Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Der Zweck des Arbeitszeugnisses besteht einerseits darin, das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu fördern. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben.

 

Inhalt des Zeugnisses

Das Arbeitszeugnis hat vollständig zu sein, es muss sich über sowie über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers äussern. Das Vollzeugnis muss mindestens die Personalien des Arbeitnehmers, die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, die notwendigen Angaben zum Arbeitgeber und eine rechtsgültige Unterschrift samt Ausstellungsdatum, den Beginn und das Ende des Arbeitsverhältnisses, eine detaillierte Auflistung der wichtigen Funktionen sowie der das Arbeitsverhältnis prägenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers und eine aussagekräftige Bewertung der Leistung (Arbeitsqualität und -quantität) des Arbeitnehmers und seines Verhaltens enthalten. Der Leistungsbeurteilung ist im Rahmen der Bewertung von Arbeitsmenge, Arbeitsgüte und Arbeitsbereitschaft ein objektiver Massstab zu Grunde zu legen. Wie vom Arbeitsgericht Zürich in konstanter Praxis festgehalten (etwa auch im Urteil AH180112), ist es zudem verkehrsüblich, dass sich das Zeugnis neben der Beurteilung einzelner Aspekte auch über eine Gesamtbeurteilung ausspricht (z.B. Aufgabenerledigung „zur vollen Zufriedenheit“ oder „qualitativ und quantitativ gute Leistungen“).

Bei der Beschreibung der Tätigkeiten ist auf die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit und nicht die vertraglich vereinbarte Tätigkeit abzustellen. Insgesamt soll einem Dritten ermöglich werden, sich insgesamt ein zutreffendes Bild vom Arbeitnehmer zu machen. Die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens beinhaltet naturgemäss Werturteile. Hier hat der Arbeitgeber nach verkehrsüblichen Massstäben und pflichtgemässem Ermessen vorzugehen.

Das Zeugnis hat formell und materiell dem Verkehrsüblichen zu entsprechen. Materiell bedeutet Verkehrsüblichkeit, dass das Zeugnis nach der Verkehrsanschauung vollständig zu sein, d.h. insbesondere keine vielsagenden Auslassungen zu enthalten hat. Aus den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit des Arbeitszeugnisses folgt, dass es über alle in Art. 330a Abs. 1 OR erwähnten Punkte Auskunft geben muss. Das Wohlwollen findet seine Grenzen an der Wahrheitspflicht (Urteil AH180112 des Arbeitsgerichts Zürich vom 25. Oktober 2018, E. 1).

 

Gründe des Ausscheidens

Zur Frage, ob der Grund des Ausscheidens im Arbeitszeugnis zu erwähnen ist, äussert sich die juristische Literatur etwa wie folgt (Etter, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Bern 2021, Art. 330a N 209): Die Erwähnung des Beendigungsgrundes ist grundsätzlich nicht notwendig, muss aber auf Wunsch des Arbeitnehmers aufgeführt werden (z.B. Kündigung durch Arbeitnehmer [«verlässt uns auf eigenen Wunsch»], ordentliche Auflösung nach Ablauf der Befristung). Auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ist der Beendigungsgrund (insbesondere Kündigung der Arbeitgeberin) zu erwähnen, wenn dieser zur Würdigung des Gesamtbilds des Arbeitnehmers notwendig ist und bei einer Weglassung das Zeugnis unwahr und unvollständig wäre. Vom Beendigungsgrund zu unterscheiden ist der Beweggrund, welcher für die Kündigung den Ausschlag gab. Darunter fallen beispielsweise die nicht erfüllten Ansprüche bezüglich Leistung, Pflichtverletzungen, aber auch eine Entlassungen wegen Sparmassnahmen. Ausschlaggebend für die Nennung bzw. Nichtnennung des Beweggrundes sind die gleichen Kriterien wie beim Beendigungsgrund.

 

Entscheid des Arbeitsgericht Zürich 2020 Nr. 9

Das Arbeitsgericht Zürich hatte eine Zeugnis zu beurteilen, wo in den Schlussformeln des Arbeitszeugnisses der Arbeitnehmerin (bzw. der Klägerin) (diese hatte gekündigt) sich der Satz befand: „Frau A. verlässt uns auf eigenen Wunsch zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen, um die Fortbildungstätigkeiten unserer Stiftung bei einem neuen Arbeitgeber einzubringen.“

Die Klägerin forderte vor Arbeitsgericht, dass der Satz ab „zusammen …“ aus dem Zeugnis gestrichen werde.

 

Standpunkte der Parteien

Die Klägerin machte geltend, die Beklagte versuche, der Klägerin ungerechtfertigt Steine in den Weg zu legen, suggeriere doch der beanstandete Satz, dass sich die Klägerin mit ihrer Kündigung unrechtmässig verhalten haben soll. Die Klägerin habe kein Konkurrenzverbot gehabt, und es gelte der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Die Klägerin habe keine Treuepflichtverletzungen begangen, und selbst wenn man solche noch be jahen würde, gehörten sie nicht in die Nennung des Kündigungsmotives bei einer Kündigung einer Arbeitnehmerin. Das sei nicht zulässig. Der Satz sei zu entfernen.

