Art. 336 OR listet Gründe auf, welche zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führen. Durch Art. 336 OR wird das Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB konkretisiert (BGE 134 III 108 ), womit für eine eigenständige Anwendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots eigentlich kein Raum bestehen würde (siehe allerdings BGE 121 III 60). Somit sind nicht nur die in diesem Artikel aufgelisteten Fälle missbräuchlich. Vielmehr ist Art. 336 nicht abschliessend. Somit fallen auch gegen das Rechtsmissbrauchsverbot fallende Fälle darunter, die eine mit den in Art. 336 OR genannten vergleichbare Schwere aufweisen (zum Ganzen: Facincani/Bazzell, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 336 N 45 ff.).

 

BGer 4A_157/2022 vom 5. August 2022

In BGer 4A_157/2022 vom 5. August 2022 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es missbräuchlich sei, einen Mitarbeiter zu entlassen, nachdem die Zusicherung an einen Mitarbeiter erfolgte, er werde nicht entlassen.

Dazu führte das Bundesgericht aus, dass ein bloss unanständiges, einem geordneten Geschäftsverkehr unwürdiges Verhalten der Arbeitgeberin nicht genüge, um die Kündigung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Es sei nicht Aufgabe der Rechtsordnung, bloss unanständiges Verhalten zu sanktionieren (Erw. 3.2).

Beispielsweise sei die Zusicherung an einen Mitarbeiter, er werde nicht entlassen, worauf kurz darauf dennoch die Kündigung erfolgt, zwar nicht korrekt, aber für sich allein nicht missbräuchlich. Dies gelte allerdings nur, solange die erwähnte Zusicherung den Arbeitnehmer nicht zu Dispositionen veranlasst habe, die durch die nachfolgende Kündigung hinfällig geworden seien. So wurde es als missbräuchlich erachtet, dass eine Arbeitgeberin im Wissen um die bevorstehende Kündigung zuliess, dass der Arbeitnehmer einschneidende, persönliche Vorkehrungen traf, indem er von den USA in die Schweiz übersiedelte, um seinen Arbeitspflichten nachzukommen (Erw. 3.3). Dies hatte das Bundesgericht in BGE 131 III 353 E. 4.2 wie folgt erklärt:

[…] un comportement qui ne serait simplement pas convenable ou indigne des relations commerciales établies ne suffit pas. Il n’appartient pas à l’ordre juridique de sanctionner une attitude seulement incorrecte (arrêt 4C.174/2004 précité, consid. 2.1 in fine).Par exemple, le fait pour l’employeur d’avoir affirmé à son collaborateur qu’il ne serait pas licencié et de lui notifier son congé une semaine plus tard est un comportement qui n’est certes pas correct, mais qui ne rend pas à lui seul le congé abusif (arrêt 4C.234/2001 du 10 décembre 2001, consid. 3b non publié à l‘ ATF 128 III 129, traduit in SJ 2002 I p. 389).

 

Unbewilligte Nebentätigkeit

Im Sachverhalt, der dem Bundegerichtsentscheid BGer 4A_157/2022 vom 5. August 2022 zugrunde lag, ging es etwa darum, dass die Arbeitnehmerin eine unbewilligte Nebentätigkeit ausgeübt hatte.

Sie machte anlässlich des Verfahrens vor der oberen kantonalen Instanz geltend, sie habe die Arbeitgeberin anlässlich eines Gespräches, welches vor der Kündigung so verstanden, dass die Angelegenheit durch die Aufgabe der Nebenbeschäftigung erledigt sei. Mit der Kündigung der Nebenbeschäftigung habe sie eine Disposition getroffen und nur noch über das Einkommen aus ihrer Tätigkeit bei der Arbeitgeberin verfügt. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die diesbezüglich interne Untersuchung entweder abgeschlossen sei oder dass sie als langjährige Mitarbeiterin nicht mehr mit einer Kündigung rechnen müsse. Zudem sei kurz vor der Kündigung ihr Pensum erhöht worden. Das Bundesgericht verneinte diesbezüglich das Vorliegen einer missbräuchlichen Kündigung, mit den folgenden Erwägungen:

