Im Urteil 8C_795/2020 vom 17. August 2021 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im Falle eines öffentlich-rechtlich Arbeitsverhältnisses ein Fall von Mobbing vorlag. Der Beschwerdeführer war als Lehrperson an der Kantonsschule St. Gallen angestellt und erhielt nach über 30 Dienstjahren die Kündigung ausgesprochen. Der Arbeitgeber stützte diese Entscheidung vorwiegend auf einen Abschlussbericht der Administrativuntersuchung des Bildungsdepartements des Kantons St. Gallen, welcher zum Schluss kam, dass der Beschwerdeführer seine Lehr- und Erziehungspflichten aufgrund eines zu hohen Anforderungsniveau nicht erfüllte. Der Beschwerdeführer hingegen warf dem Rektor der Kantonsschule Mobbing vor. Der Abschlussbericht kam diesbezüglich zum Schluss, dass der Rektor u.a. zwar seine allgemeine Fürsorgepflicht verletzt habe, Mobbing oder Bossing allerdings nicht vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer verlangte daraufhin gerichtlich neben der Feststellung der Missbräuchlichkeit der Kündigung die Verpflichtung des Kantons St. Gallen zur Leistung einer entsprechenden Entschädigung von sechs Monatslöhnen sowie Genugtuung von CHF 10’000.00 und Schadenersatz von CHF 90’532.50 aufgrund des Mobbings. Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Klage teilweise gut und verpflichtete den Kanton St. Gallen zur Leistung der geforderten Entschädigung aufgrund missbräuchlicher Kündigung. Der geltend gemachte Anspruch auf Genugtuung und Schadenersatz wies es jedoch ab. Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und verlangte die Zusprechung der geltend gemachten Genugtuung und Schadenersatz (Entscheid 8C_795/2020 des Bundesgerichts vom 17. August 2021, Sachverhalt A ff.).

 

Missbräuchliche Kündigung aufgrund der Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts

Art. 336 OR listet Gründe auf, welche zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führen können. Dabei ist wichtig, dass eine Kündigung nicht nur gestützt auf diese gesetzlich erwähnten (nicht abschliessenden) Fällen missbräuchlich sein kann. Vielmehr kann sich die Missbräuchlichkeit einer Kündigung auch aus der Art und Weise ergeben, wie eine Partei ihr Kündigungsrecht ausübt. Dieser Meinung war denn im vorliegend besprochenen Bundesgerichtsentscheid auch die Vorinstanz. So führte diese das Folgende aus:

«4.4.2 Die Kündigung habe sich im Wesentlichen auf den Schlussbericht der Administrativuntersuchung vom 3. April 2016 gestützt. Indem der ehemalige Rektor der Schule dessen Stellungnahme [jene des Beschwerdeführers] zum Schlussbericht nicht abgewartet habe, sei dessen Gehörsanspruch [jener des Beschwerdeführers] ausreichend schwer verletzt worden, um die Kündigung als missbräuchlich zu qualifizieren. Das Vorgehen erwecke den Eindruck, die Kündigung sei von Anfang an beschlossene Sache gewesen und dass in den Augen der Schulleitung im April 2014 unbesehen von der Stellungnahme des Beschwerdeführers aufgrund der dreimonatigen Kündigungsfrist jeweils auf Ende eines Semesters habe gehandelt werden müssen, um nicht erst auf Ende des Wintersemesters kündigen zu können. Die Kündigung sei daher infolge Verletzung des rechtlichen Gehörs missbräuchlich.»

Im vorliegenden Fall kam folglich noch die Tatsache hinzu, dass der Beschwerdeführer als Kantonsschullehrer in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis mit dem Kanton St. Gallen stand und damit die ausgesprochene Kündigung als Verwaltungsakt zu qualifizieren war, weshalb dem Beschwerdeführer vorgängig das rechtliche Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV hätte gewährt werden müssen. Ein solches Anhörungsrecht der gekündigten Partei gibt es im Rahmen der Kündigung eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht. Eine der Ausnahmen stellt diesbezüglich allerdings die Alterskündigung dar. Diesbezüglich hat das Bundesgericht aus der erhöhten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gestützt auf das Gebot der schonenden Rechtsausübung als Handlungspflicht für den Arbeitgeber u.a. abgeleitet, dass dieser die Arbeitnehmer rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung zu informieren und anzuhören hat (BGer 4A_384/2014 vom 12. November 2014).

