Im Urteil 4A_169/2021 vom 18. Januar 2022 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Bonusvereinbarungen einen Lohn oder eine Gratifikation darstellen würde.

Das Bundesgericht hat die verschiedenen Bedeutungen des Bonus im Urteil  4A_230/2019 vom 20. September 2019 klar dargelegt.

Gemäss Bundesgericht (Urteil  4A_230/2019 vom 20. September 2019) kommen 3 verschiedene Bedeutungen des Bonus in Frage (vgl. Bortolani/Scherrer, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 322d N 4 ff).:

  • Variabler Lohn
  • Gratifikation, auf welche der Arbeitnehmer einen Anspruch hat
  • Gratifikation, auf welche der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat.

Dazu das Bundesgericht im Urteil  4A_230/2019 vom 20. September 2019Dans plusieurs arrêts récents, le Tribunal fédéral a eu l’occasion de résumer sa jurisprudence en la matière (notamment: arrêts 4A_430/2018 du 4 février 2019 consid. 5.1 et 5.2; 4A_78/2018 du 10 octobre 2018 consid. 4.2 et 4.3 et les références citées; 4A_463/2017 du 4 mai 2018 consid. 3; 4A_290/2017 du 12 mars 2018 consid. 4.1). Il en résulte qu’il faut distinguer les trois cas suivants: (1) le salaire – variable -, (2) la gratification à laquelle l’employé a droit et (3) la gratification à laquelle il n’a pas droit. Ce n’est que lorsque l’employé n’a pas de droit à la gratification – cas n° 3 – que la question de la requalification du bonus en salaire, en vertu du principe de l’accessoriété lorsque les salaires sont modestes ou moyens à supérieurs, se pose, ce principe étant en revanche inapplicable pour les très hauts revenus.

Diese vorgehenden Ausführungen bildeten denn auch die Grundlagen im Urteil 4A_169/2021 vom 18. Januar 2022. Der Arbeitgeber forderte den Bonus für das Jahr 2018 und das Jahr 2017 aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Der Bonus für das Jahr 2018 wurde nach Klageeinleitung bezahlt.

 

Arbeitsvertragliche Grundlage des Bonus

Im zu beurteilenden Arbeitsvertrag findet sich betreffend die Vergütung unter anderem folgende Klausel:

 „Variable Pay: 20 % of annual base salary, pro rata temporis (Payment in March of the following year, based on achievement of the agreed business and individual objectives)“ 

In der Mitarbeiterbeurteilung vom 6. April 2018 wurde dem Arbeitnehmer für das Jahr 2017 wiederum eine erfolgreiche Leistung bescheinigt („Successful Performance“). In der Folge forderte dessen Rechtsschutzversicherung die Arbeitgeberin auf, die Berechnungsfaktoren für den Bonus bekannt zu geben. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab mit der Begründung, sie habe infolge des unerwartet schlechten Finanzergebnisses der Gruppe davon absehen müssen, Bonuszahlungen für das Jahr 2017 auszurichten. Dazu sei sie berechtigt, da im Rahmen des Arbeitsvertrags eine echte Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR vereinbart worden sei, auf deren Ausrichtung weder der Höhe noch dem Grundsatz nach ein Rechtsanspruch bestehe.

 

Erstinstanzliches Gericht

Mit Entscheid vom 19. August 2019 verpflichtete das erstinstanzliche Gericht die Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer für das Kalenderjahr 2017 Fr. 26’400.45 brutto zuzüglich Zins von 5 % seit 1. Februar 2018 zu bezahlen, schrieb die Klage betreffend die Forderung für den Januar 2018 aufgrund nachträglicher Zahlung als gegenstandslos ab. Es qualifizierte die strittige Vertragsklausel als unechte Gratifikation, die dem Arbeitnehmer einen Anspruch von mindestens 20 % seines Bruttojahreslohns verschaffe und bloss für einen darüber hinausgehenden Teil freiwilligen Charakter aufweise.