Die Beklagte hielt demgegenüber am beanstandeten Satz fest. Das Team „Education Center“ der Beklagten habe aus Dr. B. sowie den drei Kolleginnen, C., D. und der Klägerin, bestanden. Diese drei Kolleginnen seien bereits über 10 Jahre, teils sogar 18 Jahre, für die Beklagte tätig gewesen und hätten dort ein reichhaltiges und international beachtetes Fortbildungsprogramm aufgebaut. Ende November 2017 habe dieses Team überraschend gekündigt. Die Beklagte habe festgestellt, dass das E. unter Prof. F. ebenfalls ein neues Fortbildungsprogramm aufgesetzt und quasi identische Fortbildungen ins Programm aufgenommen habe. Nachdem intern festgestellt worden war, dass aus dem „Education Team“ Unterlagen per E-Mail weitergeschickt worden seien, und zwar an die persönlichen Mitarbeiter von Prof. F., seien D. und auch die Klägerin am Datum ihres Austritts verwarnt worden.

Es sei mit zahlreichen Unterlagen belegt worden, dass das „Education Team“, zu dem die Klägerin gehöre, Anweisungen von Prof. F. entgegengenommen und bereits Personen auf Einladungen und Briefen ausgetauscht habe, die für das Executive Committee des P.-Ausbildungsganges verschickt worden seien. Die Beklagte habe das allerdings noch korrigieren können. Nachdem die Beklagte von diesem E-Mail-Verkehr zwischen dem „Education Team“ und Prof. F. intern Kenntnis erlangt habe, seien die Mitarbeiterinnen des „Education Teams“ nochmals verwarnt worden. Man sei daher auch der Auffassung gewesen, dass die beanstandete Zeugnispassage den Tatsachen entspreche.

Es bestehe auch keine Bereitschaft zu deren Streichung. Wohlwollen sei zwar Maxime der Ermessensbetätigung, bedeute aber nicht, dass nicht auch für den Arbeitnehmer ungünstige Tatsachen und Beurteilungen im Zeugnis Erwähnung finden dürften.

Selbst wenn die Klägerin sich naiv als Teil der offensichtlichen unlauteren Übernahme eines gesamten Fortbildungsprogrammes als Team Education habe instrumentieren lassen, entspreche die wertfreie Benennung dieses Faktums der Wahrheit. Für die Beklagte als Arbeitgeberin habe es sich in der Gesamtbeurteilung der Klägerin nicht um einen isolierten zurückliegenden Vorfall oder eine unwichtige Kleinigkeit gehandelt, sondern um einen Kernbereich ihrer Tätigkeit, welcher durch die ausgehebelten Treuepflichten des Team Education bedroht gewesen und letztlich massiv geschädigt worden sei und damit die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin in dieser Hinsicht auch nachhaltig beeinflusst habe. Die gewählte sachliche und wertneutrale Formulierung spiegle diesen Umstand angemessen wider. Die gewählte Formulierung sei wertfrei. Sie entspreche dem Sachverhalt. Das „Education Team“ habe vom einen zum nächsten Arbeitgeber gewechselt. Mehr stehe in der Formulierung nicht drin. Die Beklagte sei daher in keiner Weise bereit, diese Formulierung, die den Tatsachen entspreche, aus dem Zeugnis zu streichen.

 

Beurteilung durch das Arbeitsgericht Zürich

Über die Umstände des Austritts, insbesondere die Kündigungshintergründe oder wer die Kündigung aussprach, darf gemäss Arbeitsgericht Zürich das Zeugnis gegen den Willen der Arbeitnehmerin nichts enthalten, ausser wenn ohne einen solchen Hinweis ein unwahres Zeugnis entstünde, also beispielsweise ein schwerwiegender Mangel der Arbeitnehmerin unterschlagen würde und so ein täuschender Gesamteindruck entstünde. Dabei verwies das Arbeitsgericht auf verschiedene Lehrmeinungen.

Die Beklagte habe sodann nichts vorgebracht, was vor dem Hintergrund dieser Grundsätze den beanstandeten Teilsatz rechtfertigen würde. Im Gegenteil widerspreche der Teilsatz den genannten Grundsätzen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Satz nicht notwendig, um ein stimmiges Gesamtbild der Leistungen und des Verhaltens der Klägerin während des mehrjährigen Arbeitsverhältnisses zu zeichnen. Die Beklagte selber habe nicht behauptet, es sei die Klägerin gewesen, welche ihre beiden Kolleginnen abgeworben habe. Konkrete Treuepflichtverletzungen werfe die Beklagte der Klägerin ebenfalls nicht vor. Insbesondere habe auch die Beklagte einräumen müssen, dass die Klägerin mit weitergeleiteten Informationen im Zusammenhang mit P. nichts direkt zu tun gehabt habe. Ein Konkurrenzverbot habe die Klägerin nicht verletzt. Die Parteien hatten nämlich kein solches abgemacht. Alle diese angetönten Möglichkeiten, nämlich arbeitsrechtliche Treuepflichtverletzungen, Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, Verletzung eines Konkurrenzverbotes, könnten durch den beanstandeten Teilsatz angesprochen sein. Insofern sei die Ansicht der Beklagten falsch, dass die Formulierung „wertfrei“ sei.

Vor allem widerspreche die beanstandete Formulierung aber dem Grundsatz der Klarheit. Die Beklagte töne irgendeine Pflichtverletzung seitens der Klägerin an, sage aber nicht, was sie genau damit meine. Zum Gesamtbild über die Leistungen und das Verhalten der Klägerin könne eine solche Formulierung nichts beitragen. Offensichtlich habe die Formulierung mit dem Streit zwischen den Professoren G. [von der Beklagten] und F. [vom Konkurrenzprojekt] zu tun. Ins Arbeitszeugnis der Klägerin gehöre sie nicht.

Die Beklagte wurde daher verpflichtet, den beanstandeten Teilsatz aus dem Zeugnis zu entfernen.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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