In der Schweiz ist ein arbeitsrechtlicher, geschlechtsübergreifender Gleichbehandlungsgrundsatz anerkannt (Gleichbehandlungspflicht). Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz leitet sich aus der Pflicht des Arbeitgebers zum Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmer ab (Fürsorgepflicht – Art. 328 OR). Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung stellt eine Persönlichkeitsverletzung der Arbeitnehmer dar.

 

Vorrang der Vertragsfreiheit?

Jedoch hat das Bundesgericht festgestellt, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit dem Gleichbehandlungsgebot vorgeht: «En matière de contrat individuel de travail, la jurisprudence a déjà affirmé que la liberté contractuelle prévalait sur le principe de l’égalité de traitement» (BGE 129 III 276 E. 3.2). Aufgrund der Vertragsfreiheit sind deshalb grundsätzlich beliebige Differenzierungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern zulässig. Somit ist zwar ein arbeitsrechtlicher, geschlechterübergreifender Gleichbehandlungsgrundsatz anerkannt, allerdings ist dessen Schutzwirkung begrenzt.

 

Verbot der willkürlichen Disrkiminierung

Eine persönlichkeitsverletzende Ungleichbehandlung liegt nur im Falle einer willkürlichen (also sachlich ungerechtfertigten), individuellen Diskriminierung vor. Gemäss Bundesgericht kann jedoch auch eine unsachliche Entscheidung des Arbeitgebers nur dann als Persönlichkeitsverletzung und damit als Verstoss gegen das individuelle Diskriminierungsverbot gelten, wenn darin eine den Arbeitnehmer verletzende Geringschätzung seiner Persönlichkeit zum Ausdruck kommt, was von vornherein nur dann gegeben sein kann, wenn ein einzelner Arbeitnehmer gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern deutlich schlechter gestellt wird – nicht jedoch, wenn nur ein einzelner Arbeitnehmer bessergestellt wird.

Das Zürcher Obergericht hat diesbezüglich spezifiziert, dass die gewählte Einzahl „ein Arbeitnehmer“ wohl nicht wörtlich zu verstehen sei; auch die vom Bundesgericht angeführten Literaturstellen gingen davon aus, auch eine ganze (wenn auch kleine) Gruppe von Arbeitnehmern könne rechtswidrig schlechter gestellt sein (ZR 104/2005 S. 141, 10.03.2004, Obergericht Zürich, S. 141–147). Sodann stellte das Zürcher Obergericht fest, dass der streitige Fall einen Grenzfall darstelle: Ein Sechstel der Mitarbeitenden resp. der Stellenprozente (welche i.c. diskriminiert wurden) sei an sich zwar bereits ein relativ erheblicher Teil der ganzen Belegschaft. Anderseits könne es stossend sein, eine klare persönlichkeitsverletzende Schlechterstellung (nur) aufgrund dieses zahlenmässigen Verhältnisses als unangreifbar zu behandeln.

 

Besserstellung ist zulässig

Somit ist eine sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung eines einzelnen Arbeitnehmers oder einer Minderheit von Arbeitnehmern gegenüber der Mehrheit der Belegschaft oder die Besserstellung der Mehrheit der Belegschaft, aber eben nicht aller, unzulässig. Demgegenüber ist die Besserstellung eines einzelnen Arbeitnehmers oder einer Minderheit bzw. kleinen Gruppe von Arbeitnehmern sowie die Benachteiligung von grösseren Gruppen oder gar ganzen Mitarbeiterkategorien nicht zu beanstanden (OGer ZH in JAR 2006, S. 546 und KGer SG in JAR 2009, S. 579).

 

BGer 4A_239/2021 vom 16. Dezember 2022

Dem Entscheid BGer 4A_239/2021 vom 16. Dezember 2022 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Gemäss Ziffer 7 des Vertrages sollte der Arbeitnehmer eine Gratifikation unter folgenden Bedingungen erhalten:

„Wenn der budgetierte Gruppenumsatz erreicht wird, CHF 20’000.00 Bonus. Wenn dieser um mehr als 20% überschritten wird, CHF 30’000 Bonus. Liegt er dazwischen, wird zusätzlich eine lineare Erhöhung auf 30’000 Franken gewährt.“

Zusammen mit seinem Vertrag unterzeichnete der Mitarbeiter ein Pflichtenheft für die Funktion des Regionalmanagers. Im Rahmen seiner Tätigkeit wurden ihm im Laufe des Jahres 2018 Aufgaben übertragen, die in diesem Pflichtenheft nicht erwähnt waren, wie die Organisation verschiedener Veranstaltungen.

Laut dem Organigramm des Unternehmens gab es vier weitere Regionalmanager, nämlich E.________, F.________, G.________ und H.________. Alle vier hatten einen „Bonus 2018“ von 20’000 Fr. erhalten, der mit dem Lohn für den Monat Dezember 2018 ausbezahlt wurde. Zudem waren ihnen im Jahr 2018 zusätzliche Aufgaben zugewiesen worden, die nicht in ihrem Pflichtenheft standen.

Am 1. Januar 2019 wurden ihre jeweiligen Arbeitsverträge geändert, um u. a. diese zusätzlichen Aufgaben aufzunehmen. Diese Verträge enthielten eine ähnliche Klausel wie die des Arbeitnehmers bezüglich der Gewährung einer variablen Vergütung.

