Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellten sich verschiedene arbeitsrechtliche Fragen, insbesondere wenn es im Zusammenhang mit dem Coronavirus zu Arbeitsverhinderungen kommt (siehe hierzu den Beitrag Arbeitsverhinderung wegen Coronavirus – Wer bezahlt?).

Einige Fragen wurden kontrovers diskutiert, Gerichtsentscheide im Zusammenhang pandemiebedingten Arbeitsverhinderungen existierten kaum. Das Arbeitsgericht Zürich hatte aber immerhin im Zusammenhang mit der Schweinegrippe entschieden, dass bei einer pandemiebedingten Schliessung der Kinderkrippe den hütenden Eltern kein Lohnanspruch zukommen soll (siehe hierzu den Beitrag Coronavirus: Schule geschlossen – Lohnanspruch des Arbeitnehmers).

 

Gerichtsentscheide Arbeitsgericht Zürich

Nun sind im Zusammenhang mit dem Coronavirus zwei Gerichtsentscheide ergangen:

Im ersten Entscheid entschied das Arbeitsgericht Zürich (Geschäfts-Nr.: AH210077), dass besonders gefährdeten Arbeitnehmern kein Sperrfristenschutz nach Art. 336c OR zukommen soll (siehe hierzu den Beitrag Zeitlicher Kündigungsschutz für besonders gefährdete Arbeitnehmer?).

Das Arbeitsgericht (Geschäfts-Nr.: AH210123) bejahte sodann den Lohnanspruch einer Arbeitnehmerin während der pandemiebedingten Schiessung der Restaurationsbetriebe, hielt aber explizit fest, dass hier nur ein Einzelfall beurteilt wurde und die Frage nicht allgemein beantwortet werde, ob eine behördliche Betriebsschliessung generell einen Anwendungsfall von Art. 324 OR darstelle (E. 3.2.1 Vorwegzuschicken ist, dass das Gericht (nur) über den vorliegenden Fall zu entscheiden hat. Ob ein Umstand in das Betriebsrisiko der Arbeitgeberin fällt, muss jeweils im Einzelfall bestimmt werden.) (siehe hierzu den Beitrag Arbeitsgericht Zürich: Lohnanspruch während Beizen-Lockdown).

 

Kein Lohnanspruch bei pandemiebedingter verzögerter Auslandrückkehr

In einem Verfahren vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland (CIV 21 2317, Kurzlink: https://arbrch.ch/CIV_212317) machte ein Arbeitnehmer einen Lohnanspruch trotz fehlender Arbeit geltend, weil er wegen der Pandemie nicht mehr aus Afghanistan zurückkehren konnte. Er hatte ab Ende Februar 2021 seine Familie in Pakistan besucht und konnte nicht wie geplant Ende März, sondern aufgrund von Reisebeschränkungen erst Mitte Juni 2021 in die Schweiz zurückkehren. Es stellte sich somit die Frage, ob Lohn nach Art. 324 a OR auch im Fall einer verzögerten Auslandrückkehr geschuldet ist, was das Gericht verneinte:

Als primärer Verhinderungsgrund wurde seitens des Klägers die unmögliche resp. unzumutbare Rückreise von Pakistan in die Schweiz infolge pandemiebedingter Einschränkungen des Flug- und Personenverkehrs angerufen.

Dabei handelt es sich um einen objektiven resp. überpersönlichen Verhinderungsgrund, da eine Vielzahl von Arbeitnehmenden weltweit sich mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert gesehen haben. Der Kläger hat weder rechtsgenüglich geltend gemacht noch bewiesen, dass dieser objektive Verhinderungsgrund seine Person besonders betroffen und sich damit subjektiviert hätte (bspw. bei einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung). Schliesslich ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern es sich bei pandemiebedingten Einschränkungen des Flug- und Personenverkehrs um eine Realisierung eines Betriebsrisikos der Beklagten handeln sollte, welche im Pflegebereich tätig ist.

Da objektive Verhinderungsgründe nicht von Art. 324a Abs. 1 OR erfasst werden und eine richterliche Lückenfüllung mangels Vorliegens einer echten Lücke wie erwähnt nicht möglich ist, besteht seitens des Klägers kein Anspruch auf Lohnfortzahung für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 16. Juni 2020.

 

Keine Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers

Der Arbeitnehmer machte zudem geltend, es liege eine Fürsorgepflichtverletzung seitens des Arbeitgebers. Aus diesem Grund verlangte er den Lohn als Schadenersatz. Aus dies wurde vom Gericht abgelehnt:

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die ihr obliegende, allgemeine Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzt hätte. Insbesondere konnte und musste von der Beklagten unter diesem Titel nicht verlangt werden, den Kläger aktiv, d.h. bspw. durch entsprechende Weisungen, von der Reise nach Pakistan abzuhalten. Dies wäre ihr im Hinblick auf den notorischen Kenntnisstand über das Covid-19- Virus zum Zeitpunkt des Reiseantritts denn auch nicht möglich gewesen.

Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die Beklagte den Kläger sowohl während dessen Abwesenheit als auch nach dessen Rückkehr über diverse Hilfestellungen Dritter informierte, womit sie ihrer Fürsorgepflicht ohne Weiteres nachgekommen ist.

Schliesslich ist in der gebotenen Kürze festzuhalten, dass die Verweigerung der Lohnfortzahlung resp. die Berufung auf die Nichtanwendbarkeit des Art. 324a Abs. 1 OR seitens der Beklagten weder fürsorgepflichtverletzend noch rechtsmissbräuchlich war, zumal die Beklagte den Kläger bereits während dessen Abwesenheit dar[1]über informierte und dies auch nach dessen Rückkehr bestätigte.

Folglich vermag der Kläger die geltend gemachten Ansprüche auch nicht aus Schadenersatz infolge Fürsorgepflichtverletzung herzuleiten.

 

Beachten Sie auch die bisherigen, im Zusammenhang mit COVID-19 erschienen Beiträge (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.