Oft ist nicht klar, ob Äusserungen von Vertragsparteien als Kündigung verstanden werden dürfen oder nicht.

 

Kündigung als Gestaltungsrecht

Bei der Kündigung handelt es sich um ein Gestaltungsrecht. Durch die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung wird das Arbeitsverhältnis beendet.

Damit das Gestaltungsrecht der Kündigung rechtsgültig ausgeübt werden kann, muss es von Personen wahrgenommen werden, welche hierzu berechtigt sind (Vertreter, Organe einer juristischen Person). Fehlende Befugnisse können allerdings auch nachträglich geheilt werden (BGE 128 III 129, E. 2b).

Das Gestaltungsrecht ist eine Willensäusserung, welche der Gegenpartei in klarer und präziser Form kundgetan werden muss. Blosse Absichtserklärungen begründen keine Unklaren Äusserungen sind auszulegen (BGE 4C.151/2003 vom 26.8.2003).

Nicht in allen Fällen ist es für den Empfänger einer Willenserklärung klar, ob eine Kündigung vorliegt oder nicht.

 

Arbeitsgericht Zürich 2010 Nr. 13

Auch das Arbeitsgericht Zürich hatte sich bereits mit solch unklaren Aussagen zu befassen.

Mit E-Mail vom 19. Oktober 2007 teilte die Klägerin der Ehegattin des Beklagten (unter Kopie an diesen selbst) u.a. mit: „sehe ich leider keinen Sinn mehr im xyz weiterzuarbeiten. Sie erhalten per Ende Oktober meine schriftliche Kündigung und können dann so einen Monatslohn einsparen.“

Für das Arbeitsgericht Zürich stellte diese E-Mail noch keine Kündigung dar:

Diese E-Mail durfte der Beklagte nicht bereits als Kündigung (und schon gar nicht im Sinne einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses per Ende Oktober 2007) verstehen, sondern lediglich als Kündigungsankündigung (ohne Gestaltungswirkung). Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien sah ausdrücklich eine schriftliche Kündigung vor. Die vorgesehene Schriftform ist Gültigkeitserfordernis (Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 8 zu Art. 335 OR). Dieser Formvorschrift genügt die E-Mail der Klägerin vom 19. Oktober 2007 nicht. Das lässt darüber hinaus aber auch keine andere Interpretation des Schlusssatzes in dieser E-Mail zu, dass die Klägerin dem Beklagten nämlich noch – wie im Arbeitsvertrag vorgesehen – die schriftliche Kündigung per Ende Oktober zukommen lassen werde.

Im Weiteren sieht der Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor. Schon alleine aufgrund dieser vorgesehenen Kündigungsfrist von drei Monaten kann im Hinweis der Klägerin „sie … können dann so einen monatslohn einsparen“ keine sofortige Kündigung per Ende Oktober verstanden werden, andernfalls die Klägerin hätte vermerken müssen, „sie können dann so drei monatslöhne einsparen“. Die – zugegebenermassen nicht gerade klare – Wortwahl der Klägerin lässt mit Hinblick auf die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist nur die Interpretation zu, dass der Beklagte mit einer Kündigung noch Ende Oktober einen Monatslohn weniger zu bezahlen habe, als wenn die Kündigung der Klägerin erst anfangs November erfolgen würde. Hat die Klägerin ihre Wortwahl aber mit dem zeitlichen Hinweis „dann“ verbunden, hat sie damit den Charakter einer Kündigungsankündigung ihrer E-Mail dahingehend verstärkt, dass der Beklagte beim (dereinstigen) Eingang der schriftlichen Kündigung noch per Ende Oktober 2007 (dann zusätzlich noch) wird einen Monatslohn sparen können. Zusammenfassend konnte und durfte der Beklagte die E-Mail der Klägerin vom 19. Oktober 2007 weder als (ordentliche) Kündigung noch als Angebot zu einer „einvernehmlichen“ Vertragsauflösung per Ende Oktober verstehen (welches Angebot im Übrigen nach 10 Tagen und nachdem sich die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen zwischenzeitlich als arbeitsunfähig gemeldet hatte, auch gar nicht mehr annahmefähig gewesen wäre: Art. 5 OR). Wenn der Beklagte im Weiteren aufgrund zweier zwar „vorsorglicher“, aber eindeutiger Arbeitgeberkündigungen von einer „einvernehmlichen“ Kündigung per Ende Februar 2008 ausgeht, fehlt in seinem Vorbringen jeder Hinweis dafür, dass sich die Parteien entgegen des Wortlauts von act. 11/15 mit übereinstimmenden Willensäusserungen auf eine Beendigung des Arbeitsvertrages geeinigt hätten. Es ist demnach von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses per Ende Februar 2008 durch eine Arbeitgeberkündigung auszugehen, was auch die Klägerin anerkennt, allerdings mit Hinblick auf ein weiteres Kündigungsschreiben vom 23. November 2007.

