Im Juni 2020 arbeitete das Parlament an einer dringlichen Änderung des Epidemiengesetzes. Am 19. Juni 2020 wurde die Vorlage in beiden Räten angenommen. Das Gesetz trat am 20. Juni 2020 in Kraft und gilt bis zum 30. Juni 2022.

Das Epidemiengesetz wurde dahingehend ergänzt, dass in Übereinstimmung mit den beiden Motionen SPK-S (20.3168) und SPK-N (20.3144) «Gesetzliche Grundlagen zur Einführung der Corona-Warn-App (CoronaProximity-Tracing-App)» eine spezialgesetzliche Grundlage für die Einführung und den Betrieb des Proximity-Tracing-Systems (PT-System) geschaffen wurde (SwissCovid-App).

 

Pflicht zur Benützung der SwissCovid-App?

Es stellt sich nun die Frage, ob ein Arbeitgeber im Rahmen seiner Pflichten (Fürsorgepflicht, Gesundheitsschutz, etc.) die Arbeitnehmer verpflichten kann, die App entweder auf den Geschäftsmobiltelefonen oder privaten Mobiltelefonen zu installieren.

Grundsätzlich wäre eine solche Verpflichtung mittels Weisungen denkbar (siehe hierzu den Beitrag betreffend das Weisungsrecht des Arbeitgebers).

Das von den Räten verabschiedete Gesetz sieht aber explizit vor, dass eine solcher Zwang nicht zulässig sein soll. Art. 60a Abs. 3 des Gesetzes hält nämlich das Folgende fest:

Die Teilnahme am PT-System ist für alle Personen freiwillig. Behörden, Unternehmen und Einzelpersonen dürfen keine Person aufgrund ihrer Teilnahme oder Nichtteilnahme am PT-System bevorzugen oder benachteiligen; abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Gemäss dieser klaren Bestimmung wäre auch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Benutzung der App nicht wirksam.

 

Die Botschaft des Bundesrates hält hierzu das Folgende fest:

Nach Absatz 3 ist die Teilnahme am PT-System für alle Personen freiwillig. Das BAG betreibt das PT-System gemäss Absatz 1; dabei stellt es die SwissCovid-App in den jeweiligen App-Stores zur freien Verfügung. Somit steht jeder Person frei, ob sie die App auf ihrem Mobiltelefon einrichten und am PT-System teilnehmen möchte. Dies rechtfertigt sich namentlich insofern, als das System eine gegenüber dem klassischen Contact-Tracing durch die zuständigen kantonalen Behörden lediglich unterstützende Funktion hat. Ob ein Teilnahmezwang verfassungsrechtlich zulässig wäre, kann hier offenbleiben, da die zugrundeliegenden Motionen ein freiwilliges System fordern und auch der Bundesrat die Auffassung vertritt, dass ein solches besser geeignet ist, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.

Im Weiteren dürfen Behörden, Unternehmen und Einzelpersonen keine Person aufgrund ihrer Teilnahme oder Nichtteilnahme am PT-System bevorzugen oder benachteiligen; abweichende Vereinbarungen sind unwirksam. Somit ist ausgeschlossen, dass z. B. Arbeitgeber den Arbeitnehmenden vorschreiben dürfen, im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit am PT-System teilzunehmen.

 

Missbräuchliche Kündigung

Würde einem Mitarbeiter gekündigt, weil er sich weigert die App zu installieren, so wäre eine solche Kündigung zwar gültig (und würde zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen), doch wäre sie missbräuchlich und der Arbeitnehmer könnte eine Entschädigung verlangen (max. 6 Monatslöhne).

Auch dieser Fall wurde in der Botschaft bereits angesprochen bzw. vorausgesehen:

Eine allfällige Kündigung in Missachtung der Freiwilligkeit (weil Arbeitnehmende eine solche rechtswidrige Anweisung nicht befolgen), wäre als missbräuchlich zu betrachten (vgl. Art. 336 Abs. 1 Bst. d OR).

 

Lohnanspruch bei Quarantäne

Im Gegensatz zu behördlich verordneter Quarantäne ist für den Fall, dass sich eine Person nach Benützung der App in Quarantäne begibt, keine Taggeldlösung bzw. Erwerbsersatz vorgesehen. Auch eine Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a OR dürfte wohl nicht in Betracht kommen. Arbeitgeber können sich aber grosszügiger zeigen.

Bei einer behördlich angeordneten Quarantäne haben nämlich die Betroffenen einen Taggeldanspruch für 10 Tage. Eine Ausnahme besteht aber, wenn eine Person aus einem vom Bundesrat definierten Gebiet gemäss der Covid-19-Verordnung Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs einreist und dann für 10 Tage in Quarantäne muss. In diesen Fällen besteht kein Taggeldanspruch.

Bei der Frage ob der Lohn durch den Arbeitgeber weiter geschuldet wird, ist zu differenzieren (siehe hierzu den Beitrag betreffend Corona und Lohnfortzahlungspflicht):

  • Im Fall der Quarantäneanordnungen für ganze Gebiete/Gemeinden dürfte ein Lohnanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber nicht bestehen.
  • Ob der Lohn im Falle einer individuellen Anordnung einer Quarantäne geschuldet ist, wird im Moment uneinheitlich beantwortet, dürfte aber insbesondere zu verneinen sein, wenn ein Arbeitnehmer bewusst in ein Risikogebiet verreist und nachher mit der Quarantäne rechnen muss (etwa wenn er in ein Risikogebiet gemäss der Covid-19-Verordnung Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs verreist).

 

Beachten Sie auch die bisherigen, im Zusammenhang mit COVID-19 erschienen Beiträge (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani