Der Bundesrat will die Leistungen der Erwerbsersatzordnung (EO) vereinheitlichen und sie besser an die gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen. Die EO wurde ursprünglich eingeführt, um den Verdienstausfall von Dienstleistenden in der Armee zu ersetzen. In mehreren Schritten wurde der Leistungsumfang erweitert. Heute entschädigt die EO auch Einkommensverluste im Zusammenhang mit Elternschaft. Abgedeckt sind insbesondere der Urlaub nach einer Geburt oder einer Adoption sowie der Betreuungsurlaub für Eltern von gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 16. April 2025 die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.

 

Vergangene Anpassungen

Seit 2021 wurde die EO mehrfach angepasst. Seit dem 1. Juli 2021 haben Mütter Anspruch auf eine längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung, sofern das Neugeborene direkt nach der Geburt während mindestens zwei Wochen im Spital bleiben muss. Die Mutterschaftsentschädigung wird um die Anzahl Tage länger ausgerichtet, die das Neugeborene im Spital bleiben muss, maximal um 56 Tage. Auf die Verlängerung haben nur Mütter Anspruch, die nach dem Mutterschaftsurlaub wieder erwerbstätig sind.

Sodann wurde ein über die EO entschädigter Vaterschaftsurlaub eingeführt, der auf die Volksinitiative vom 4. Juli 2017 «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» (18.052) zurückgeht. Die Volksinitiative verlangte vom Bund, einen mindestens vierwöchigen gesetzlich vorgeschriebenen und über die EO entschädigten Vaterschaftsurlaub einzuführen. Am 21. August 2018 beschloss die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) der Volksinitiative einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer parlamentarischen Initiative gegenüberzustellen, die einen zweiwöchigen bezahlten Vaterschaftsurlaub beinhaltete, den erwerbstätige Väter in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes flexibel beziehen können. Das Parlament verabschiedete den Gegenvorschlag in der Schlussabstimmung vom 27. September 2019 und 60,3 Prozent der Stimmberechtigten sprachen sich in der Volksabstimmung vom 27. September 2020 für die Vorlage aus. Die EO-Änderung ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten.

Ausserdem haben Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen, um ein gesundheitlich schwer beeinträchtigtes Kind zu betreuen, seit dem 1. Juli 2021 Anspruch auf einen über die EO entschädigten 14-wöchigen Betreuungsurlaub. Diese Gesetzesänderung wurde mit dem Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung, welches vom Parlament am 20. Dezember 2019 angenommen wurde, eingeführt. Dieses geht zurück auf verschiedene Entscheide, die das Parlament und der Bundesrat in den letzten Jahren gefällt haben, um die Vereinbarkeit von Angehörigenbetreuung und Erwerbstätigkeit zu verbessern.

Darüber hinaus traten am 1. Juli 2022 die Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der «Ehe für alle» in Kraft. Die Ehefrau der Mutter gilt seit dieser Änderung als anderer Elternteil, wenn sie im Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist und das Kind gemäss dem Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 19984 durch eine Samenspende gezeugt wurde (vgl. Art. 255a des Zivilgesetzbuchs). Aus diesem Grund hat sie ebenfalls Anspruch auf den Vaterschaftsurlaub und die Vaterschaftsentschädigung. Im Weiteren haben Personen, die ein Kind von unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen, seit dem 1. Januar 2023 Anspruch auf einen zweiwöchigen Adoptionsurlaub, der nach denselben Regeln und Grundsätzen entschädigt wird, wie die anderen in der EO bestehenden Urlaube. Dieser Urlaub ist zurückzuführen auf die parlamentarische Initiative Romano vom 12. Dezember 2013 (13.478 «Einführung einer Adoptionsentschädigung»), welche die Einführung einer Erwerbsausfallentschädigung bei der Adoption eines Kindes verlangte. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in der Schweiz keine einheitliche Regelung. Am 14. September 2021 stimmte das Parlament einem zweiwöchigen Adoptionsurlaub zu.

