissen Prüfungszeitraum für die Behörden. In jedem Fall muss das Gesuch in der Regel spätestens eine Woche vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn bei der kantonalen Behörde eingereicht werden. Da die Kompetenz hier bei den kantonalen Arbeitsinspektoraten liegt, sind davon abweichende kantonale Regeln möglich.

b. für dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit: beim SECO spätestens acht Wochen vor dem geplanten Arbeitsbeginn.

Ein Gesuch für eine Arbeitszeitbewilligung ist beim SECO mindestens acht Wochen vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn einzureichen.

2 Die Gesuche sind schriftlich einzureichen und hinreichend zu begründen. Sie müssen folgende Angaben enthalten:

a. die Bezeichnung des Betriebes oder der Betriebsteile, für welche um die Bewilligung nachgesucht wird;

b. die Zahl der beteiligten erwachsenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und, im Fall eines Gesuchs um eine Arbeitszeitbewilligung für die Beschäftigung von Jugendlichen, die Zahl der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die das 18. Altersjahr noch nicht vollendet haben;

c. den vorgesehenen Stundenplan, einschliesslich der Ruhezeit und Pausen sowie der Schichtwechsel und allfälliger Abweichungen; für die Nachtarbeit, für die drei- und mehrschichtige Arbeit sowie für den ununterbrochenen Betrieb kann auf grafische Darstellungen von Stunden- und Schichtenplänen verwiesen werden;

d. die beantragte Dauer der Bewilligung;

e. die Bestätigung, dass das Einverständnis des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin eingeholt worden ist;

f. die Bestätigung, dass eine medizinische Untersuchung hinsichtlich der Eignung des betroffenen Arbeitnehmers oder der betroffenen Arbeitnehmerin durchgeführt worden ist oder noch durchgeführt werden wird, wenn die Untersuchung von Gesetz oder Verordnung vorgesehen ist;

g. den Nachweis des dringenden Bedürfnisses oder der Unentbehrlichkeit und, im Fall eines Gesuchs um eine Arbeitszeitbewilligung für die Beschäftigung von Jugendlichen, den Nachweis, dass die Voraussetzungen nach den Artikeln 12 Absatz 1 und 13 Absatz 1 der Jugendarbeitsschutzverordnung vom 28. September 20072 erfüllt sind;

h. die Zustimmung Dritter, wenn von Gesetz oder Verordnung vorgesehen.

Der Absatz wird präzisiert, indem festgehalten wird, dass die Gesuche hinreichend zu begründen sind, was bereits aktuell gefordert wird.

 

Anhang zur ArGV 1

Sodann wurde der Anhang zur ArGV 1 geändert. Die Vermutung der Unentbehrlichkeit von dauernde oder regelmässig wiederkehrender Nacht- oder Sonntagsarbeit gilt für die im Anhang aufgeführten Arbeitsverfahren sowie für die untrennbar damit verbundenen Arbeitsverfahren, wie insbesondere Vorbereitungsarbeiten, Qualitätskontrollen, Logistik usw. Die im Anhang aufgeführten Arbeitsverfahren werden auch dann als unentbehrlich vermutet, wenn die Nacht- oder Sonntagsarbeit als ununterbrochener (oder zusammengesetzter ununterbrochener) Betrieb organisiert ist. Diese Form der Arbeitsorganisation wird im Einleitungsteil zum Anhang explizit hinzugefügt.

 

Weitere Beiträge zum Arbeitsgesetz:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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