Wenn die Kündigung durch eine Partei davon abhängt, dass die andere Partei sich weigert, einer Änderung der Arbeitsbedingungen zuzustimmen, liegt eine Änderungskündigung vor. Die Änderungskündigung im engeren Sinne zeichnet sich dadurch aus, dass eine Partei den Vertrag kündigt, ihre Erklärung aber mit dem Angebot verbindet, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Bei der Änderungskündigung im weiteren Sinne hingegen sind die beiden Rechtsakte nicht unmittelbar miteinander verknüpft; eine Partei wird gekündigt, weil sie eine Änderung der vertraglichen Verpflichtungen nicht akzeptiert hat (BGE 123 III 246 E. 3). Grundsätzlich ist eine Änderungskündigung nicht missbräuchlich, kann es aber unter bestimmten Umständen sein (BGE 123 III 246 E. 3b und E. 4a).

Eine Änderungskündigung ist insbesondere in den folgenden Fällen missbräuchlich:

Wenn der Arbeitgeber Änderungen vorgeschlagen hat, die vor Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft treten sollen, wenn er die Kündigung als Druckmittel benutzt, um dem Arbeitnehmer eine ungerechtfertigte Änderung aufzuzwingen – z. B. ungünstigere Vertragsklauseln ohne wirtschaftliche Gründe, die mit dem Betrieb des Unternehmens oder den Marktbedingungen zusammenhängen -, oder wenn er die Kündigung als Druckmittel benutzt, um dem Arbeitnehmer eine ungerechtfertigte Änderung aufzuzwingen, wenn die Kündigung ausgesprochen wird, weil der Arbeitnehmer sich weigert, einen neuen Vertrag abzuschliessen, der gegen das Gesetz, den Tarifvertrag oder den anwendbaren Standardvertrag verstösst, oder wenn der Arbeitgeber die Verletzung seiner vertraglichen Schutzpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer ausnutzt, um diesem eine sehr ungünstige Änderung der Arbeitsbedingungen vorzuschlagen (BGE 125 III 70 Erw. 2a; 123 III 246 E. 3b und 4a; Urteile 4A_166/2018 vom 20. März 2019 E. 3.2 und 4A_194/2011 vom 5. Juli 2011 E. 6.1).

 

BGer 4A_327/2023 vom 18. Januar 2024 – Sachverhalt

Im Entscheid BGer 4A_327/2023 vom 18. Januar 2024 hatte sich das Bundesgericht mit der Missbräuchlichkeit einer Kündigung zu befassen. Diesem Entscheid lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Am 23. Oktober 2018 fand eine Sitzung statt, an der die Arbeitnehmerin, und die Personalverantwortliche anwesend waren. An dieser Sitzung wurde eine Reduktion des Arbeitspensums der Arbeitnehmerin auf 80 % besprochen. Am selben Tag wurde der Arbeitnehmerin ein Schreiben mit dem Titel „Kündigung des Arbeitsvertrags unter Vorbehalt von Änderungen“ ausgehändigt. Laut diesem Schreiben wurde ihr Arbeitsvertrag ab dem 23. Januar 2019 gekündigt.

Darin wurde Folgendes festgehalten: „In der Anlage legen wir Ihnen einen Nachtrag zu Ihrem Arbeitsvertrag vor, der, wenn Sie ihn annehmen, ab dem Tag nach Ablauf Ihrer Kündigungsfrist, d. h. ab dem 24. Januar 2019, wirksam wird.“ Eine Frist für die Annahme dieser Zusatzvereinbarung war auf den 19. November 2018 festgesetzt. Gemäss dem Zusatzvertrag wurde das Arbeitspensum der Arbeitnehmerin auf 80 % reduziert und ihr monatlicher Bruttolohn entsprechend von 8’850 Fr. auf 7’080 Fr. gesenkt.

Die Frist für die Arbeitnehmerin, sich zu dieser Zusatzvereinbarung zu äußern, wurde bis zum 30. November 2018 verlängert. An diesem Tag teilte sie dem Unternehmen ihre Ablehnung mit und nahm ihre Kündigung zum 23. Januar 2019 zur Kenntnis; in demselben Schreiben und Erhob Einsprache gegen die Kündigung, die sie als missbräuchlich bezeichnete, und verlangte, dass ihr die „wahren Gründe“ schriftlich mitgeteilt werden.

 

Kantonale Vorinstanz

Das kantonale Gericht stellte fest (arrêt rendu le 4 mai 2023 par la Cour d’appel civile du Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel (CACIV.2023.14/lbb)), dass die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine Änderungskündigung aussprach, da sie ihren Arbeitsvertrag kündigte und ihr gleichzeitig anbot, einen neuen Vertrag mit einem geringeren Gehalt und einem niedrigeren Prozentsatz abzuschliessen.

Als Grund für die Kündigung stellte das kantonale Gericht fest, dass die Arbeitgeberin ein Interesse daran hatte, die Neuenburger Filiale zu reorganisieren, um auf die Beschwerden der Arbeitnehmerin über ihre Arbeitsüberlastung zu reagieren: Es handelte sich darum, die Stelle, die zu 100 % umfasste, durch zwei Stellen zu je 80 %, also insgesamt 160 %, zu ersetzen.