4.2.3. Die Vorinstanz betonte, dass die Nebenbeschäftigung der Beschwerdeführerin spätestens ab dem 1. März 2016 nicht mehr bewilligt gewesen sei. Ab diesem Datum habe sie ihren Arbeitsvertrag mit der Beschwerdegegnerin fortwährend verletzt. Im Gespräch vom 18. August 2017 sei die Nebenbeschäftigung thematisiert worden. Die Beschwerdeführerin habe spätestens dann gewusst, dass die Beschwerdegegnerin ihre unbewilligte Nebenbeschäftigung nicht akzeptiere. Folglich habe sie am 23. August 2017 die Nebenbeschäftigung gekündigt. Dass damit die Angelegenheit für die Beschwerdegegnerin erledigt gewesen sei, stellt gemäss Vorinstanz eine blosse Behauptung der Beschwerdeführerin dar, welche die Beschwerdegegnerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren bestritten habe und die beweislos geblieben sei. Die Vorinstanz wies darauf hin, dass die Beschwerdeführerin ausgesagt habe, ihr sei nicht gesagt worden, welche Auswirkungen eine Kündigung ihrer Nebenbeschäftigung habe. Daraus leitete die Vorinstanz ab, die Beschwerdeführerin habe die Nebenbeschäftigung aus freien Stücken gekündigt, nachdem sie die Beschwerdegegnerin darauf hingewiesen habe, dass sie damit ihren Arbeitsvertrag verletzt habe.  

Gemäss Vorinstanz unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt insofern vom zit. Urteil 4A_69/2010, als die Beschwerdegegnerin nicht verpflichtet gewesen sei, die Beschwerdeführerin von einer Kündigung der Nebenbeschäftigung abzuhalten. Denn einerseits habe diese unbewilligte Nebenbeschäftigung den Arbeitsvertrag mit der Beschwerdegegnerin verletzt. Anderseits habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet, dass die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt der Kündigung der Nebenbeschäftigung bereits beschlossen habe, ihr wegen der Vertragsverletzung zu kündigen. Vielmehr habe die Beschwerdegegnerin sowohl am 18. August 2017 als auch am 28. August 2017 darauf aufmerksam gemacht, dass noch eine interne Untersuchung laufe. 

Die Beschwerdeführerin brachte bereits im Berufungsverfahren vor, sie habe ihre Nebenbeschäftigung gekündigt, weil die Beschwerdegegnerin ihr Pensum erhöht habe. Dem entgegnete die Vorinstanz schlüssig, dass die Erhöhung des Pensums wohl unterblieben wäre, wenn die Beschwerdeführerin ihre Nebenbeschäftigung nicht gekündigt hätte, da sonst ein Gesamtpensum von 120 % resultiert hätte. Allerdings habe die Beschwerdeführerin weder substanziiert behauptet noch nachgewiesen, dass die Beschwerdegegnerin die Erhöhung des Pensums als Gegenleistung für die Kündigung der Nebenbeschäftigung versprochen habe. 

Zudem berücksichtigte die Vorinstanz den Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die Beschwerdegegnerin bei der Erhöhung des Pensums am 10. Oktober 2017 gewusst habe, dass die Nebenbeschäftigung gekündigt worden sei. Die Vorinstanz erkannte darin aber keinen Grund, der es der Beschwerdegegnerin verwehrt hätte, der Beschwerdeführerin in der Folge wegen der fortgesetzten Vertragsverletzung ordentlich zu kündigen. Sie wies überzeugend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin mit der Kündigung der Nebenbeschäftigung letztlich nur ihre Vertragsverletzung beendete. 

Sodann setzte sich die Vorinstanz mit den Argumenten der Beschwerdeführerin auseinander, dass die Beschwerdegegnerin mit der Erhöhung des Pensums bis zum Abschluss der internen Untersuchung hätte zuwarten können und dass sie der Beschwerdeführerin beim Gespräch vom 7. September 2017 hätte mitteilen können, dass die interne Untersuchung noch im Gange war. Dem erwiderte die Vorinstanz, dass sich damit für die Beschwerdeführerin nichts geändert hätte. Denn sie habe die Nebenbeschäftigung bereits am 23. August 2017 gekündigt und damit vor dem erwähnten Gespräch vom 7. September 2017, vor der Erhöhung des Pensums vom 10. Oktober 2017 und vor der Kündigung am 18. Dezember 2017. Die Erhöhung des Pensums habe damit in keinem Kausalzusammenhang gestanden mit der Kündigung der Nebenbeschäftigung. 

