Gerichtsverfahren nach dem Gleichstellungsgesetz unterliegen verschiedenen prozessualen Besonderheiten.

Art. 6 des Gleichstellungsgesetzes etwa bestimmt, dass bezüglich der Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung eine Diskriminierung vermutet wird, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Das bedeutet nicht, dass reine Behauptungen genügen. Auch bei Beweislasterleichterung müssen Tatsachen angeführt werden, die eine Diskriminierung als wahrscheinlich erscheinen lassen. Diese beiden Erleichterungen gelten indes nicht in Bezug auf die Anstellungsdiskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 2 sowie auf die Diskriminierung durch sexuelle Belästigung gemäss Art. 4 des Gleichstellungsgesetzes.

Hierzu das Bundesgericht im Zusammenhang mit einer Lohndiskriminierung (BGer 4A_636/2020 vom 20. Juli 2021, E. 2.2):

Gemäss Art. 6 GlG wird bezüglich der Entlöhnung eine Diskriminierung vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Gegebenenfalls trifft den Arbeitgeber der Beweis, dass die unterschiedliche Entlöhnung sachlich gerechtfertigt ist (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_33/2021 vom 19. Juli 2021 E. 3.1; 4A_208/2021 vom 16. Juli 2021 E. 3.2). Bei dieser Vorschrift handelt es sich – gemäss Artikelüberschrift – um eine Beweislasterleichterung, die als Spezialbestimmung der Beweisregel von Art. 8 ZGB vorgeht. Damit soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber im Beweisverfahren mitwirkt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Unterlagen über die Ausgestaltung einer Lohnpolitik regelmässig im Besitz des Arbeitgebers befinden und diesem daher besser als dem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, den Beweis zu erbringen (BGE 144 II 65 E. 4.2.1 mit Hinweisen).

Wurde eine Lohndiskriminierung im Sinne des Art. 6 GlG glaubhaft gemacht, ist der Arbeitgeber zum Nachweis verpflichtet, dass die geringere Entlöhnung in Wirklichkeit nicht geschlechtsdiskriminierend, sondern durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist; misslingt ihm dies, gilt die geschlechtsspezifische Benachteiligung als erstellt (BGE 142 II 49 E. 6.3; 136 II 393 E. 11.3; mit Hinweisen).

 

BGer 4A_636/2020 vom 20. Juli 2021

Im BGer Entscheid 4A_636/2020 vom 20. Juli 2021 hatte sich das Bundesgericht mit einer Lohndiskriminierungsklage auseinanderzusetzen. Eine Arbeitnehmerin, deren Jahressalär betrug CHF 230’000 brutto zuzüglich eines variablen Lohnanteils von 20 bis 40 % des Jahressalärs betrug, machte eine Lohndiskriminierung geltend. Sie stützte ihre Klage auf das Gleichstellungsgesetz. Sie machte geltend, ihr Vorgänger habe auf der gleichen Position ein Jahressalär von CHF 300’000 brutto, ebenfalls zuzüglich variablen Lohnanteils von 20 bis 40 % des Jahressalärs erhalten.

 

Keine Lohndiskriminierung bei sachlichen Gründen

Das Bundesgericht führte zuerst allgemein aus, dass bereits aufgrund der Bundesverfassung Mann und Frau Anspruch auf gleichen Lohn haben. Zudem dürfen gemäss Gleichstellungsgesetz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts nicht benachteiligt werden. Keine Benachteiligung liegt indes vor, wenn sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung vorliegen.

2. Mann und Frau haben nach Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Der Begriff der gleichwertigen Arbeit umfasst nicht bloss ähnliche, das heisst gleichartige Arbeiten, sondern bezieht sich darüber hinaus in Zusammenhang mit indirekten Lohndiskriminierungen auch auf Arbeiten unterschiedlicher Natur (BGE 144 II 65 E. 4.1 mit Hinweisen). Gemäss Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG; SR 151.1) dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden. Das Verbot gilt insbesondere auch für die Entlöhnung (Art. 3 Abs. 2 GlG; BGE 146 V 210 E. 3.4; vgl. im Zusammenhang mit einer Nichtanstellung für eine öffentlichrechtliche Stelle auch: BGE 145 II 153 E. 3.2). 