 

Zweitinstanzliches Gericht

Die Berufungsinstanz erwog wie die Erstinstanz, die Parteien hätten eine unechte Gratifikation vereinbart. Diese sei im Grundsatz geschuldet und habe lediglich was die Höhe anbelangt teilweise im Ermessen der Arbeitgeberin gestanden. Im Unterschied zur Erstinstanz hielt das Kantonsgericht jedoch dafür, dass die Gratifikation nicht zwingend mindestens 20 % des Bruttojahreslohns betrage; sie könne auch weniger hoch ausfallen und gegebenenfalls ganz wegfallen. Anhand der bekannten und der von der Arbeitgeberin offengelegten Berechnungsfaktoren lasse sich der Bonus für das Jahr 2017 auf Fr. 25’735.65 beziffern.

 

Anspruch auf einen Bonus

Das Bundesgericht bestätigte, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch gegen die Arbeitnehmerin auf Ausrichtung eines Bonus für das Jahr 2017 habe.

Gemäss der Vorinstanz hätten die ersten beiden Faktoren zur Berechnung der variablen Vergütung („Eligible Base Salary“ [nachfolgend: EBS] und „Bonus Target“ [nachfolgend: BT]) festgestanden. Auf diese hatte die Beschwerdeführerin keinen Einfluss. Der dritte Faktor, der BPF, setzte sich zu 40 % aus den Erfolgsindikatoren des Gesamtkonzerns („A.________ Key Performance Indicators“; nachfolgend: TKPI) und zu 60 % aus den Erfolgsindikatoren der Unternehmenseinheit des Arbeitnehmers („Business Unit Key Performance Indicators“; nachfolgend: BUKPI) zusammen. Bei der Berechnung des BPF stand der Arbeitgeberin nach der Vorinstanz ein gewisser Ermessensspielraum zu. Betreffend die Kalkulation des letzten Faktors, des IPF, erwog die Vorinstanz, anhand von vorformulierten Aufgaben, Zieldetails und Erfolgsmessungsfaktoren sei zwar eine gewisse Objektivität angestrebt worden. Allerdings sei der Arbeitnehmerin jedenfalls bei der Einordnung der Leistungen des Beschwerdegegners unter die vorgegebenen Definitionen „Outstanding Performance“, „Successful Performance“ oder „Needs Improvement“ sowie bei der Festlegung des exakten Zielerfüllungsgrads ein relativ weiter Ermessensspielraum zugestanden.

Die Arbeitnehmerin hätte ausschliesslich auf die beiden letztgenannten Berechnungsfaktoren (BPF und IPF) Einfluss nehmen können, während die ersten beiden feststanden. Ihr Einfluss war jedoch gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen beschränkt, da in die Berechnung von BPF und IPF auch objektiv bestimmbare Werte einflossen. Damit leitete die Vorinstanz aus dem Vertragstext zu Recht ab, dass der Beschwerdeführerin bei der Kalkulation des Bonus zwar ein Ermessen zustand, dieses jedoch nicht derart ausgeprägt war, dass davon ausgegangen werden müsste, die Zusprache des Bonus sei freiwillig.

 

Falsche Berechnung des Bonus

Umstritten war sodann, ob die Arbeitgeberin selbst bei Annahme einer unechten Gratifikation den Bonus für das Jahr 2017 aufgrund des schlechten Geschäftsergebnisses des Konzerns ohne Anwendung der Bonusformel (EBS x BT x BPF x IPF) streichen durfte. Das Bundesgericht verneinte dies:

Ist die Gratifikation im Grundsatz vereinbart, darf der Arbeitgeber diese nicht gestützt auf Umstände kürzen, von denen der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben nicht annehmen muss, sie seien für die Ausrichtung der Gratifikation beziehungsweise deren Umfang von Belang. […]“ (BGE 136 III 313 E. 2). Daraus kann indes nicht abgeleitet werden, dass sich die Beschwerdeführerin über die vereinbarte Berechnungsformel hinwegsetzen und den Bonus mit null Franken beziffern könnte. Dass eine derartige Möglichkeit bestand, ergibt sich aus den Erwägungen der Vorinstanz nicht. Im Gegenteil erachtete diese die konsensual vereinbarte Berechnungsformel als massgebend. Inwiefern diese vorliegend aufgrund des angeblich schlechten Geschäftsergebnisses des Konzerns nicht anwendbar wäre, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Es ist mithin nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdegegner damit hätte rechnen müssen, dass die Beschwerdeführerin ausschliesslich aufgrund des angeblich schlechten Geschäftsgangs und ohne Anwendung der Formel die Ausrichtung eines Bonus hätte verweigern dürfen.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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