«Equal pay» oder zu Deutsch: gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, ist ein durch die Verfassung geschützter Grundsatz, welcher im Arbeitsrecht Anwendung findet und insbesondere auch für Privatpersonen gilt (Art. 8 Abs. 3 BV).

Ein soeben in Deutschland vom Bundesarbeitsgericht ergangenes Urteil hat kürzlich den Arbeitgeber gerügt, dass eine Ungleichbehandlung einer Arbeitnehmerin nicht (mehr) gestützt auf die geführte Lohnverhandlung abgestützt werden könne. Nachfolgend wird das Urteil zunächst kurz aufgezeigt und erläutert. Danach soll das Urteil in die Schweizer Judikatur eingeordnet werden, mit dem Zweck die Auswirkungen für die Schweiz zu erhellen.

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Deutschland lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin war seit März 2017 im Vertrieb als Aussendienstmitarbeiterin tätig. Dabei betrug ihr Grundentgelt 3’500 € brutto.  Ab August 2018 wurde ein neuer Haustarifvertrag mit Eingruppierungssystem eingeführt. Dabei hat das Tarifsystem ein Grundentgelt der Klägerin auf 4’140 € brutto vorgesehen. Allerdings sah der Haustarifvertrags in den Übergangsbestimmungen eine Deckelungsregelung vor: «Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120,00 €/brutto in den Jahren 2018 bis 2020.» Gestützt hierauf betrug das Grundentgelt ab August 2018 3’620 € brutto.

Neben der Klägerin waren auch zwei männliche Arbeitnehmer als Aussendienstmitarbeiter angestellt. Dabei bot die Beklagte (Arbeitgeberin) dem einen Arbeitnehmer (welcher seit Januar 2017 angestellt war) auch ein Grundentgelt in der Höhe von 3’500 € brutto an (vor dem Haustarifvertrag). Der Arbeitnehmer lehnte dies jedoch ab und verhandelte mit der Beklagten. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, das heisst für die Zeit bis zum 31. Oktober 2018 ein höheres Grundentgelt von 4’500 € brutto. Die Beklagte gab dieser Forderung nach. Nachdem die Beklagte dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Klägerin – ein Grundentgelt in der Höhe von 3’500 € gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab dem 1. Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 € brutto. Zur Begründung berief sie sich u.A. darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab dem 1. August 2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das sich in Anwendung der «Deckelungsregelung» des § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags auf 4’120 € brutto belief.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 von monatlich 1’000 € brutto, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2017 in der Höhe von 500 € brutto sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 von monatlich 500 € brutto. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in der Höhe von mindestens 6.000 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht erwog, dass «der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt»

«Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt»

Zum Ganzen: Urteil 8 AZR 450/2021.

 

Einordnung und Bedeutung für die Schweiz

Art. 8 Abs. 3 BV garantiert den Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit zwischen Mann und Frau. Dieser grundrechtlich geschützte Grundsatz hat insofern Reflexwirkung auf die Privatwirtschaft, als dieser Anspruch zwingend und unverzichtbar ist (Art. 341 OR). Das Bundesgericht hat diesen Grundsatz insofern konkretisiert als dass

  • der Anspruch nur zwischen Mann und Frau besteht, nicht zwischen Arbeitnehmende des gleichen Geschlechts (BGE 127 III 207);
  • und die jeweilig betroffene Person beim selben Arbeitgebenden beschäftigt sein muss (BGE 141 II 411).

Eine weitere Konkretisierung erfährt die Lohngleichstellung durch Art. 3 GlG. Dabei ist zwischen direkter und indirekter Diskriminierung zu unterscheiden (siehe insbesondere Wetzstein/Wolfensberger, in: Facincani/Hirzel/Sutter/Wetzstein, Gleichstellungsgesetz, Art. 3 N 77 ff.; Bortolani/Scherer, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 322 N 61 ff.).