Betreffend die Höhe der von der Vorinstanz zugesprochenen Entschädigung aufgrund der missbräuchlichen Kündigung gab das Bundesgericht die Ausführungen der Vorinstanz wider, ohne sich selbst dazu zu äussern:

«4.5 Die vermögensrechtlichen Folgen der missbräuchlichen Kündigung beurteilte die Vorinstanz auf der Grundlage von Art. 336a OR in Verbindung mit Art. 25 Abs. 3 PersG. Die Entschädigung in der maximal zulässigen Höhe von sechs Bruttolöhnen […] begründete sie mit der langen Anstellungsdauer mit besonderer Nähe des Beschwerdeführers zum Arbeitgeber. Zudem berücksichtigte sie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit knapp 60 Jahren kurz vor seiner ordentlichen Pensionierung gestanden sei. Die monetäre Motivation der zu frühen Kündigung, nicht nochmals sechs Monatslöhne bezahlen zu müssen, führte die Vorinstanz als zusätzlichen Grund für die zugesprochene Maximalhöhe der Entschädigung an. […] (E. 4.3 des Urteils der Vorinstanz).»

 

Verneinung des Vorliegens von Mobbing trotz Bejahung einer Persönlichkeitsverletzung

Der Begriff des Mobbings ist im schweizerischen Arbeitsrecht nicht definiert. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird Mobbing (psychologische Belästigung) definiert als eine Reihe von feindlichen Kommentaren und/oder Handlungen, die in der Regel über einen ziemlich langen Zeitraum wiederholt werden und bei denen eine oder mehrere Personen versuchen, eine Person am Arbeitsplatz zu isolieren, zu marginalisieren oder sogar auszuschließen. Das Opfer wird dabei in eine Situation gebracht, in der jede einzelne Handlung für sich alleine noch als erträglich angesehen werden könne, während dem die Gesamtheit der Handlungen zu einer eine Destabilisierung der Persönlichkeit führen, die bis zur professionellen Eliminierung der betroffenen Person vorangetrieben wird. Gemäss dem Bundesgericht ist Mobbing demnach ein systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll (vgl. Urteil 4A_652/2018 des Bundesgerichts vom 21. Mai 2019).

Auch im vorliegenden Fall war vor Bundesgericht strittig, ob das Verhalten des Rektors gegenüber dem Beschwerdeführer als Mobbing zu qualifizieren ist. Die Vorinstanz hatte das Vorliegen einer Mobbingsituation und daher auch einen Anspruch auf Schadensatz von CHF 90’532.50 und Genugtuung in Höhe von CHF 10’000.00 verneint (E. 4.3). Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass der Rektor der Kantonsschule durch die nachfolgend aufgeführten Handlungen bzw. Unterlassungen zwar seine Pflichten gegenüber dem Beschwerdeführer verletzt habe, diese Vorfälle allerdings nicht als Mobbing zu qualifizieren seien:

« 4.3 So habe er [der Rektor] ein Vorstandsmitglied der Elternvereinigung und Mutter eines zukünftigen Schülers mit E-Mail über das geplante Vorgehen der Schulleitung in Bezug auf den Beschwerdeführer informiert und insbesondere die mögliche Einleitung eines Entlassungsverfahrens erwähnt, sodass sich der Rektor wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses strafrechtlich schuldig gemacht habe. Anlässlich der Administrativuntersuchung sei überdies der Umgang der Schulleitung mit Wandschmierereien („Fuck A. [der Beschwerdeführer] ________“) vor einem Konzert des Orchesters der Kantonsschule im Jahr 2008 als persönlichkeitsverletzend eingestuft worden. Diese seien nicht rechtzeitig abgedeckt und entfernt und es sei überdies auf die Ermittlung der Täterschaft verzichtet worden. Auch die ETH-Heftanalyse und Befragung sämtlicher betroffener Schüler nach über 22 Jahren Lehrtätigkeit sei als geeignet anzusehen, den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit als Lehrperson herabzuwürdigen und ihn u.a. gegenüber den Klassen in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Schliesslich habe die Führung des Personaldossiers des Beschwerdeführers und die Verweigerung der Akteneinsicht in verschiedener Hinsicht gegen das Datenschutzgesetz verstossen.»

