Neben den Ferien und dem Jugendurlaub sieht das Obligationenrecht eine ganze Reihe von verschiedenen Urlauben vor. Die einen waren politisch umstritten, während die anderen ohne Aufsehen eingeführt wurden. Am 1. Januar 2023 treten zudem die Bestimmungen zum Adoptionsurlaub in Kraft. Noch nicht geplant für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse ist ein Menstruationsurlaub, wie ihn etwa Spanien einführen will und wie er in Japan bereits existiert.

 

Mutterschaftsurlaub

Nach der Niederkunft haben Arbeitnehmerinnen Anspruch auf 14 Wochen Mutterschaftsurlaub (Art. 329f OR). Die Entschädigung ist im EOG geregelt. Angestellte und selbstständig erwerbende Frauen haben Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung: Die Arbeitnehmerin muss während der 9 Monate unmittelbar vor der Niederkunft obligatorisch AHV-versichert sein. Die in einem EU- oder EFTA-Staat zurückgelegten Versicherungszeiten werden dabei uneingeschränkt berücksichtigt. Von diesen 9 Monaten muss die Frau mindestens 5 Monate erwerbstätig gewesen sein, unabhängig von der Höhe des Arbeitspensums. Zum Zeitpunkt der Geburt muss die Arbeitnehmerin in einem gültigen Arbeitsverhältnis stehen, als Selbstständigerwerbende gelten oder im Betrieb bzw. auf dem Bauernhof des Ehemannes für einen Lohn mitarbeiten. Nicht nötig ist dagegen, dass die Erwerbstätigkeit nach dem Mutterschaftsurlaub wieder aufgenommen wird.

Die Höhe der Entschädigung beträgt 80% des Erwerbseinkommens, das durchschnittlich vor der Niederkunft erzielt wurde. Die Entschädigung wird in Form eines AHV-pflichtigen Taggelds ausbezahlt, wobei das maximale Taggeld von Selbstständigerwerbenden bei CHF 196 pro Tag bzw. CHF 5880 pro Monat liegt. Das maximale Taggeld wird bei einem Monatseinkommen von CHF 7350 (Jahreseinkommen von CHF 88 200) erreicht. Arbeitgeber können freiwillig oder vertraglich über diese Leistungen hinausgehen.

Bei einer Hospitalisierung des Neugeborenen verlängert sich der Mutterschaftsurlaub um die verlängerte Dauer der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung (Art. 329f Abs. 2 OR). Diese kann bis maximal 56 Tage verlängert werden. Die Mutter muss nachweisen, dass sie zum Zeitpunkt der Niederkunft bereits beschlossen hatte, nach Ende des Mutterschaftsurlaubs wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, denn es soll ein Erwerbsausfall entschädigt werden (siehe hierzu den Beitrag zur Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs).

 

Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter?

Wenn die Mutter kurz nach der Geburt des Kindes stirbt, gibt es derzeit keinen spezifischen Urlaub zur Betreuung des Neugeborenen. Nach einem solchen Schicksalsschlag sind die Kinder aber besonders schutzbedürftig und das Interesse des Neugeborenen muss in dieser Situation Vorrang haben. Für den Bundesrat besteht Handlungsbedarf. Er schlägt vor, dem überlebenden Elternteil einen Urlaub zu gewähren. Im Falle des Todes der Mutter kurz nach der Geburt des Kindes soll der überlebende Vater Anspruch auf 14 Urlaubswochen erhalten, die er ab dem Folgetag des Todes der Mutter am Stück beziehen muss. Die Vorlage muss nun vom Parlament behandelt werden (siehe den entsprechenden Beitrag).

Beim Betreuungsurlaub gilt eine jährliche Urlaubsobergrenze von zehn Tagen.

 

Vaterschaftsurlaub

Am 27. September 2020 hat die Schweiz im Rahmen eines Referendums über die Einführung einer Vaterschaftsentschädigung sowie eines Vaterschaftsurlaubs abgestimmt und der Einführung des Vaterschaftsurlaubs zugestimmt. Dieser ist nun in Art. 329g OR geregelt.

Damit ein Arbeitnehmer in den Genuss des Vaterschaftsurlaubs gemäss Obligationenrecht kommt, muss er nachweisen, dass er zum Zeitpunkt der Geburt der rechtliche Vater des Kindes ist, sei es kraft der Ehe oder durch eine Vaterschaftsanerkennung.

Gemäss der gesetzlichen Regelung hat ein Arbeitnehmer, der Vater eines Kindes wird, das Recht, einen Vaterschaftsurlaub von 2 Wochen (10 Arbeitstage bei einem 100%-Pensum) zu beziehen. Bezieht er diesen Urlaub nicht innerhalb von 6 Monaten (auch weil die Vaterschaft noch nicht feststeht), so verfällt der Anspruch. Siehe zum Ganzen den Beitrag zum Vaterschaftsurlaub.

 

Betreuungsurlaub

Neu wurde per 1. Januar 2021 eine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers für kurzzeitige Abwesenheiten von maximal 3 Tagen für die Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung eingeführt.

Um eine zu hohe Anzahl Urlaubsfälle zu verhindern, wurde ausserdem eine jährliche Obergrenze von 10 Tagen eingeführt: Eine Person kann sich demnach zum Beispiel um ein krankes Kind, den Vater, den Bruder oder ein anderes krankes Kind kümmern, sofern die anderen Voraussetzungen erfüllt sind und alle Abwesenheiten zusammen nicht mehr als 10 Tage ergeben. Ausschlaggebendes Jahr ist jeweils das Dienstjahr.

