Wenn möglich sind die Ferien während des Arbeitsverhältnisses „in natura“ und nicht als Geldabfindung zu gewähren, auch wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist. Doch es kann sich aus Praktikabilitätsgründen eine Geldabfindung für die Ferien (Ferienentschädigung anstatt Ferienbezug) aufdrängen.

Das Bundesgericht fasste im Urteil 4A_561/2017 vom 19. März 2018 seine Rechtsprechung zusammen und erinnerte daran, dass «Ferienlohn inbegriffen» nur zulässig sei, wenn (i) unregelmässige Tätigkeit vorliege, (ii) Ferienlohn im Einzelarbeitsvertrag und (iii) in jeder Lohnabrechnung separat in CHF oder % bestimmt sei (siehe hierzu den Beitrag Ferienlohn inbegriffen).

 

Urteil 4A_619/2019 vom 15. April 2020

Im Urteil 4A_619/2019 vom 15. April 2020 hielt das Bundesgericht fest, dass eine unregelmässige Tätigkeit auch bei einer Vollzeitbeschäftigung möglich sei. Das Bundesgericht verwies zur Beantwortung der Frage, ob auch bei einer Vollzeitanstellung von einer unregelmässigen Tätigkeit gesprochen werden könne (sofern tatsächlich unregelmässig gearbeitet wird) auf das Urteil 4C.90/2003 vom 7. Juli 2003. Das Bundesgericht hielt bereits in Urteil 4C.90/2003 vom 7. Juli 2003 fest, eine unregelmässige Beschäftigung sei auch bei einer Vollzeitanstellung möglich. Daran wurde im Urteil 4A_619/2019 vom 15. April 2020 festgehalten (siehe hierzu den Beitrag Auszahlung Ferienlohn: Unregelmässige Tätigkeit auch bei Vollzeitanstellung). 

Aufgrund des Urteils 4A_619/2019 vom 15. April 2020 wurde die Angelegenheit an die obere kantonale Instanz zurückgewiesen. Dieses hatte zu entscheiden, ob eine unregelmässige Tätigkeit vorliegen würde oder nicht. Der neuerliche Entscheid der oberen kantonalen Instanz war nun erneut Gegenstand eines Bundesgerichtsentscheids (BGer 4A_31/2021 vom 30. März 2022).

Allerdings hat das Bundesgericht nun im Entscheid BGer 4A_357/2022 vom 30. Januar 2023 festgehalten, dass dass bei einer Vollzeitbeschäftigung bei derselben Arbeitgeberin eine ausnahmsweise Abgeltung des Ferienlohnanspruchs aufgrund monatlicher Schwankungen des geschuldeten Lohnes ausgeschlossen sei. Siehe hierzu den entsprechenden Beitrag.

 

Urteil 4A_31/2021 vom 30. März 2022

Nach einem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts sind sowohl dieses selbst als auch die kantonalen Instanzen an die rechtliche Beurteilung, mit der die Rückweisung begründet wurde, gebunden. Wegen dieser Bindung der Gerichte ist es ihnen wie auch den Parteien, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden waren.

 

Entscheid der Vorinstanz

Gegenstand des Rückweisungsentscheids und damit der Bindungswirkung unterworfen war einzig die Frage, ob trotz eines Vollzeitpensums des Arbeitnehmers eine unregelmässige Beschäftigung vorlag. Die Vorinstanz verwies diesbezüglich in tatsächlicher Hinsicht auf die vorerwähnten Erwägungen des Erstgerichts, liess die Frage der unregelmässigen Beschäftigung aber wiederum offen. Sie erwog, darauf komme es nicht an, da keine unüberwindbaren Schwierigkeiten bei der Berechnung des auf die Ferien entfallenden Lohnes vorgelegen hätten. Der dem getätigten Arbeitspensum entsprechende, für die Ferien bestimmten Lohnanteil sei in jeder monatlichen Lohnabrechnung klar und deutlich ausgewiesen worden; ein schriftlicher Arbeitsvertrag habe nicht bestanden. Zudem sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer seine Ferien in natura tatsächlich bezogen habe. Es wäre der Arbeitgeberin somit ein Leichtes gewesen, den Anteil des Ferienlohns am Gesamtlohn zwar jeden Monat separat zu berechnen, ihn jedoch nicht in bar mit jedem Monatslohn auszuzahlen, sondern auf einem buchhalterischen Ferienkonto gutzuschreiben und beim effektiven Ferienbezug auszurichten. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin grundsätzlich zur Nachzahlung des entsprechenden Ferienlohns verpflichtet geblieben sei.