2.1. Nach der Rechtsprechung liegt eine direkte Diskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG vor, wenn sich eine Ungleichbehandlung ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sie sich nicht sachlich rechtfertigen lässt. Von einer indirekten Diskriminierung ist hingegen auszugehen, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts ohne sachliche Rechtfertigung gegenüber jenen des anderen erheblich benachteiligt (BGE 145 II 153 E. 4.3.5; 144 II 65 E. 4.1; 141 II 411 E. 6.1.2 mit Hinweisen).  

2.3. Eine Lohndiskriminierung entfällt, wenn die Lohndifferenz durch die zu erbringende Arbeit oder die in Frage stehende Funktion sachlich begründet erscheint. Sachlich begründet ist ein Lohnunterschied im Einzelvergleich, wenn er sich auf sogenannte objektive Kriterien stützt oder nicht geschlechtsspezifisch motiviert ist (BGE 144 II 65 E. 4.1 mit Hinweis). Zu den objektiven Kriterien gehören Gründe, die den Wert der Arbeit beeinflussen, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung, soweit sie sich im Arbeitsergebnis niederschlägt, oder Risiken; darüber hinaus kann es sich um Gründe handeln, welche sich aus sozialen Rücksichten ergeben, wie familiäre Belastung und Alter, und schliesslich kommen auch äussere Faktoren wie die konjunkturelle Lage in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht (BGE 142 II 49 E. 6.3 S. 59; 136 II 393 E. 11.3 mit Hinweisen).  

2.4. Um eine unterschiedliche Entlöhnung zu rechtfertigen genügt es nicht, dass der Arbeitgeber irgendeinen Grund anführt. Er muss vielmehr beweisen, dass ein objektives Ziel verfolgt wird, das einem echten unternehmerischen Bedürfnis entspricht, und dass die Ungleichbehandlung geeignet ist, das angestrebte Ziel unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zu erreichen. Objektive Gründe vermögen im Allgemeinen eine unterschiedliche Entlöhnung nur zu rechtfertigen, wenn sie für die konkrete Arbeitsleistung und die Lohngestaltung durch die Arbeitgebenden wesentlich sind (BGE 142 II 49 E. 6.3 S. 59; 130 III 145 E. 5.2 S. 165 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 8C_696/2016 vom 19. September 2017 E. 3.1). 

 

Gerichtfertigte Lohndifferenz

Die Arbeitgeberin rechtfertigte die Lohndifferenz unter anderem mit der (von der Vorinstanz als zutreffend befundenen) Begründung, die Aufgaben der Arbeitnehmerin und ihres Vorgängers seien nicht gleichwertig gewesen und dieser habe eine höhere Verantwortung getragen. Damit hatte sie in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in den wesentlichen Zügen behauptet, der Lohnunterschied werde durch die unterschiedlichen Aufgaben gerechtfertigt. Aus diesem Grund wurde die Lohndifferenz auch vom Bundesgericht – mangels Bestreitungen der Arbeitnehmerin – als zulässig erachtet.

 

Kein Zweistufiges Vorgehen notwendig

Die Arbeitnehmer machte vor Bundesgericht zudem geltend, die Gerichte hätten Art. 6 des Gleichstellungsgesetzes verletzt, da die Urteilsfindung nicht in zwei Stufen erfolgt sei. Das zweistufige Vorgehen (zuerst Glaubhaftmachung der Rechtsverletzung und dann Beweis der Rechtfertigung) müsse sich auch in der Urteilsbegründung widerspiegeln. Auch dieses Vorbringen wurde vom Bundesgericht zurückgewiesen:

4.1.3. Eine Urteilsfindung in zwei Stufen ist im Rechtsmittelverfahren keineswegs zwingend. Auch erstinstanzlich kann die Frage der Glaubhaftmachung einer Diskriminierung offengelassen werden, sofern der Gegenbeweis als erbracht anzusehen ist. Eine Bundesrechtsverletzung ist nicht ersichtlich, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargetan, zumal aus dem angefochtenen Entscheid eindeutig hervorgeht, welche Frage die Vorinstanz geprüft und welche sie offengelassen hat. Eine sachgerechte Anfechtung war ohne Weiteres möglich.  

 

Weitere Beiträge zur Gleichstellung der Geschlechter:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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