Die Kündigungsphase ist oft eine emotional belastete Zeit. Zwischen Abschied, Neuorientierung und organisatorischen Fragen stellt sich für viele Arbeitnehmende eine zentrale Frage: Wie viel Zeit darf ein Arbeitnehmer eigentlich während der Arbeitszeit für seine Stellensuche beanspruchen?
Das Schweizer Obligationenrecht gibt hier eine klare Richtung vor – doch die praktische Umsetzung wirft oft Fragen auf. Dieser Beitrag erklärt übersichtlich, welche Rechte Arbeitnehmende haben, wie viel Zeit zusteht und worauf bei Lohn, Transparenz und Planung zu achten ist.
Gesetzliche Grundlage: Dein Anspruch ist verankert
Der Anspruch auf freie Zeit zur Stellensuche ergibt sich aus Art. 329 Abs. 3 OR. Dort heisst es, dass Arbeitnehmende «die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit» beanspruchen dürfen.
Wichtig dabei:
- Der Anspruch gilt unabhängig davon, ob die Kündigung von der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerseite ausgesprochen wurde.
- Er gilt auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Man orientiert sich an der hypothetischen Kündigungsfrist eines unbefristeten Vertrags.
Der Gesetzgeber lässt bewusst Raum für Einzelfallbeurteilungen, weshalb die konkrete Ausgestaltung oft von der Praxis geprägt wird.
Wie viel Zeit steht wirklich zu?
Das Gesetz nennt keinen fixen Stundenumfang. Die benötigte Zeit hängt unter anderem ab von:
- Länge der Kündigungsfrist
- Situation auf dem Arbeitsmarkt
- Alter und Berufsprofil
- Dringlichkeit der Stellensuche
Es hat sich als Orientierung etwa ein halber Tag pro Woche etabliert. Auch eine Aufteilung in kleinere Zeitslots (z. B. 2 × 2 Stunden) ist üblich.
Wichtig: Der Anspruch gilt nur für konkrete Termine, nicht für allgemeine Recherche oder das Verfassen von Bewerbungen.
Zu den anrechenbaren Zeiten gehören:
- Vorstellungsgespräche
- Assessments oder Tests
- Gespräche mit Personalvermittlern
- Wegzeiten
Bei kurzer Kündigungsfrist oder besonderen persönlichen Umständen kann im Einzelfall mehr Zeit erforderlich sein.
Was zählt als Stellensuche – und was nicht?
Der Anspruch umfasst alle objektiv notwendigen Tätigkeiten, um eine neue Stelle zu finden:
- Interviews
- Assessments
- Arbeitsplatzbesichtigungen
- Gespräche mit Recruitern
- Vorbereitungsarbeiten für die Gründung eines eigenen Betriebs, falls diese nicht in der Freizeit möglich sind
Nicht umfasst sind:
- das Schreiben von Bewerbungen
- das Durchstöbern von Jobportalen
- allgemeine Vorbereitung ohne festen Termin
Diese Tätigkeiten sind grundsätzlich ausserhalb der Arbeitszeit zu erledigen.
Planung und Transparenz gegenüber dem Arbeitgeber
Arbeitnehmende sind nicht verpflichtet, den Namen oder die Adresse einer möglichen neuen Arbeitgeberin offenzulegen.
Die Arbeitgeberin darf jedoch den genauen Zeitpunkt der Freistellung bestimmen – unter Berücksichtigung beider Interessen.
Das bedeutet:
- Betriebliche Bedürfnisse sollen berücksichtigt werden.
- Arbeitnehmende müssen Termine rechtzeitig melden, sobald sie feststehen.
Eine klare Kommunikation verhindert unnötige Konflikte und erleichtert die Koordination.
Muss die Zeit nachgearbeitet werden?
Grundsätzlich: Nein.
Eine generelle Pflicht, die Zeit für Bewerbungsaktivitäten nachzuarbeiten, besteht nicht.
Eine Ausnahme gilt nur, wenn:
- ausdrücklich vereinbart wurde, dass zusätzliche Freizeit nachgeholt wird
- oder die vereinbarte Zeit überschritten wurde, ohne dies abzusprechen
Lohnfrage: Muss der Arbeitgeber zahlen?
Ein höchstrichterlicher Entscheid zur Lohnzahlung während der Bewerbungsfreistellung fehlt bislang. In der Praxis gelten folgende Regeln:
Bei Monats- oder Wochenlöhnen:
→ In der Regel kein Lohnabzug.
Bei Stunden-, Tages- oder Akkordlöhnen:
→ Oft wird nur die effektiv geleistete Arbeitszeit vergütet.
Liegt ein Fall von Art. 324a OR (unverschuldete Arbeitsverhinderung) vor, ist der Lohn geschuldet.
Besonderheiten: Teilzeit, Befristung, Selbständigkeit
Teilzeit:
Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob Bewerbungstermine in der regulären Arbeitszeit wahrgenommen werden können oder nicht.
Befristete Arbeitsverhältnisse:
Auch hier besteht der Anspruch auf Zeit zur Stellensuche – häufig entgegen verbreiteter Annahmen.
Selbständigkeit:
Wer eine eigene Tätigkeit aufbauen möchte, kann ebenfalls Anspruch auf Arbeitsbefreiung haben, sofern gewisse Vorbereitungsschritte nicht in der Freizeit möglich sind.
Fazit: Rechte kennen – Chancen nutzen
Die Kündigungsphase ist herausfordernd, aber auch eine Möglichkeit für einen guten Neustart. Wer seine Rechte kennt, kann die Zeit für die Stellensuche gezielt und ohne zusätzlichen Stress nutzen.
Das Wichtigste auf einen Blick:
- Anspruch auf freie Zeit für konkrete Bewerbungstermine
- Offene Kommunikation mit der Arbeitgeberin
- Schriftliche Vereinbarung zur Sicherheit
- Realistische Planung und Dokumentation der Termine
Gut informiert in die Bewerbungsphase zu starten, erleichtert den Übergang in die nächste berufliche Etappe – und schützt vor unnötigen Konflikten. Siehe hierzu auch die Beiträge: Zeit für die Stellensuche und Frei für Bewerbungen?
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Autor: Nicolas Facincani
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