Das kantonale Gericht stellte sich die Frage, ob die Arbeitgeberin Druck auf die Arbeitnehmerin ausgeübt hatte, um ihr eine ungerechtfertigte Vertragsänderung aufzuzwingen, d.h. eine Änderung, die nicht auf wirtschaftlichen oder betrieblichen Gründen beruhte, oder ob sie einen Vorwand benutzt hatte, um der Arbeitnehmerin zu kündigen. Der Gerichtshof verneinte dies jedoch: Die Überlastung der Arbeitnehmerin war real, und die beabsichtigte Erhöhung der Arbeitskraft war geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Ob die Massnahme (Anstellung von zwei Personen mit einem Arbeitspensum von je 80%) die geeignetste war, konnte das kantonale Gericht nicht beurteilen, da dies eine Einmischung in die Geschäftsführung und die Unternehmensstrategie der Beschwerdegegnerin bedeuten würde. Im Übrigen bestehe kein grobes Missverhältnis der Interessen. Hinzu kam, dass die „Verdoppelung“ des Arbeitsplatzes der Arbeitnehmerin auch dazu diente, sich an die Arbeitsweise der Genfer Büros anzupassen und die Nachfolge im Hinblick auf die bevorstehende Pensionierung der Arbeitnehmerin vorzubereiten. Die Kündigung war daher nicht missbräuchlich, wenn man die genannten Gründe betrachtet.

Sie war auch nicht aufgrund der Art und Weise, in der sie zugestellt wurde, unzumutbar. Die Ankündigung erfolgte nicht auf brutale, böswillige, erniedrigende oder rücksichtslose Weise und vor allen ihren Kollegen. Die Arbeitgeberin hatte nicht die Absicht, der Arbeitnehmerin den Urlaub zu verderben, den sie kurz darauf antreten sollte, oder eine Antwort von ihr nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub zu erhalten.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Die Arbeitnehmerin sah die Willkür in der Art und Weise, wie das kantonale Gericht die Beweise gewürdigt bzw. die relevanten Tatsachen festgestellt hat. Erstens habe die Arbeitnehmerin nach eigenen Angaben nicht unter einer Arbeitsüberlastung gelitten. Die von ihr vorgebrachten Elemente sind jedoch ungeeignet, um die Sinnlosigkeit der gegenteiligen Beurteilung zu belegen, die fest auf übereinstimmenden Beweismitteln beruht.

Sie habe auch argumentiert, dass die Umwandlung ihres Arbeitsplatzes in zwei Teilzeitstellen (80 %) mit insgesamt 160 % nicht geeignet wäre, das Problem der Arbeitsbelastung zu verringern. Es sei eine reine Verschwendung, denn die Logik und der gesunde Menschenverstand würden das Gegenteil sagen.

Eine andere Frage wäre, ob die Arbeitgeberin nicht eher eine zweite Person zu 60 % hätte einstellen müssen, was die Stelle, die die Arbeitnehmerin zu 100 % besetzt hatte, intakt gelassen hätte. Es war gemäss Bundesgericht jedoch nicht Sache des Richters, ihr vorzuschreiben, welche der möglichen Massnahmen allein am Interesse der Arbeitnehmerin zu messen ist, was das kantonale Gericht sehr wohl erkannt habe.

Die anderen vom kantonalen Gericht herangezogenen Sachverhaltselemente seien nicht entscheidend. So zum Beispiel, wenn die kantonalen Richter festhalten würden, dass die fragliche Massnahme sinnvoll gewesen seien, um die Pensionierung der Angestellten zu beschleunigen. Oder wenn es um die Absicht der Arbeitgeberin gehe, die Niederlassung in Neuenburg nach dem gleichen Modell wie diejenige in Genf zu reorganisieren. Diese Erwägungen würden nur die Schlussfolgerung bestärken, zu der sie bereits gelangt sind, nämlich dass der Grund für die Änderungskündigung nicht missbräuchlich war.

Die kantonalen Richter würden darauf verzichten festzustellen, ob die Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin ihre Absicht mitgeteilt hatte, ihr Arbeitspensum zu reduzieren, wie diese behauptet hatte. Wie sie es ausdrückten, sei dieser Umstand jedoch nicht von Bedeutung.

In Bezug auf die Form der Entlassung würde die Beschwerdeführerin ebenfalls geltend machen, dass die Fakten, von denen sich das kantonale Gericht leiten liess, willkürlich festgelegt worden seien. Dem könne jedoch nicht gefolgt werden. Es stehe zwar fest, dass die Reduktion des Arbeitspensums der Arbeitnehmerin auf 80 % an der Sitzung vom 23. Oktober 2018 im Beisein der Mitarbeitenden der Neuenburger Niederlassung besprochen wurde. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin vor allen ihren Kolleginnen und Kollegen ausgesprochen wurde. Auch die Zeugenaussagen, auf welche sich die Arbeitnehmerin beziehen, deuten nicht in diese Richtung.

Das kantonale Gericht habe daher zu Recht entschieden, dass die Änderungskündigung nicht missbräuchlich gewesen sei.

 

Weitere Beiträge zur Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani / Jamin Wehrli

 

 

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