Zudem wurde per 1. Juli 2021 ein Betreuungsurlaub eingeführt, für den Fall, dass ein Kind des Arbeitnehmers wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist. Der Urlaub ist auf 14 Wochen beschränkt und daran gekoppelt, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung nach den Artikeln 16i–16m EOG hat. Anknüpfungspunkt für das Eltern-Kind-Verhältnis bildet dabei das Kindesverhältnis nach Art. 252 ZGB. Ein Kind gilt als gesundheitlich schwer beeinträchtigt, wenn: a. eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist; b. der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist; c. ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht; und d. mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss. Siehe hierzu den Beitrag zum Betreuungsurlaub.

 

Adoptionsurlaub

Per 1. Januar 2023 wird zudem ein Adoptionsurlaub eingeführt. Nach der neuen Regelung haben erwerbstätige Eltern, die ein Kind unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen, Anspruch auf einen zweiwöchigen Adoptionsurlaub, sofern die Voraussetzungen für die Adoptionsentschädigung gemäss EOG gegeben sind. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Adoptionsentschädigung sind die gleichen wie für die Mutter- und Vaterschaftsentschädigung: Personen, die einen Anspruch geltend machen, müssen zum Zeitpunkt, in dem sie das Kind aufnehmen, arbeitnehmend oder selbstständigerwerbend sein; sie müssen in den letzten neun Monaten vor Aufnahme des Kindes bei der AHV versichert gewesen sein und in dieser Zeit während mindestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Bei einer gemeinschaftlichen Adoption sind die vorstehenden Voraussetzungen von beiden Adoptierenden zu erfüllen.

Die Adoptiveltern können bei einer gemeinschaftlichen Adoption wählen, wer von ihnen den Adoptionsurlaub in Anspruch nimmt, können diesen allerdings nur einmal beziehen. Sie können den Urlaub auch untereinander aufteilen, ihn aber nicht gleichzeitig beziehen. Der 14-tägige Adoptionsurlaub muss innerhalb des ersten Jahres nach der Aufnahme des Kindes entweder tage- oder wochenweise bezogen werden. Bei der Stiefkindadoption besteht kein Anspruch auf die Adoptionsentschädigung und den entsprechenden Adoptionsurlaub. Siehe herzu den Beitrag zum Adoptionsurlaub.

 

Menstruationsurlaub

Es würde dem Zeitgeist entsprechen, einen Menstruationsurlaub auf für die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse einzuführen.

Spanien will den Menstruationsurlaub einführen (ebenso die Stadt Zürich für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse), in Japan gibt es ihn schon. In der Schweiz wird (noch) darüber diskutiert. Ein Menstruationsurlaub soll Frauen ermöglichen, bei starken Regelschmerzen zu Hause zu bleiben. Andere Lösungsansätze zielen darauf hin, Frauen jeden Monat zwischen drei und fünf zusätzliche freie Tage zu geben.

Im Ausland sind sodann arbeitsvertragliche Regelungen von Arbeitgebenden bekannt, die für Arbeitnehmerinnen einen Menstruationsurlaub vorsehen, was ihnen bei Bewerbenden einen Wettbewerbsvorteil verschaffen soll. Das Schweizer Recht sieht keinen Menstruationsurlaub vor. Arbeitnehmerinnen, die aufgrund von Menstruationsbeschwerden arbeitsunfähig sind, sind wie bei einer Krankheit nicht zur Arbeit verpflichtet und erhalten ihren Lohn für eine beschränkte Zeit. Das aktuelle System hat für betroffene Arbeitnehmerinnen aber gewisse Schwächen. Grundsätzlich ist eine Arbeitnehmerin, die sich auf eine Arbeitsunfähigkeit berufen will, ab dem ersten Moment der Arbeitsunfähigkeit beweispflichtig. Der Arbeitgebende könnte die Arbeitsunfähigkeit jeweils in Frage stellen und sofort ein Arztzeugnis verlangen. Das wiederum könnte für die betroffene Arbeitnehmerin zu einer (zu) grossen Belastung führen. Zudem ist die Dauer der Lohnzahlungspflicht pro Dienstjahr beschränkt. Für alle Arbeitsunfähigkeiten zusammen beträgt diese im ersten Dienstjahr drei Wochen, in den weiteren Dienstjahren eine angemessene längere Dauer (Stichwort Zürcher, Berner und Basler Skala). Eine Abwesenheit aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit wird jedoch nur entschädigt, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate dauerte oder für über drei Monate eingegangen wurde. In Abwesenheit einer Versicherungs- oder grosszügigeren vertraglichen Lösung ist also nicht garantiert, ob die menstruationsbedingte Abwesenheit tatsächlich entschädigt wird.

In letzter Zeit wurde das Obligationenrecht bereits um verschiedene Urlaube ergänzt. So wurden der Vaterschaftsurlaub und der Betreuungsurlaub eingeführt. Sodann wurden die Bestimmungen zum Mutterschaftsurlaub erweitert. Neu wird zudem ein Adoptionsurlaub eingeführt. Somit würde es dem Zeitgeist entsprechen, auch einen speziellen Menstruationsurlaub einzuführen. Obgleich das für die Betroffenen durchaus entlastend sein kann, wäre dessen Ausgestaltung sorgfältig zu redigieren, sodass sich der Menstruationsurlaub am Schluss nicht zum Nachteil weiblicher Stellenbewerberinnen auswirkt oder zu einer Stigmatisierung von Arbeitnehmerinnen führt.

 

Weitere Beiträge zum Ferienrecht (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.

 

Umfassende Informationen zum Gleichstellungsgesetz finden sie hier.