Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der vereinbart oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Die Parteien haben es in der Hand, die Höhe des Lohnes frei zu vereinbaren, soweit keine Bestimmungen des Gesetzes, eines Gesamtarbeitsvertrages oder eines Normalarbeitsvertrages entgegenstehen.

Grundsätzlich gilt der Grundsatz, dass bei ausbleibender Arbeit auch kein Lohn geschuldet ist (Art. 82). Bein Minusstunden ist aber zu differenzierend, weshalb es zu solchen Minusstunden gekommen ist.

Das Arbeitsgericht Zürich setzte sich in einem Entscheid mit verschiedenen bedeutsamen Aspekten von Minusstunden auseinander (Entscheide 2019, Nr. 5). Anhand dieses Entscheides werden nachfolgend Aspekte der Minusstunden dargestellt.

 

Definition von Minusstunden

Von Minusstunden wird gesprochen, wenn ein Arbeitnehmer weniger als vereinbart arbeitet. Die Definition der Minusstunden sagt somit noch nichts darüber aus, ob der (volle) Lohn dennoch geschuldet ist oder nicht.

 

Folgen von Minusstunden

Sofern kein Ausnahmetatbestand vorliegt, kann der Arbeitgeber im Umfang von Minusstunden den Lohn reduzieren bzw. einen Lohnabzug vornehmen, es sei denn, es komme ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand zur Anwendung, welcher das Prinzip «ohne Arbeit kein Lohn» durchbricht. Als gesetzliche Ausnahmetatbestände kommen Art. 324 OR (Arbeitgeberverzug) sowie Art. 324a/b OR (unverschuldete Arbeitsverhinderung) in Betracht.

Das Bundesgericht hat diese Rechtslage in BGer 4A_291/2008 vom 2. Dezember 2008 zusammengefasst:

Der Arbeitsvertrag ist ein schuldrechtliches Austauschverhältnis. Wenn die eine Partei nicht leistet, kann die andere ihre Leistung zurückbehalten. Das ergibt sich aus den in Art. 82 OR festgehaltenen allgemeinen Grundsätzen und wurde vom Bundesgericht auch bezüglich des Rechts auf Arbeitsverweigerung bei Lohnrückständen ausdrücklich festgehalten (BGE 120 II 209 E. 6a S. 212). 

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings gewichtige Ausnahmen: Trifft der Gläubiger nicht die notwendigen Vorbereitungen, um die ihm geschuldete Leistung entgegennehmen zu können, gerät er in Annahmeverzug (Art. 91 OR). Weil die im allgemeinen Teil des Obligationenrechts für diesen Fall vorgesehene Rechtsfolge – nämlich der Rücktritt vom Vertrag (Art. 95 OR) – bei einem Dauerschuldverhältnis kaum adäquat ist, hat der Gesetzgeber beim Arbeitsvertrag eine Sonderregel geschaffen. Der Arbeitgeber hat den Lohn für die ganze Dauer der Verhinderung zu bezahlen, obgleich er die Arbeitsleistung nicht erhält und der Arbeitnehmer auch nicht später die Leistung noch erbringen muss (Art. 324 Abs. 1 OR). Dafür steht dem Arbeitnehmer kein Recht zu, vom Vertrag zurückzutreten (Frank Vischer, Der Arbeitsvertrag, SPR Bd. VII/4, 3. Aufl. 2005, S. 122). 

Die gleichen Rechtsfolgen treten ein, wenn die Leistung aus einem Grund unmöglich geworden ist, der im Risikobereich des Arbeitgebers liegt. Der Gesetzestext ist allerdings verwirrend. Es steht aber in der Lehre ausser Diskussion, dass Art. 324 OR auch jene Fälle erfasst, in denen ohne das Verschulden des Arbeitgebers die Arbeitsleistung wegen eines Ereignisses unmöglich geworden ist, das in der Risikosphäre des Arbeitgebers liegt (Vischer, a.a.O., S. 122; Jürg Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl. 1996, N. 2 zu Art. 324 OR, Manfred Rehbinder, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2002, Rz. 113 und 206; Adrian Staehelin, in: Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 10 und 12 zu Art. 324 OR; Ullin Streiff/Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 4 zu Art. 324 OR; Gabriel Aubert, in: Commentaire romand, Code des obligations art. 1-529, 2003, N. 1 zu Art. 324 OR). Dazu gehört auch Zufall und höhere Gewalt (Staehelin, a.a.O., N. 19 f. zu Art. 324 OR). 

Entscheidend ist damit immer die Frage, in wessen Risikosphäre das entsprechende Ereignis fällt. Gemäss dieser Risikoaufteilung trifft den Arbeitgeber grundsätzlich keine Lohnfortzahlungspflicht, wenn die Verhinderung in der Risikosphäre des Arbeitnehmers liegt. Es gilt der Grundsatz „kein Lohn ohne Arbeit“. Das Gesetz mildert diesen Grundsatz aber dahin, dass es eine Lohnfortzahlungspflicht während einer beschränkten Dauer vorsieht, wenn die Arbeitsunfähigkeit in der Person des Arbeitnehmers begründet ist und diesen kein Verschulden daran trifft (Art. 324a und 324b OR).