Die letzte Änderung des EOG, die am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, betrifft die Taggelder für den hinterlassenen Elternteil und sieht eine Verlängerung des Vaterschafts- oder des Mutterschaftsurlaubs vor, wenn ein Elternteil kurz nach der Geburt des Kindes stirbt. Diese Änderung geht auf die parlamentarische Initiative Kessler vom 8. Juni 2015 (15.434 «Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter») zurück. Stirbt die Mutter innerhalb von 14 Wochen nach der Geburt des Kindes, werden dem Vater bzw. der Ehefrau der Mutter 98 zusätzliche Taggelder gewährt, die ab dem Folgetag des Todestags am Stück zu beziehen sind. Im gleichen Sinn hat die Mutter, wenn der Vater bzw. die Ehefrau der Mutter innerhalb der Rahmenfrist für den Bezug der Vaterschaftsentschädigung stirbt, Anspruch auf 14 zusätzliche Taggelder, die sie innerhalb einer Rahmenfrist von 6 Monaten ab dem Folgetag des Todestags frei beziehen kann. Die Gesetzesänderung zog auch eine Reihe von redaktionellen Änderungen nach sich. Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative der Grünliberalen Fraktion vom 5. Dezember 2013 (13.468 «Ehe für alle» wird der «Vaterschaftsurlaub» in «Urlaub des andern Elternteils») umbenannt und die «Vaterschaftsentschädigung» heisst neu «Entschädigung des andern Elternteils».

Nun werden neuen Änderungen vorgeschlagen. Diese sind wie folgt:

 

Leistungen werden vereinheitlicht

Derzeit werden bestimmte Leistungen nur Dienstleistenden gewährt. Dazu gehören die Betriebszulage, die Zulage für Betreuungskosten und die Kinderzulage. Künftig soll die Betriebszulage, mit der ein Teil der Fixkosten von Selbstständigen während ihrer Dienstzeit gedeckt wird, auf alle EO-Bezügerinnen und -Bezüger mit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgeweitet werden. Die Betriebszulage unterstützt sie dabei, die Kosten während ihres Urlaubs zu bestreiten. Auch die Zulage für Betreuungskosten wird gemäss Vorlage beibehalten und auf alle EO-Anspruchsberechtigten ausgeweitet. Aufgehoben wird hingegen die Kinderzulage, die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Familienzulagen (FamZG) eingeführt wurde und nun nicht mehr notwendig ist. Sie führt zu einer Überentschädigung, da gemäss FamZG für jedes Kind bereits Anspruch auf eine Zulage besteht, unabhängig von der beruflichen oder persönlichen Situation der Eltern.

 

Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt der Mutter wird verlängert

Wenn ein Neugeborenes unmittelbar nach der Geburt mindestens zwei Wochen im Spital bleiben muss, kann die Mutterschaftsentschädigung heute länger ausgerichtet werden. Bei einem längeren Spitalaufenthalt der Mutter ist hingegen keine entsprechende Regel vorgesehen, obwohl sich die Mutter in diesem Fall nicht um das Neugeborene kümmern kann. Der Entwurf sieht vor, dass die Mutterschaftsentschädigung um die tatsächliche Dauer des Spitalaufenthalts der Mutter verlängert werden kann, wie bei einem längeren Spitalaufenthalt des Neugeborenen, höchstens aber auf 56 Tage.

 

Entschädigung des andern Elternteils bei Tod des Kindes bleibt bestehen

Heute erlischt der Anspruch auf die Entschädigung des andern Elternteils, die den vom Vater bzw. von der Ehefrau der Mutter bezogenen Urlaub entschädigt, wenn das Neugeborene stirbt. Die Änderungsvorlage sieht vor, dass der Vater bzw. die Ehefrau der Mutter den Anspruch behält, wenn das Neugeborene bei der Geburt oder innerhalb der ersten 14 Tage verstirbt.

 

Anspruch auf Betreuungsentschädigung bei Hospitalisierung des Kindes wird ausgeweitet

Wenn ein Kind während mindestens vier Tagen im Spital bleiben muss, soll ein Elternteil die Erwerbstätigkeit unterbrechen und für die Dauer des Spitalaufenthalts eine Betreuungsentschädigung erhalten können. Sobald das Kind wieder zu Hause ist, kann die Entschädigung bis zu drei Wochen verlängert werden, sofern die Notwendigkeit der elterlichen Betreuung für die Zeit der Genesung ärztlich bestätigt ist. Die Entschädigung kann jedoch während höchstens 98 Tagen ‒ Spitalaufenthalt und Genesung eingeschlossen ‒ ausgerichtet werden.

 

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Autor: Nicolas Facincani 

 

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