Zwar ging die Vorinstanz davon aus, dass diese Einzelhandlungen persönlichkeitsverletzend waren. Für die Bejahung von Mobbing reichten die genannten Vorfälle allerdings gemäss Vorinstanz nicht aus (E. 3.5). Interessant ist, dass die Vorinstanz bei der Begründung der Verneinung einer Mobbing-Situation Bezug auf den zeitlichen Aspekt des angeblichen Mobbings nahm und festhielt, dass «diese sporadischen Vorfälle […] nicht als Mobbing zu qualifizieren [seien].» (E. 4.3). Damit verneinte die Vorinstanz das Vorliegen einer Mobbing-Situation implizit gestützt darauf, dass es an der Systematik des Verhaltens, welche für das Mobbing definitionsgemäss vorliegen muss, fehlte (vgl. obige Ausführungen).

Das Bundesgericht schützte die Ausführungen der Vorinstanz indem es festhielt, dass diese den Begriff des Mobbings in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausgelegt habe und das Urteil bezüglich des verneinten Mobbings aufgrund der festgestellten fehlenden Intensität und Dauer der Handlungen keiner Korrektur durch das Bundesgericht bedürfe (E. 5.3.2). Demnach schützte das Bundesgericht insbesondere auch die Feststellung der Vorinstanz, dass eine Verletzung der Persönlichkeit eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nicht zwingend als Mobbing im rechtlichen Sinne zu qualifizieren ist.

 

Verhältnis zwischen der Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung und Schadenersatz bzw. Genugtuung

Der Beschwerdeführer machte vor Bundesgericht den Anspruch auf Genugtuung und Schadenersatz aufgrund des Mobbings bzw. aufgrund seiner zwischenzeitlichen Arbeitsunfähigkeit sowie der durch das angestrengte Verfahren entstandenen Anwaltskosten geltend. Dies, nachdem er von der Vorinstanz eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen aufgrund der missbräuchlichen Kündigung erhalten hatte.

Der Schadenersatzanspruch setzt das Vorliegen eines Schadens, eines adäquaten und natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Schaden, die Widerrechtlichkeit der Schädigung sowie ein Verschulden des Schädigers voraus (Art. 41 OR). Der Anspruch auf Schadenersatz wurde von der Vorinstanz insbesondere unter Verweis auf die fehlende Kausalität zwischen den Handlungen bzw. Unterlassungen des Rektors und der Arbeitsunfähigkeit bzw. der (Höhe der) Anwaltskosten verneint:

«4.3 Die persönlichkeitsverletzenden Einzelhandlungen stünden in keinem adäquat kausalen Verhältnis zum Schaden, den der Beschwerdeführer erlitten habe. Es fehle am zeitlichen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Handlungen bzw. Unterlassungen und seiner Arbeitsunfähigkeit. Diese seien vielmehr zeitlich konnex zur zunächst verweigerten Administrativuntersuchung. Auch die hohen Anwaltskosten seien für solch punktuelle Persönlichkeitsverletzungen nicht adäquat kausal.»

 Auch ein Anspruch auf Genugtuung wurde von der Vorinstanz verneint unter dem Hinweis, dass keine der vorliegenden Einzelhandlungen eine ausreichend schwere Persönlichkeitsverletzung darstellen würden (E. 4.3).

In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hielt das Bundesgericht fest, dass eine Kumulation von Entschädigungen nach Art. 336a OR und einer Genugtuung gemäss Art. 49 OR ausserordentlichen Situationen vorbehalten bleibe, in welchen die Verletzung der Persönlichkeit nicht alleine durch die Zusprechung einer Entschädigung kompensiert sei. Schliesslich decke die im Falle einer ungerechtfertigten Entlassung in Art. 336a OR vorgesehenen Entschädigung grundsätzlich sämtliche immateriellen Schäden ab, welche der entlassene Arbeitnehmer erlitten hat. Gemäss dem Bundesgericht durfte die Vorinstanz im vorliegenden Fall zurecht annehmen, dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers nicht so schwer wiegen, als dass eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen gemäss Art. 336a OR (welches dem gesetzlichen Maximum entspricht) nicht zur Deckung des Schadens ausreichen würde. Die Ablehnung einer über diese Entschädigung im Umfang von sechs Monaten geltend gemachten Schadenersatzanspruchs hielt vor Bundesrecht stand. Auch eine über die dem Beschwerdeführer bereits zugesprochene Entschädigung hinausgehende Genugtuung verneinte das Bundesgericht in Übereinstimmung mit der Vorinstanz. Es wies daraufhin, dass der Beschwerdeführer nicht darzutun vermochte, dass ausserordentliche Umstände vorliegen würde, welche die Vorinstanz hinsichtlich der Kumulation von Entschädigung in der maximal zulässigen Höhe und Genugtuung willkürlich ausser Acht gelassen haben sollte (E. 5.5).

 

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Autor: Nicolas Facincani / Seline Wissler

 

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