Für die Bestimmungen des Empfanges einer Kündigung ist entweder darauf abzustellen, wann eine Partei diese tatsächlich empfangen oder anderweitig zu Kenntnis genommen hat, oder aber, wann sie hätte von der Kündigung Kenntnis erlangen können (sofern dies früher ist).

Es wird davon ausgegangen, dass die gekündigte Partei des Arbeitsvertrages von einer Kündigung Kenntnis erlangen könnte, wenn diese in den Machtbereich der gekündigten Partei gelangt ist und wenn man unter normalen Umständen davon ausgehen könnte, dass der Gekündigte davon Kenntnis erlangt.

Das Arbeitsgericht Zürich hatte den Fall zu beurteilen, wann ein Arbeitnehmer von einer Arbeitgeberkündigung Kenntnis erlangte, die während der Flitterwochen per E-Mail zugestellt worden war. Für alle involvierte war klar, dass keine Sperrfristentatbestände (Art. 336c OR) anwendbar waren.

 

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich 2021 Nr. 9 (AH200113 Urteil vom 9. Juni 2021)

Die Arbeitnehmerin war vom 10. September 2019 bis am 6. Oktober 2019 auf ihrer Hochzeitsreise. Am 25. September 2019 sandte die Arbeitgeberin an die private E-Mail Adresse der Arbeitnehmerin die Kündigung des Arbeitsvertrages per 31. Oktober 20219. Nachweislich hatte die Arbeitnehmerin die Kündigung am 6. Oktober 2019 zur Kenntnis genommen.

Es stellte sich die Frage, ob nach Treu und Glauben habe davon ausgegangen werden dürfen, die Kündigung hätte bereits vorher zur Kenntnis genommen werden können.

Das Arbeitsgericht verneinte dies. Es sei betreffend die ständige Erreichbarkeit während der Ferien sei grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Sodann sei keine Erreichbarkeit vereinbart gewesen, die Arbeitnehmerin habe keine Kaderfunktion innegehabt und sei auch nicht mit den entsprechenden Geräten ausgestattet gewesen. Es habe daher nicht erwartet werden können, dass die Arbeitnehmerin während ihren Flitterwochen regelmässig das private E-Mail Postfach prüfe. Daran würden auch die konkreten Umstände im vorliegenden Fall, wie etwa das Verdanken von Geburtstagswünschen während den Flitterwochen nichts ändern (Ferner kann sich die Beklagte auch aus ihrem Vorbringen, die Klägerin 1 habe am [Datum Mitte September] 2019 von der Beklagten an ihre private E-Mail-Adresse gesendete Glückwünsche zum Geburtstag verdankt, nichts zu ihren Gunsten ableiten. So erscheint es einerseits naheliegend, dass die Klägerin 1 speziell an ihrem Geburtstag ihr elektronisches Postfach überprüft. Andererseits kann aus einer einmaligen Rückmeldung per E-Mail während eines mehrwöchigen Ferienaufenthaltes nicht auf durchgehende Regelmässigkeit geschlossen werden.).

 

Somit erkannte das Arbeitsgericht Zürich:

Zur Kenntnis genommen wurde die per E-Mail übermittelte Kündigung von der Klägerin 1 am 6. Oktober 2019. Die Kündigung gilt an diesem Tag als zugestellt, womit sie ab dem 6. Oktober 2019 ihre Wirkung entfaltete.

Gemäss dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag stand jeder Partei das Recht zu, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende eines jeden Monats aufzulösen. Demnach endete das Arbeitsverhältnis infolge der am 6. Oktober zugegangenen Kündigung am 30. November 2019. Die Klägerin 1 hat der Beklagten mit E-Mail vom 6. Oktober 2019 kommuniziert, dass ihrer Ansicht nach das Arbeitsverhältnis noch bis zum 30. November 2019 dauere und ihre Arbeitskraft trotz Freistellungserklärung seitens der Beklagten ge-hörig angeboten. Die Lohnzahlungspflicht der Beklagten bestand demzufolge bis zum 30. November 2019.

 

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Autor: Nicolas Facincani 

 

 

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