Im Rahmen einer subsidiären Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesgericht zu prüfen (BGer 4D_7/2021 vom 12. April 2021), ob die Leistungseinstellung durch die Versicherung aufgrund einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit zulässig war oder nicht.

Der Arbeitnehmer hat den Arbeitsvertrag auf den 30. November 2019 gekündigt. Vom 14. Juni 2019 bis zum 30. November 2019 war er (angeblich) arbeitsplatzbedingt arbeitsunfähig. Gestützt auf die zwischen dem Arbeitgeber und der Versicherung abgeschlossenen Krankentaggeldversicherung richtete die Versicherung dem Versicherten Taggelder aus. Per 1. September 2019 stellte die Versicherung die Zahlungen ein, da ihr zufolge ab diesem Datum die Arbeitsunfähigkeit ausschliesslich arbeitsplatzbezogen und nicht medizinisch gewesen sei.

Umstritten war, ob der Arbeitnehmer im Zeitraum vom 1. September bis zum 30. November 2019 im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beschwerdeführerin (nachfolgend: AVB) arbeitsunfähig war. Die Versicherung rügte eine willkürliche Beweiswürdigung.

 

Kantonaler Entscheid

Die kantonale Vorinstanz hatte erwog, die Erstinstanz habe den Versicherungsvertrag ausführlich und nachvollziehbar ausgelegt und sei zum Schluss gekommen, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit versichert sei. Als solche sei auch eine (rein) arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit zu verstehen, sofern eine gesundheitliche Einschränkung der Grund für die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit sei. Vorliegend sei eine solche mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Gemäss dem Arztzeugnis von Dr. med. D.________ vom 31. Oktober 2019 stehe der Arbeitnehmer wegen Krankheit seit dem 14. Juni 2019 in Behandlung und seine Arbeitsunfähigkeit dauere bis November 2019. Diese Formulierung weise eindeutig darauf hin, dass eine gesundheitliche Einschränkung der arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit zugrunde liege. Dem Arztzeugnis lasse sich auch kein Hinweis entnehmen, wonach die gesundheitliche Einschränkung ab dem 1. September 2019 nicht mehr bestanden hätte. Soweit die Versicherung – unter Verweis auf von ihr verfasste Telefonnotizen – dagegen vorbringe, einerseits habe der Arbeitnehmer selbst bestätigt, die Arbeitsunfähigkeit sei ausschliesslich arbeitsplatzbezogen, und andererseits habe Dr. med. D.________ erklärt, dass beim Arbeitnehmer zu Beginn zwar eine medizinisch ausgewiesene Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe, diese jedoch aktuell ausschliesslich arbeitsplatzbezogen sei, sei ihr entgegenzuhalten, dass gemäss dem Versicherungsvertrag auch eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit die Leistungspflicht auslöse, sofern ihr eine gesundheitliche Einschränkung zugrunde liege. Des Weiteren widerspreche die Notiz betreffend das Telefonat mit Dr. med. D.________ der Argumentation der Versicherung, wonach nie eine medizinische Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Schliesslich komme Telefonnotizen ohnehin kein Beweiswert zu, der wesentlich über eine reine Parteibehauptung hinausgehe. Dementsprechend könne nicht auf die behauptete Aussage von Dr. med. D.________ abgestellt werden.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht schützte den Entscheid der kantonalen Gerichte, wobei die Prüfungsmöglichkeiten im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde eingeschränkt war:

4.1 Das Bundesgericht greift in die Beweiswürdigung des Sachgerichts nur ein, wenn diese willkürlich ist. Willkür liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, sondern bloss, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 141 III 564 E. 4.1 S. 566; 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; je mit Hinweisen). Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn sie nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmt, sondern bloss, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564  E. 4.1 S. 566; 135 II 356 E. 4.2.1 S. 362). Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 137 III 226 E. 4.2 S. 234). Inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Namentlich genügt es nicht, einzelne Beweise anzuführen, die anders als im angefochtenen Entscheid gewichtet werden sollen, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik die eigene Auffassung zu unterbreiten, als ob diesem freie Sachverhaltsprüfung zukäme (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 f.; 116 Ia 85 E. 2b S. 88).

Begründet wurde der Entscheid des Bundesgerichts wie folgt:

Dem Arztzeugnis könne entnommen werden, dass der Arbeitnehmer seit dem 14. Juni 2019, aufgrund einer nicht genannten Krankheit bei Dr. med. D.________ in Behandlung sei und arbeitsunfähig sei, wobei es sich um eine arbeitsplatzbedingte Arbeitsunfähigkeit handle. Daraus habe die Vorinstanz willkürfrei ableiten können, dass eine gesundheitliche Einschränkung Grund für die arbeitsplatzbedingte Arbeitsunfähigkeit gewesen sei. Die Arbeitsunfähigkeit habe den Angaben des Arztes zufolge vom 14. Juni bis zum 30. November 2019 gedauert und habe mithin auch die vorliegend zur Diskussion stehende Periode vom 1. September bis zum 30. November 2019 eingeschlossen.

Insofern sei der vorinstanzliche Schluss, die gesundheitliche Einschränkung des Arbeitnehmers habe auch in dieser Zeit bestanden, ebenfalls nicht willkürlich. Der Vorwurf, wonach die Vorinstanz rückwirkend eigene medizinische Annahmen getroffen habe, sei in Anbetracht des Vorerwähnten nicht nachvollziehbar. Betreffend den Beweiswert des Arztzeugnisses habe die Vorinstanz erwogen, dieses sei ein Parteigutachten und könne als solches Basis substanziierter Parteibehauptungen bilden. Mit Blick darauf, dass das Zeugnis von einer fachkundigen Person ausgestellt worden sei und die Ausstellung eines falschen ärztlichen Zeugnisses mit Strafe nach Art. 318 StGB bedroht sei, habe die Vorinstanz dem Zeugnis einen gewissen Beweiswert zuerkannt. Auch dieses Vorgehen sei nicht geradezu willkürlich.

Hätte das Bundesgericht anders entschieden, wäre wohl fraglich, ob die Versicherungslösung Art. 324a Abs. 4 OR genügen würde.

 

Weitere Beiträge im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

Weitere umfassende Informationen zum Arbeitsrecht finden sie hier.