 

BGer 4A_479/2021 vom 29. April 2022

Am 2. August 2017 schickte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin folgende E-Mail mit dem Titel „Ihre Briefe – Stellungnahme und Vertragsende“:

„Ich habe auch lange über die Neuorganisation unseres Unterrichts ab dem nächsten Jahr für das Team der Enfantines nachgedacht. Ich muss Ihnen daher mitteilen, dass Sie bis morgen eine Kündigung erhalten werden. […] Am selben 2. August um 18:23 Uhr schickte die Arbeitgeberin an die Adresse der Arbeitnehmerin ein Einschreiben mit dem Titel „Ihre Kündigung zum 30. August 2017“, das folgende Aussagen enthielt:

„Hiermit bestätige ich Ihre Entlassung mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Darüber hinaus sind Sie während dieser Zeit von der Arbeitspflicht befreit. Wie erläutert, ist es notwendig, das Kindergartenteam nach dem Weggang von D. neu zu organisieren. Leider bedeutet dies, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen nicht mehr fortgesetzt werden kann […]“. Die Arbeitnehmerin erhielt dieses Schreiben am 3. August 2017.

Im diesem Fall kann gemäss Bundesgericht die E-Mail vom 2. August 2017 („Ich muss Ihnen also mitteilen, dass Sie bis morgen ein Kündigungsschreiben erhalten werden“) nicht objektiv als Kündigung interpretiert werden. Man habe daraus schliessen können, dass es sich nicht um die (vorzeitige) Ausübung des Rechts auf Vertragsauflösung handelte, sondern um eine blosse Mitteilung, eine Mitteilung der Absicht.

 

Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung

Eine Kündigung entfaltet nur Wirkung, wenn sie der anderen Partei zur Kenntnis gebracht wird bzw. von dieser zur Kenntnis genommen werden kann. Die Kündigung entfaltet die Wirkung, wenn sie in den Machtbereich des Gekündigten gelangt. Eine Kündigung am Telefon entfaltet ihre Wirkungen unmittelbar, die auch – spezielle Umstände vorbehalten – wenn sie auf die Combox gesprochen wird.

Wird eine Kündigung via Einschreiben verschickt und kann sie niemandem übergeben werden, so gilt sie als am Tag zugestellt, an welchen sie bei der Post abgeholt werden kann. Dies ist im Normalfall der Tag, nachdem die Abholungseinladung zugestellt wurde.

Weiss der Kündigende, oder ist aufgrund von Treu und Glauben anzunehmen, dass der Kündigende die Kündigung nicht empfangen kann, so etwa wenn er sich in den Ferien befindet, und er nicht davon Kenntnis erlangen kann, so entfaltet die Kündigung die Wirkungen erst nach der Rückkehr.

Wir die Annahme des Einschreibens verweigert, entfaltet die Kündigung dennoch ihre Wirkungen. Siehe zum Zeitpunkt der Kündigung auch den entsprechenden Beitrag.

 

Weitere Beiträge zur Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani 

 

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.

 

Umfassende Informationen zum Gleichstellungsrecht finden sie hier.