Mit dem Urteil 4A_364/2024 vom 26. Februar 2025 veröffentlichte das Bundesgericht einen neuen Leitentscheid, in dem es sich mit der Frage beschäftigte, ob ein leistungsorientierter Bonus als Lohnbestandteil im Sinne von Art. 322 OR oder als Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR zu qualifizieren ist (Urteil 4A_364/2024 vom 26. Februar 2025).
Begriff des Bonus
Da der Begriff des Bonus im Obligationenrecht nicht definiert wird, ist diese Unterscheidung arbeitsrechtlich zentral. Sollte der Bonus als Lohnbestandteil gelten, ist dieser verbindlich geschuldet. Gilt er hingegen als Gratifikation, besteht darauf kein Anspruch, wenn dies nicht verabredet ist.
Gemäss Bundesgericht gilt ein Bonus als Lohnbestandteil, wenn er «im Vertrag im Voraus bestimmt oder doch zumindest bestimmbar festgesetzt» wird (Urteil 4A_364/2024 vom 26. Februar 2025, E. 4.1.1).
4.1.1. Wird der Bonus im Vertrag im voraus bestimmt oder doch zumindest bestimmbar festgesetzt, wird er zum Lohnbestandteil und ist dem Arbeitnehmer als solcher geschuldet (BGE 141 III 407 E. 4.2.1; 139 III 155 E. 3.1 und 3.3; je mit Hinweisen).
Ein Bonus gilt jedoch als Gratifikation, wenn er «in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitsgebers abhängt.» (a.a.O., E. 4.1.2). In einem solchen Fall hängt die Höhe des Bonus ganz oder teilweise vom Ermessen des Arbeitgebers ab. Ein solches Ermessen liegt insbesondere dann vor, wenn die Bonusberechnung nicht nur an objektive Kriterien (wie das Erreichen messbarer Ziele), sondern zumindest teilweise auch an die subjektive Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber geknüpft ist.
4.1.2. Eine Gratifikation zeichnet sich gegenüber dem Lohn dadurch aus, dass sie zum Lohn hinzutritt und immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation wird damit ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet. Freiwilligkeit ist anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber zumindest bei der Festsetzung der Höhe des Bonus ein Ermessen zusteht. Ein solches Ermessen ist zu bejahen, wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses, sondern zudem auch von der subjektiven Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht wird. Ein im Voraus festgesetzter und fest vereinbarter Betrag kann daher keine Gratifikation sein (BGE 142 III 381 E. 2.1 mit Hinweisen). Ob es sich bei einer Gratifikation um eine vollständig freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt oder ob auf deren Ausrichtung ein Anspruch besteht, hängt von den Umständen ab. Die Verpflichtung zur Ausrichtung kann im schriftlichen oder mündlichen Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden sein. Sie kann aber auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses durch konkludentes Verhalten entstehen, wie beispielsweise durch die regelmässige und vorbehaltlose Ausrichtung eines entsprechenden Betrages (BGE 129 III 276 E. 2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_327/2019 vom 1. Mai 2020 E. 3.1).
Urteil 4A_364/2024 vom 26. Februar 2025
Im streitigen Fall vor Bundesgericht setzte sich der Bonus vertraglich aus zwei Komponenten zusammen:
- einem im Voraus, vertraglich bezeichneten «Minimalbonus», der an das Erreichen eines bestimmten, objektiv feststellbaren Ziels geknüpft war, und
- einem Multiplikator, dessen Wert von der subjektiven Einschätzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhing.
Das Bundesgericht musste nun entscheiden, ob ein solcher Bonus als Lohnbestandteil oder Gratifikation gilt um herauszufinden, ob nun ein Anspruch auf den Bonus besteht oder nicht.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es sich aufgrund der subjektiven Komponente eindeutig um eine Gratifikation handelt (a.a.O., E. 4.4.3) auf die ohne Vereinbarung grundsätzlich kein Anspruch besteht. Gleichzeitig stellte es klar, dass der als «Minimalbonus» bezeichnete Betrag aufgrund seiner objektiven Bestimmbarkeit und insbesondere seiner Bezeichnung als vereinbart gilt und damit verbindlich geschuldet ist. Der Arbeitgeber ist daher verpflichtet, diesen Betrag bei Erreichen der Voraussetzungen auszuzahlen. Daran vermag auch der Multiplikator nichts zu verändern. Insbesondere kann die Auszahlung der Gratifikation nicht umgangen werden, indem der Multiplikator auf null gesetzt wird, da ansonsten die Bezeichnung als «Minimalbonus» irreführend wäre (a.a.O., E. 4.4.5).
Abschliessend lässt sich festhalten, dass bei der Bonusregelung nicht nur die Art und Weise seiner Berechnung, sondern auch seine vertragliche Bezeichnung entscheidend ist.
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Autoren: Nicolas Facincani / Francesco Struppa
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