Das Bundesgericht hatte im auf Italienisch ergangenen Entscheid BGer 4A_379/2020 die Missbräuchlichkeit einer Kündigung zu beurteilen. Die Arbeitnehmerin hatte eine Pönalentschädigung aufgrund der Missbräuchlichkeit der Kündigung geltend gemacht. Sodann verlangte sie im Rahmen des Auslagenersatzes eine Kilometerentschädigung. Beide Ansprüche wurden von den kantonalen Instanzen geschützt, weshalb die Arbeitgeberin an das Bundesgericht gelangte.

 

Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung

 Art. 336 OR listet Gründe auf, welche zur Missbräuchlichkeit einer Kündigung führen. Durch Art. 336 OR wird das Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB konkretisiert (BGE 134 III 108), womit für eine eigenständige Anwendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots eigentlich kein Raum bestehen würde (siehe allerdings BGE 121 III 60). Somit sind nicht nur die in diesem Artikel aufgelisteten Fälle missbräuchlich. Vielmehr ist Art. 336 nicht abschliessend. Somit fallen auch gegen das Rechtsmissbrauchsverbot fallende Fälle darunter, die eine mit den in Art. 336 OR genannten vergleichbare Schwere aufweisen (zum Ganzen: Facincani/Bazzell, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 336 N 45 ff.).

Die Entschädigung gemäss Art. 336a OR dient einerseits der Bestrafung, andererseits der Wiedergutmachung für den gekündigten Arbeitnehmer und darf 6 Monatslöhne nicht übersteigen. Die folgenden Faktoren sind etwa bei der Bemessung zu berücksichtigten (siehe auch CHK-Emmel, Art. 336a OR):

  • Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers
  • Mitverschulden des Arbeitnehmers
  • Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeit
  • Arbeitsvertragliche Bindung (Dauer und Enge)
  • Soziale und wirtschaftliche Situation der Parteien
  • Wirtschaftliche Folgen
  • Alter des Arbeitnehmers
  • mögliche Probleme bei Wiedereingliederung

Vorliegend rügte die Arbeitgeberin vor allem die Tatsache, dass die Zweitinstanz die Entschädigung von einem auf drei Monate erhöhte, mit der Ansicht für die Beschwerdegegnerin wäre es schwierig eine neue Stelle zu finden. Das Bundesgericht erachtete die Erhöhung aber als zulässig, zumal auch andere Gründe vorlagen (E.3.2.1: «anche altri motivi»). Unter diesen wurden vorliegend folgende explizit erwähnt:

  • Mutter mit drei schulpflichtigen Kindern (obblighi di accudimento verso tre figli)
  • Die Tätigkeit, welcher hier nachgegangen wurde, unterliegt einer kantonalen Bewilligung (attività soggetta ad autorizzazione cantonale)
  • Verstoss gegen Treu und Glauben der Arbeitgeberin (licenziamento senza particolari scrupoli dopo le richieste di spiegazione e l’avanzamento in buona fede)
  • Unbegründete Behauptungen über Fehlverhalten (evocazione infondata di comportamenti scoretti)

Zudem wurde dies auch prozessual begründet, da die Arbeitgeberin nicht ausführte wie das Urteil zu ändern gewesen wäre (E. 3.2.1: «nemmeno nella motivazione del suo gravame la ricorrente spiega come sia da riformare il giudizio impugnato»)

 

Kilometerentschädigung

Im Arbeitsrecht gilt, der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen. Zu ersetzen sind in erster Linie die in Ausführung entstanden Auslagen, d.h. sie müssen im direkten Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen. Der Ersatz der Auslagen im Allgemeinen wird in Art. 327 OR geregelt.

Im Zusammenhang mit Motorfahrzeugen sieht das Gesetz zudem eine eigene Regelung vor. Gemäss Art. 327b Abs. 1 OR hat der Arbeitnehmer, wenn er im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber für seine Arbeit ein eigenes oder ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Motorfahrzeug verwendet, Anspruch auf Ersatz der laufenden Betriebs- und Unterhaltskosten (z.B. Kosten für Benzin, Öl, periodische Wartung, Reparaturen usw.) (zum Ganzen: Probst, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 337b N 9 ff.).

 Im zitierten Urteil waren einerseits der Umfang der Kilometer und andererseits die Entschädigung hierfür strittig.

Den Umfang der zu entschädigenden Kilometer hatte die Zweitinstanz mittels stichprobenartiger Kontrollen verifiziert. Dies wurde zwar gerügt, allerdings wies das Bundesgericht diese Rüge ab, mit der Begründung, die Arbeitgeberin übe allgemein Kritik am Vorgehen der zweitgerichtlichen Instanz und diese Rüge sei zu wenig substantiiert (E.4.2: «Con le sue critiche, nondimeno, la ricorrente si limita a opporre la propria opinione a quella dei giudici cantonali […]»). Aus diesem Grund wurden die von der Vorinstanz evaluierte Kilometerzahl der Beschwerde zugrunde gelegt (vgl. E.4.3: «La presente sentenza si baserà dunqe sugli accertamenti svolti dai guidici cantonali e cioè che l’opponente ha percorso 19’980 km»).

Die Arbeitgeberin macht zudem geltend, als Arbeitsort gelte jedes einzelnes Domizil der zu pflegenden Kunden, weshalb eine Kilometerentschädigung für den Weg von Zuhause an das Domizil der jeweiligen Kunden nicht zu entschädigen wäre (der Arbeitsweg an den gewöhnlichen Arbeitsort ist nicht zu entschädigen). Diese Auffassung wurde vom Bundesgericht klar zurückgewiesen. Die Arbeitnehmerin musste oft den Arbeitsort wechseln, was der Arbeitgeberin bekannt war, weshalb die Vorinstanz problemlos die Arbeitgeberin verpflichten konnte die Reisekosten zu erstatten. (E.5.3.2: «Nella fattispecie la tesi della ricorrente secondo cui il luogo di lavoro dell’opponente sarebbe il domicilio di ogni utente e perciò il datore di lavoro non le avrebbe dovuto alcuna indennità chilometrica, non è condivisibile»

Gegen eine grundsätzlichen Kilometerentschädigung sprach zudem nicht (so das Bundesgericht), dass die Arbeitnehmerin zwischen ihren Hausbesuchen zu sich nach Hause fahren konnte (E. 4.2: «un rientro al suo domicilio da parte dell’opponente tra le cure prestate a uno e quelle offerte a un altro utente, se la ricorrente non spiega perché tale eventualità […] comporterebbe una contrazione dei chilometri da indennizzare»).

Zum Schluss vertrat die Arbeitgeberin zum der Auffassung, die Arbeitnehmerin hätte zu lange gewartet ihre Ansprüche geltend zu machen, dies sei rechtsmissbräuchlich.

Das Bundesgericht klärte dies dahingehend, dass das blosse Zuwarten zur Ausübung eines Rechtes innerhalb der Verjährungsfrist nicht rechtsmissbräuchlich sei La semplice attesa di esercitare un proprio diritto entro i termini di prescrizione, poi, non costituisce ancora un abuso di diritto.» E. 6.1).

 

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Autor: Nicolas Facincani Matteo Ritzinger

 

 

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