Gemäss Vorinstanz erscheint merkwürdig, dass für die Erhöhung des Pensums eine Person zuständig war, die auch von der internen Untersuchung zur Nebenbeschäftigung der Beschwerdeführerin wusste. Dazu erwog die Vorinstanz, die Erhöhung des Pensums könne ohne weiteres für den Fall erfolgt sein, dass die interne Untersuchung ohne ordentliche Kündigung enden würde. Der Beschwerdeführerin scheint diese Begründung „geradezu an den Haaren herbeigezogen“, doch legt sie nicht dar, inwiefern Willkür in der Sachverhaltsfeststellung vorliegen sollte. Zwar hält sie die Ausführungen der Vorinstanz für widersprüchlich, weil danach einerseits die Pensumserhöhung in keinem Kausalzusammenhang zur Kündigung bei der C.________ AG gestanden habe, aber andererseits wohl unterblieben wäre, wenn die Beschwerdeführerin ihre Nebenerwerbstätigkeit zuvor nicht gekündigt hätte. Ein natürlicher Kausalzusammenhang ist aber gegeben, wenn ein Ereignis eine notwendige Bedingung („conditio sine qua non“) für ein anderes darstellt (BGE 143 III 242 E. 3.7). Das bedeutet nicht, dass dieses seinerseits kausal für das erste wäre. Zwar wurde die Pensumserhöhung erst wegen der Beendigung der Nebentätigkeit möglich. Das sagt aber nichts darüber aus, ob die Beendigung mit Blick auf die Pensumserhöhung oder davon unabhängig erfolgte. Die Beschwerdeführerin hat nach den Feststellungen der Vorinstanz ab dem 1. März 2016 ihren Arbeitsvertrag fortwährend verletzt und war insoweit ohnehin gehalten, diese Nebenbeschäftigung aufzugeben. 

Unabhängig davon erwog die Vorinstanz überzeugend, dass die Beschwerdeführerin nie behauptet habe, die Kündigung sei im Zeitpunkt der Erhöhung des Pensums vom 10. Oktober 2017 für die Beschwerdegegnerin bereits beschlossene Sache gewesen. Soweit die Beschwerdeführerin behaupte, es hätte der Beschwerdegegnerin in diesem Zeitpunkt klar sein müssen, dass eine Kündigung wahrscheinlich sei, so handle es sich um ein unzulässiges Novum. Die Beschwerdeführerin rügt zwar sinngemäss, sie habe erstinstanzlich geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin habe ein falsches und verdecktes Spiel getrieben, indem sie weiterhin intern untersucht und aktiv nach Kündigungsgründen gesucht habe. Wenn die Vorinstanz darin keine Behauptung erkennt, die Kündigung sei bereits beschlossene Sache gewesen, sondern prüft, ob die Beschwerdegegnerin ein verdecktes, falsches Spiel getrieben hat, ist das indessen nicht zu beanstanden. 

Im Ergebnis verneinte die Vorinstanz einleuchtend, dass die Beschwerdegegnerin treuwidrig einen Willen zur Fortsetzung des Arbeitsvertrags vorgetäuscht habe, nur um anschliessend überraschend zu kündigen. Denn einen Vertragsfortsetzungswillen könne nur vortäuschen, wer einen solchen nicht habe. Dies treffe im Zeitpunkt der Erhöhung des Pensums auf die Beschwerdegegnerin nicht zu. Auch diese Beweiswürdigung ist nicht willkürlich. Die Erhöhung des Pensums spricht vielmehr dafür, dass die Kündigung in diesem Zeitpunkt noch nicht feststand und der Ausgang der Untersuchung offen war. 

Die Beschwerdeführerin brachte im Berufungsverfahren vor, sie habe gestützt auf die Erhöhung des Pensums vom Abschluss der internen Untersuchung ausgehen dürfen. Diesen Einwand verwarf die Vorinstanz, indem sie darauf hinwies, die Beschwerdegegnerin habe der Beschwerdeführerin zuvor explizit bestätigt, dass die interne Untersuchung noch läuft. Zudem sei die Beschwerdeführerin am 10. November 2017 von der für die interne Untersuchung zuständigen Vertreterin der Beschwerdegegnerin befragt worden. Daraus habe sie schliessen müssen, dass die Angelegenheit noch nicht ausgestanden war und sie weiterhin mit Konsequenzen wie einer Kündigung zu rechnen hatte. Vor diesem Hintergrund musste die Vorinstanz kein verdecktes, falsches Spiel der Beschwerdeführerin als erwiesen ansehen. 

4.3. Nach dem Gesagten verneinte die Vorinstanz zu Recht die Missbräuchlichkeit der Kündigung vom 18. Dezember 2017. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder der Begründungspflicht liegt nicht vor. Die diesbezügliche Rüge der Beschwerdeführerin ist ungenügend begründet.

 

Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung (Auswahl):

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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