Es ist also im Einzelfall zu prüfen und festzustellen, wie es zu den Minusstunden gekommen ist, was insbesondere dann zu Problemen, wenn nicht am Ende eines jeden Monats über die Minusstunden abgerechnet wird.

 

Lohnreduktion / Rückforderung

Der Arbeitgeber kann wie bereits erwähnt bei Vorliegen von Minusstunden den Lohn im entsprechenden Umfang in derselben Abrechnungsperiode verweigern. Hat er in einem Monat bereits zu viel bezahlt, kommt ihm ein Rückforderungsanspruch zu, welche mit künftigen Lohnzahlungen verrechnet werden kann.

Es stellt sich hier regelmässig die Frage, wie lange der Arbeitgeber einen Lohnabzug bei Minusstunden vornehmen kann.

Wir der Lohn trotz der Tatsache, dass die Minusstunden bereits bekannt sind, vorbehaltslos ausbezahlt besteht das Risiko, dass der Rückforderungsanspruch verwirkt. So wurde es etwa vom Arbeitsgericht Zürich in der Vergangenheit als unzulässig erachtet Minusstunden während der Kündigungsfrist zu verrechnen, obwohl der Lohn vorher während mehrerer Jahre trotz bekannter/ersichtlicher Minusstunden jeweils am Monatsende vorbehaltslos ausbezahlte.

Das Bundegericht (BGer 4A_351/2011 vom 5.September 2011) vertritt sodann die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer von einem Verzicht des Arbeitgebers ausgehen dürfte, wenn der Arbeitgeber es unterlässt, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Grundsatz nach bekannten Ansprüchen geltend zu machen, insbesondere unter vorbehaltsloser Auszahlung des letzten Lohnes:

2.2 Das Gesetz enthält keinerlei Bestimmungen darüber, wann spätestens ein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer geltend gemacht werden muss. Namentlich enthält das Bundesrecht keine besonderen Regeln über die Verjährung solcher Forderungen, so dass grundsätzlich die allgemeine zehnjährige Frist für Vertragsverletzungen gilt (Art. 127 OR). Von einem vorzeitigen Untergang der Forderung ist nur auszugehen, wenn der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Regeln des Obligationenrechts über den Vertragsabschluss aus dem Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben auf einen vertraglichen Verzicht nach Art. 115 OR schliessen kann. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer von einem Verzicht ausgehen, wenn es der Arbeitgeber unterlässt, Ansprüche, die ihm dem Umfang oder dem Grundsatz nach bekannt sind, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, insbesondere unter vorbehaltloser Auszahlung des letzten Lohnes. Die Beweislast für die Tatsachen, die auf einen Verzicht schliessen lassen, trägt der Arbeitnehmer (BGE 110 II 344 E. 2b S. 345 f.; Urteile 4C.155/2006 vom 23. Oktober 2006 E. 7.1.1; 4C.146/2003 vom 28. August 2003 E. 6.2). 

Die weitergehende Ansicht und Praxis einiger kantonaler Gerichte, in Kenntnis aller Voraussetzungen der Schadenersatzforderung müsse der Arbeitgeber die Forderung bereits bei der nächsten Lohnzahlung durch Verrechnung geltend machen oder wenigstens einen entsprechenden Vorbehalt anbringen, andernfalls sein Anspruch in der Regel als verwirkt gelte (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 34 zu Art. 321e OR; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. 2005, N. 8 zu Art. 321e OR; FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl. 2005, S. 195, m.H. auf entsprechende kantonale Rechtsprechung), wird demgegenüber von einem Teil der Lehre als zu streng abgelehnt (REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2010, N. 16 zu Art. 321e OR; PORTMANN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 23 zu Art. 321e OR; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 6. Aufl. 2006, N. 14 zu Art. 321e OR). 

Die Erklärung, dass Schadenersatzansprüche aus einem bestimmten Ereignis vorbehalten bleiben, genügt, um zu verhindern, dass beim Arbeitnehmer die berechtigte Erwartung entsteht, der Arbeitgeber verzichte auf Schadenersatz. Es braucht für den Vorbehalt keine Bezifferung, Verrechnung oder gar Klage (STAEHELIN, a.a.O., N. 34 zu Art. 321e OR). Jedoch muss der Arbeitgeber nach dem Ausgeführten ihm bekannte Ersatzforderungen – auch wenn er sie sich vorbehalten hat oder wegen Unpfändbarkeit des Lohnanspruchs nicht hat verrechnen können – auf alle Fälle spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellen, andernfalls Verzicht anzunehmen ist (BGE 110 II 344 E. 2b S. 346; REHBINDER/STÖCKLI, a.a.O., N. 16 zu Art. 321e OR; STAEHELIN, a.a.O., N. 34 zu Art. 321e OR; als zu streng abgelehnt von STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 14 zu Art. 321e OR).

Einem Arbeitgeber ist somit zu empfehlen, Rückforderungsansprüche so rasch wie möglich geltend zu machen und solche Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber frühzeitig zu dokumentieren.

 

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Autor: Nicolas Facincani