Jedoch erscheine die erneute Einforderung des Ferienlohns durch den Arbeitnehmer als rechtsmissbräuchlich angesichts der Tatsache, dass er die Ferien nachweislich bezogenen habe und der Ferienlohn unbestrittenermassen monatlich auf den Lohnausweisen jeweils separat ausgewiesen worden sei. Unter diesen Umständen habe vom Arbeitnehmer erwartet werden können, den Ferienlohn aufgrund der Lohnausweise selber auszuscheiden und für die tatsächlichen Ferienzeiten, in denen er keine oder weniger Lohnauszahlungen erhalten würde, beiseite zu legen. Unter diesen Vorgaben sei davon auszugehen, dass die monatlichen Auszahlungen des Ferienlohns den Anspruch darauf bereits getilgt hätten bzw. dass der anstehende Anspruch mit den monatlichen Auszahlungen verrechnet werden könne.

 

Ablehnung der kantonalen Argumentation durch das Bundesgericht

Für das Bundesgericht waren die Argumente der oberen kantonalen Instanz nicht überzeugen:

3.3.1. Die vorinstanzlichen Erwägungen überzeugen nicht. Wollte man ihrer Argumentation folgen, dann hiesse dies, dass es für die Zulässigkeit der Vergütung von Ferienansprüchen mit dem laufenden Lohn – mithin die Gewährung einer Ausnahme vom Grundsatz gemäss Art. 329d Abs. 2 OR – nur darauf ankäme, ob die Vergütung in Arbeitsvertrag und Lohnabrechnung ausgewiesen und tatsächlich geleistet wurde. Damit aber würde die dritte Voraussetzung gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach eine unregelmässige Beschäftigung vorliegen muss, welche es dem Arbeitgeber in unzumutbarer Weise erschwert, den jeweiligen Ferienanspruch über das Jahr fortlaufend zu berechnen oder ihn zwingt, eine komplizierte jährliche Abrechnung vorzunehmen, ihres Inhaltes entleert. Die Vorinstanz hat diese Voraussetzung und damit einen Anwendungsfall für die ausnahmsweise Vergütung von Ferienansprüchen mit dem laufenden Lohn zudem verneint, indem sie ausführte, von unüberwindbaren Schwierigkeiten bei der Berechnung des auf die Ferien entfallenden Lohnes könne keine Rede sein.  

Ausserdem wäre es, so die Vorinstanz, der Beschwerdegegnerin ein Leichtes gewesen, den Anteil des Ferienlohns am Gesamtlohn zwar jeden Monat separat zu berechnen und auszuweisen, ihn jedoch nicht bar mit jedem Monatslohn auszuzahlen, sondern auf einem buchhalterischen Ferienkonto gutzuschreiben und beim effektiven Ferienbezug auszurichten. Damit wäre auch der in der Lehre teilweise geäusserten Gefahr vorgebeugt worden, dass dem Arbeitnehmer bei der Vergütung des Ferienanspruchs mit dem laufenden Lohn der ent sprechende Betrag beim Bezug der Ferien durch vorzeitigen Verbrauch nicht mehr zur Verfügung stehen und damit der Ferienzweck vereitelt werde n könnte (vgl. BGE 129 III 493 E. 3.2 mit Hinweisen auf AUBERT, Le droit des vacances: quelques problèmes pratiques, in: Le droit du travail en pratique, Zürich 1990, S. 117 ff.; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., Zürich 1992, N. 9 zu Art. 329d OR; ERIC CEROTTINI, Le droit aux vacances, Diss. Lausanne 2001, S. 209 ff.; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1,III, S. 90; so auch Urteil 4A_300/2007 vom 6. Mai 2008 E. 3.2.4.1). 

Zwar hat das Bundesgericht in seinem Leitentscheid BGE 129 III 493 die Frage offen gelassen, ob an der Möglichkeit einer Abgeltung des Feriengeldes im laufenden Lohn festgehalten werden kann. Es hat aber immerhin zum Ausdruck gebracht, dass diese Möglichkeit “ mit Blick auf den an sich klaren Wortlaut des Gesetzes (Art. 329d Abs. 2 OR) und die in der Tat kaum jemals unüberwindbaren Schwierigkeiten bei der Berechnung des auf die Ferien entfallenden Lohnes“ die Ausnahme bleiben muss, zumal es sich um eine absolut zwingende Norm handelt (BGE 129 III 493 E. 3.1 und E. 3.3; vgl. auch Urteil 4A_72/2018 vom 6. August 2018 E. 4.4.1). Art. 329d Abs. 2 OR will verhindern, dass der Arbeitnehmer während den Ferien lohnmässig schlechter gestellt wird, als wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte. Dies war aber nach den vorinstanzlichen Feststellungen vorliegend der Fall. 