 

Erstinstanzliches Verfahren

Vor Gericht forderte der Arbeitnehmer, dass die Arbeitnehmerin einen Bruttobetrag von nicht weniger als 20’000 Fr. mit Zinsen – die nach der Beweisaufnahme präzisiert würden – als Bonus zu zahlen habe.

Mit Urteil vom 27. April 2020 wies das Gericht die Klage ab. Es stellte fest, dass die Voraussetzung für die Auszahlung des vertraglich vereinbarten Bonus nicht gegeben war: Der Umsatz des Unternehmens im Jahr 2018 hatte den budgetierten Betrag nicht erreicht. Ausserdem sei der Arbeitnehmer im Vergleich zu seinen früheren Kollegen nicht ungleich behandelt worden, da er im Gegensatz zu diesen nur die Aufgaben übernommen habe, die zum normalen Pflichtenheft eines Vertriebsleiters gehörten:

Die anderen Regionalmanager erhielten zwar Gratifikationen, diese hätten jedoch im Zusammenhang mit den zusätzlichen Aufgaben, die sie zu übernehmen hatten, gestanden, während die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer, der erst seit wenigen Monaten im Unternehmen war, keine derartigen Aufgaben übertragen habe. Der Arbeitnehmer hatte sich zwar um die Organisation einiger Veranstaltungen gekümmert, aber diese Aufgaben – die sich auf die Ebene der Fitnessclubs und nicht auf die des Konzerns bezogen – gehörten zum normalen Aufgabenbereich eines Verkaufsleiters, da diese Funktion die Suche und Gewinnung von Kunden beinhaltet. Daher sei er nicht ungleich behandelt worden.

 

Zweitinstanzliches Verfahren

Die obere kantonale Instanz gab der Berufung des Arbeitgebers statt und änderte das angefochtene Urteil dahingehend ab, dass die Beklagte dem Kläger 20’000 Fr. abzüglich der gesetzlichen und vertraglichen Kosten zuzüglich Zinsen zu 5% p.a. ab dem 1. Januar 2019 zu zahlen habe.

Das obere kantonale Gericht entschied somit gegenteilig. Es stellte fest, dass dem Arbeitnehmer im Laufe des Jahres 2018 Aufgaben wie die Organisation verschiedener Veranstaltungen zugewiesen worden seien. Diese Aufgaben seien zwar nicht in dem vom Arbeitnehmer unterzeichneten Pflichtenheft für die Funktion des Regionalmanagers enthalten, aber auch nicht im Pflichtenheft für den Vertriebsleiter, das er ebenfalls nicht unterzeichnet hatte. Das letztgenannte Dokument habe Unternehmenspartnerschaften und Verkaufsaktionen erwähnt; diese Aufgaben umfassten die Suche nach neuen Kunden, Privatverkäufe, das Aushandeln von Partnerschaftsbedingungen, die Entwicklung von Verkaufsaktionen oder die Vertretung bei Messen, Ausstellungen oder „Events“, seien aber nicht mit der Organisation von Events vergleichbar. Die letztgenannte Aufgabe habe somit eine zusätzliche Aufgabe dargestellt. Die Arbeitgeberin habe daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstossen, indem sie dem Arbeitnehmer keine Gratifikation gewährte, während sie diese den vier anderen Regionalmanagern, die sich in einer identischen Situation befanden, zukommen liess.

 

Verfahren vor Bundesgericht

Der Arbeitnehmer beanspruchte jedoch einen Betrag von 20’000 Fr. und berief sich dabei auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Vergleich zu seinen vier – hierarchisch gleichgestellten – Regionalmanagerkollegen, die jeweils einen gleich hohen Betrag erhalten haben. Klar war, dass die Bedingungen des Bonus nicht erfüllt waren.

Neben prozessualen Themen rügte die Arbeitgeberin vor Bundesgericht insbesondere eine Verletzung von Art. 328 OR, was allerdings vom Bundesgericht verneint wurde. Somit wurde der Bonus aufgrund der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer geschützt:

En dernier lieu, la recourante soutient que la cour cantonale aurait violé l’art. 328 CO en faisant bénéficier l’intimé du principe d’égalité de traitement avec les quatre autres managers régionaux. 

L’employeuse ne conteste pas en soi que l’employé puisse prétendre au versement d’une gratification pour 2018 en se fondant sur le principe de l’égalité de traitement (sur l’application de ce principe en matière de gratification et ses limites, cf. ATF 129 III 276 consid. 3.1). La recourante fonde bien plutôt sa critique sur les situations prétendument différentes dans lesquelles les managers régionaux se seraient trouvés. Or, les faits qu’elle allègue pour donner une certaine consistance à son argumentation ne ressortent pas de l’arrêt attaqué, qui fait foi à cet égard (cf. consid. 2 supra). Quant aux interrogations que la recourante soulève, elles sont impropres à fonder le grief d’illégalité dont elle fait son fer de lance. 

C’est donc à tort que la recourante se plaint d’une violation de l’art. 328 CO. 

 

Weitere Beiträge zum Thema Bonus:

 

Zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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