Kurz gesagt ergibt sich eine direkte Diskriminierung, wenn eine Lohnungleichbehandlung von Arbeitnehmenden aufgrund von unzulässigen Kriterien erfolgt. Solche sind bspw. Geschlecht, Mutterschaft, Schwangerschaft, Zivilstand. Indirekte Diskriminierung liegt hingegen vor, wenn Kriterien zur Festsetzung des Lohnes verwendet werden, welche im Ergebnis deutlich mehr Arbeitnehmende eines Geschlechts bevorzugen (Wetzstein/Wolfensberger, in: Facincani/Hirzel/Sutter/Wetzstein, Gleichstellungsgesetz, Art. 3 N 84-86 ff.)

 

Rechtfertigung

Wird eine Diskriminierung festgestellt, so kann die arbeitgebende Person diese versuchen zu rechtfertigen. Beim Rechtfertigungsbeweis ist zu differenzieren, ob es sich um eine direkte oder indirekte Diskriminierung handelt. Dieser ist allerdings vom sog. Entlastungsbeweis abzugrenzen. Ein solcher kann angerufen, um nachzuweisen, dass gar keine Ungleichbehandlung vorliegt. Der Rechtfertigungsbeweis setzt hingegen eine Ungleichbehandlung voraus, jedoch kann eine solche durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden (vgl. ausführlich: Wetzstein/Wolfensberger, in: Facincani/Hirzel/Sutter/Wetzstein, Gleichstellungsgesetz, Art. 3 N 11 ff.).

 

Verhandlungsgeschick als Rechtfertigungsbeweis?

Um diese Frage zu beantworten, wird angenommen, dass sich der Fall in Deutschland analog in der Schweiz abgespielt hätte. Dabei stellt sich die Frage, ob eine bessere Verhandlungstaktik, welche im Ergebnis zu einer höheren Entlöhnung führt, ein sachlicher Grund im Sinne einer Rechtfertigung darstellt.

Hervorzuheben ist hier, dass insbesondere die arbeitnehmende Person im Vergleich zu einem anderen Arbeitnehmenden gleichwertige Arbeit verrichten. Bei der zugeteilten Arbeit können verschiedene Kriterien, wie:

  • Anforderungen
  • Risiken
  • Verantwortung
  • Pensum
  • Aufgabenkomplexität

eine Rolle spielen.

Selbstredend gibt es auch marktbezogene Kriterien wie die konjunkturelle Lage oder die individuelle Verhandlungsmacht (vgl. Wetzstein/Wolfensberger, in: Facincani/Hirzel/Sutter/Wetzstein, Gleichstellungsgesetz, Art. 3 N 89 ff.). Vorliegend war die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer mit derselben Arbeit betraut. Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, wurden beiden Arbeitnehmenden dasselbe Grundgehalt angeboten. Dabei hat der männliche Arbeitnehmer auf einer Lohnerhöhung bestanden, die weibliche Arbeitnehmerin nicht. Das Bundesgericht hat bereits die Geltung eines Lohngleichheitsgebot angenommen (BGE 124 II 409). Vor einem solchen Hintergrund ist eine ungleiche Entlöhnung gleichwertiger Arbeit keiner Rechtfertigung zugänglich (Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Art. 322 N 20).

 

Fazit

Liegt gleichwertige Arbeit vor, so ist eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung schwierig. Inwiefern Verhandlungsgeschick als lohnerhöhendes Rechtfertigungskriterium genommen werden kann, ist zweifelhaft. Es ist aber hervorzuheben, dass der Beweis für das Vorliegen gleichwertiger Arbeit nicht leicht ist. Oftmals gibt es nicht immer eine andere arbeitnehmende Person, mit welcher ein Lohnvergleich vorgenommen werden kann. Letztlich fehlt es in vielen Betrieben auch an einer Lohntransparenz.

 

Weitere Beiträge zur Gleichstellung der Geschlechter:

 

Autoren: Nicolas Facincani Matteo Ritzinger

 

Weitere umfassende Informationen zum Gleichstellungsgesetz finden sie hier.