Die Vorinstanz verhält sich zudem widersprüchlich, wenn sie von der Beschwerdegegnerin – zumindest implizit – verlangt, die Ferien einem buchhalterischen Konto gutzuschreiben, dann aber dem Beschwerdeführer vorhält, er hätte den Lohn zur Seite legen können. Wie sich aus der Rechtsprechung und dem absolut zwingenden Charakter von Art. 329d Abs. 2 OR ergibt, dient die Norm gerade dem Schutz des Arbeitnehmers und der Gewährleistung eines gleichbleibenden Einkommens während den Ferien. Wenn, was die Vorinstanz annimmt, die Vergütung der Ferien mit dem laufenden Lohn unzulässig war und die Beschwerdegegnerin grundsätzlich zur Nachzahlung des entsprechenden Ferienlohns verpflichtet blieb (Urteil S. 4), dann kann auch nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er den ihm zustehenden Lohn verlangt. Daran ändert nichts, dass ihm der entsprechende Lohnanteil monatlich ausgerichtet wurde, zumal es, wie die Vorinstanz selbst annimmt, an der Beschwerdegegnerin gewesen wäre, den auf die Ferien entfallenden Lohnanteil einem buchhalterischen Konto gutzuschreiben oder zurückzubehalten und mit dem effektiven Ferienbezug auszurichten. Damit hätte aber die Beschwerdegegnerin auch die Folgen dieser Unterlassung zu tragen, mithin die Gefahr, den auf die Ferien entfallenden Lohnanteil doppelt bezahlen zu müssen. 

 

Unregelmässige Tätigkeit – keine erneute Rückweisung

Allerdings verzichtet das Bundesgericht auf die erneute Rückweisung an das kantonale Gericht, da die Frage, ob die Tätigkeit des Arbeitnehmers als unregelmässig zu qualifizieren sei, eine Rechtsfrage darstellen würde, die von Bundesgericht frei geprüft werde. Es sei hier aufgrund der festgestellten Tatsachen von einer unregelmässigen Tätigkeit auszugehen, womit kein Anspruch auf den Ferienlohn bestehe:

 3.3.2. Auf eine neuerliche Rückweisung der Sache an die Vorinstanz kann indes verzichtet werden, zumal dies einen unnötigen Leerlauf bedeuten würde. Ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers als unregelmässig zu qualifizieren ist, stellt eine Rechtsfrage dar, die das Bundesgericht frei prüft. Demgegenüber prüft es Tatfragen nur unter Willkürgesichtspunkten (oben E. 2.2). Nachdem die Vorinstanz insoweit auf die Erwägungen des Erstgerichts verweist und Willkür nicht ersichtlich oder hinreichend dargetan ist, steht für das Bundesgericht verbindlich fest, dass bei 35 von 56 analysierten Lohnabrechnungen des Beschwerdeführers eine Differenz von 10% oder mehr (bis 25%) zum Vormonat bestanden hatte. Unter diesen Umständen ist ohne Verletzung von Bundesrecht mit dem Erstgericht von einer unregelmässigen Tätigkeit auszugehen.  

 Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ändert nichts. Dies gilt namentlich, wenn er geltend macht, dass er mehrfach eine Festanstellung im Monatslohn mit Anspruch auf einen 13. Monatslohn gewünscht habe, was ihm aber verweigert worden sei. Es ist nicht zu prüfen, wie die Rechtslage wäre, wenn der Beschwerdeführer so angestellt gewesen wäre, wie er es sich wünschte, sondern, wie die aktuelle Anstellung rechtlich zu würdigen ist. Die vom Beschwerdeführer als Grund für die unregelmässigen Arbeitszeiten angeführten Sondereinsätze während den Festtagen – vor Weihnachten bis Mitte Januar – sowie aufgrund des Ferienbezugs im Sommer – Juli bis Mitte August – vermögen die erhebliche Einsatzzeitdifferenz bei deutlich mehr als der Hälfte aller anktenkundigen Lohnabrechnungen zudem nicht schlüssig zu erklären.

 

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Autor: Nicolas Facincani 

 

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