Gerichtsverfahren nach dem Gleichstellungsgesetz unterliegen verschiedenen prozessualen Besonderheiten:

  • Vereinfachtes Verfahren: Es ist das vereinfachte Verfahren anwendbar. Dieses unterliegt weniger strengen Formvorschriften. Die Klage kann entweder in unbegründeter Form nach Art. 130 ZPO eingereicht oder mündlich bei Gericht zu Protokoll gegeben werden. Auch eine schriftliche Klage ist möglich.
  • Schlichtungsverfahren: Dem Gerichtsverfahren geht grundsätzlich ein Schlichtungsverfahren voraus. Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos. Es wird versucht, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Bis zu einem Streitwert von CHF 2’000 kann die Schlichtungsbehörde einen Entscheid fällen. Die klagende Partei kann bei Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz einseitig auf das Schlichtungsverfahren verzichten.
  • Besondere Schlichtungsbehören: In der Regel sind für Verfahren nach dem Gleichstellungsgesetz nicht die allgemeinen, sondern besondere Schlichtungsbehörden zuständig.
  • Gerichtskosten: Schlichtungsstellen und Gerichte erheben bei Verfahren betreffend das Gleichstellungsgesetz keine Verfahrenskosten (Gerichts-, Gutachten- und Zeugenkosten). Von der Kostenlosigkeit ausgenommen ist die bös- oder mutwillige Prozessführung. Wer vor Gericht unterliegt, hat die Gegenseite aber zu entschädigen.
  • Untersuchungsmaxime: Es gilt die sog. «eingeschränkte» Untersuchungsmaxime. Das Gericht hat den Sachverhalt bis zu einem gewissen Grad mit eigenen Mitteln abzuklären. Die Parteien sind aber nicht davon befreit, bei der Feststellung des entscheidwesentlichen Sachverhalts aktiv mitzuwirken.
  • Glaubhaftmachung: Art. 6 des Gleichstellungsgesetzes bestimmt, dass bezüglich der Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung eine Diskriminierung vermutet wird, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Das bedeutet nicht, dass reine Behauptungen genügen. Auch bei Beweislasterleichterung müssen Tatsachen angeführt werden, die eine Diskriminierung als wahrscheinlich erscheinen lassen. Diese beiden Erleichterungen gelten indes nicht in Bezug auf die Anstellungsdiskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 2 sowie auf die Diskriminierung durch sexuelle Belästigung gemäss Art. 4 des Gleichstellungsgesetzes.
  • Wiedereinstellung: Wiedereinstellung: Während das Obligationenrecht für Fälle von missbräuchlicher Kündigung und das Gleichstellungsgesetz für diskriminierende Kündigungen die Geltendmachung einer Entschädigung vorsehen, gibt es im Gleichstellungsgesetz zusätzlich die Möglichkeit bei Vorliegen einer Rachekündigung die Wiedereinstellung zu verlangen und gerichtlich durchzusetzen.
  • Verbandsklagen: Verbände, Berufsorganisationen, Gewerkschaften und Frauenorganisationen, die seit mindestens zwei Jahren bestehen und gemäss Statuten die Gleichstellung von Frau und Mann fördern oder die Interessen von Arbeitnehmenden wahrnehmen, haben die Möglichkeit, auch ohne Zustimmung der Betroffenen Klage zur Feststellung von Diskriminierungen einzureichen, aber nur, wenn sich der Ausgang des Verfahrens voraussichtlich auf eine grössere Zahl von Arbeitsverhältnissen auswirkt.

 

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Autor: Nicolas Facincani