Das Bundesgericht hatte sich im Entscheid 4A_448/2020  vom 4. November 2020 mit einer fristlosen Kündigung auseinanderzusetzen, die mit einer Auseinandersetzung, zwischen dem gekündigten Arbeitnehmer und einem anderen Mitarbeiter stattgefunden haben soll, begründet wurde.

Dabei war umstritten, was genau vorgefallen soll: So war nicht klar, ob der der Arbeitnehmer im Zuge dieser Auseinandersetzung den anderen Mitarbeiter mit beiden Händen am Hals packte (Würgegriff) mit der Folge, dass an dessen Hals Suffusionen auftraten. Es ging somit insbesondere um die Beweiswürdigung.

Nicht in Frage gestellt wurde aber durch den Gekündigten, dass eine derartige physische Einwirkung (Würgegriff) einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 337 Abs. 1 OR darstellte, der eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde.

 

Der wichtige Grund zur fristlosen Entlassung

Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen. Die fristlose Entlassung kann jederzeit ausgesprochen werden (siehe hierzu etwa den Beitrag Beurteilung einer fristlosen Entlassung).

Nach der Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung ist nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt, welche:

  • objektiv geeignet sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist, und
  • auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben.

Der Richter kann nach den des Rechts und der Billigkeit entscheiden, ob die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund erfolgt (Art. 337 Abs. 3 OR). Zu diesem Zweck berücksichtigt er alle Elemente des Einzelfalls, insbesondere die Stellung des Arbeitnehmers, die Art und Dauer des Vertragsverhältnisses sowie Art und Umfang der Verstösse. Das Bundesgericht überprüft eine durch die obere kantonal Instanz getroffene Entscheidung nur eingeschränkt. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Entscheidung ungerechtfertigterweise von den Regeln der Lehre und Rechtsprechung im Bereich der freien Beurteilung/Würdigung abweicht, wenn sie auf Tatsachen beruht, die im konkreten Fall keine Rolle hätten spielen sollen, oder wenn sie Elemente ignoriert, die absolut hätten berücksichtigt werden sollen; darüber hinaus korrigiert das Bundesgericht getroffene Entscheidungen, wenn sie zu einem offensichtlich unlauteren Ergebnis oder einer schockierenden Ungerechtigkeit führen.

Eine sofortige Reaktion des Kündigenden ist verlangt, sobald die konkreten Umstände bekannt sind (siehe hierzu den Beitrag Sofortige Reaktion bei fristloser Kündigung).

Die folgenden Umstände sind insbesondere relevant (siehe auch BGE 127 III 313):

Folgende Faktoren sind bzw. wären etwa für die Beurteilung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, relevant (nicht abschliessend):

  • Existenz und schwere des Verschuldens
  • Länge der Kündigungsfrist bzw. des befristeten Arbeitsverhältnisses
  • bisherige Dauer und Verlauf des Arbeitsverhältnisses
  • frühere Duldung eines gleichartigen Verhaltens
  • Intensität des Vertrauensverhältnisses
  • Provokationen und Verwarnungen
  • Betriebsklima
  • erteilte Weisungen
  • Art des Betriebs
  • Stellung und Verantwortung des Arbeitnehmers
  • Möglichkeit anderer Massnahmen

Die Zumutbarkeit einer ordentlichen Kündigung ist eher gegeben bei kurzen Kündigungsfristen. Anders jedoch im BGE JAR 1998 einer sechsmonatigen Kündigungsfrist, die als nicht relevant erachtet wurde, da die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt war. Anders auch in BGE 4A 476/2009, wo die fristlose Kündigung trotz der kurzen, zweimonatigen Kündigungsfrist als gerechtfertigt erachtet wurde.

 

Antizipierte Beweiswürdigung

Der fristlos gekündigte Arbeitnehmer war den kantonalen verschiedene prozessuale Fehler vor und rügte eine willkürliche Beweiswürdigung. Es seien nicht alle Beweise abgenommen worden. Das Bundesgericht folgte der Argumentation nicht und schützte die kantonalen Instanzen, welche die fristlose Kündigung als gerechtfertigt ansahen.

 

Zum Recht auf Beweis hielt das Bundesgericht das Folgende fest:

Nach Art. 152 Abs. 1 ZPO hat jede Partei das Recht, dass das Gericht die von ihr form- und fristgerecht angebotenen tauglichen Beweismittel abnimmt. Im Geltungsbereich der Zivilprozessordnung sind in der Regel die einzelnen Beweisofferten unmittelbar im Anschluss an die Tatsachenbehauptungen aufzuführen, die damit bewiesen werden sollen. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut der Bestimmungen von Art. 152 Abs. 1 i.V.m. Art. 221 Abs. 1 lit. e ZPO (Recht auf Abnahme von Beweismitteln bei „Bezeichnung der einzelnen Beweismittel zu den behaupteten Tatsachen“; Urteil 4A_487/2015 vom 6. Januar 2016 E. 5.2 mit Hinweisen). Das Gericht ist nicht gehalten, zur Klärung einer Frage Beweismittel abzunehmen, die nicht in diesem Zusammenhang angeboten wurden (Urteile 4A_103/2017 vom 19. Juli 2017 E. 2.1; 4A_574/2015 vom 11. April 2016 E. 6.6.4.

 

Das Bundesgericht hielt aber klar fest, dass nicht stets sämtliche angebotenen Beweise zu erheben seien:

Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, sämtliche angebotenen Beweise zu erheben. Auf die Abnahme (weiterer) Beweise kann verzichtet werden, wenn es sich – ohne in Willkür zu verfallen – bereits eine Meinung gebildet hat (antizipierte Beweiswürdigung; vgl. dazu E. 4.1.2 hiervor). Das Bundesgericht ordnet die antizipierte Beweiswürdigung, soweit seine Kognition betreffend, der Sachverhaltsfeststellung respektive Beweiswürdigung zu und greift in diese entsprechend nur ein, wenn sie willkürlich ist (BGE 138 III 374 E. 4.3.2 S. 376 mit Hinweis). Die Vorinstanz hielt denn auch – im Sinne einer Eventualbegründung – explizit fest, dass – sollte die Rüge des Beschwerdeführers zulässig sein – in antizipierter Beweiswürdigung auf die Befragung des Beschwerdeführers verzichtet werden könne.

 

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Autor: Nicolas Facincani